Ausgabe Nr.
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J M upload 12.12.2018, Viva Edition 36 | Print article

Im Gespräch mit Marco Aurelio Pérez Sánchez, Bürgermeister von San Bartolomé de Tirajana

San Bartolomé de Tirajana heißt die flächenmäßig größte Gemeinde von Gran Canaria.  Die Fläche von 333,13 Quadratkilometern entspricht etwa einem Drittel der Insel. An der Südküste des Gemeindebereichs befindet sich Maspalomas, eine der bekanntesten Touristenenklaven Spaniens. 

Doch die Gemeinde hat abgesehen von den wunderschönen Stränden wie z. B. Playa del Inglés, San Agustín oder Meloneras noch weit mehr zu bieten. Es ist sicher das mit Abstand abwechslungsreichste Gemeinde der Insel aus Sicht der Naturvielfalt. Auf diesem Gebiet kontrastieren Lagune, Dünen und Steppen, Kiefernwälder, zerklüftete Bergketten, Schluchten, Stauseen und jede Menge Kanarische Dattelpalmen auf beeindruckende Weise. 

Wir waren zu Besuch bei Marco Aurelio Pérez Sanchéz (siehe Foto rechts), dem Bürgermeister dieser geschichtsträchtigen Gemeinde, die angeblich schon Kolumbus auf seiner Entdeckungsreise betrat. Es ist 17.00 Uhr an einem Dienstag, als wir uns auf den Weg zum Rathaus im Stadtteil San Fernando de Maspalomas begeben. Erst im April des Vorjahres zog das Bürgermeisteramt in dieses neue, moderne Gebäude. Doch dieses präsentiert sich an diesem herrlichen Tag ganz anders, ungewohnt ruhig. In den Vormittagsstunden herrscht hier buntes Treiben, wenn die vielen Besucher „vorstellig werden“, um ihre administrativen Belange zu erledigen. Im ersten Stockwerk angelangt öffnet uns ein überaus freundlicher Bürgermeister persönlich die Tür in diesem abgegrenzten Bereich und geleitet uns in sein gediegenes Büro. 

Er demonstriert uns die kanarische Gastlichkeit (keine Selbstverständlichkeit in anderen Behörden) und offeriert uns sogar Kaffee. Entwaffnend ist seine Unkompliziertheit, denn damit haben wir nicht gerechnet. Wir warten einen kurzen Augenblick, damit er seine Unterschriften auf die vorbereiteten Dokumente setzen kann und so seine dicke Unterschriftenmappe durch hat. 

Der unkomplizierte und lockere „Macher“

Beim Anblick der hohen Aktenberge, fein säuberlich gestapelt, kann ich meine Neugierde nicht unterdrücken und frage, ob das immer so ist. „Ja, das gehört zur Politik und zu diesem Amt eben dazu“ meint er mit einem entwaffnenden Lächeln.

Jeden Tag erhalte ich eine Vielzahl an Pressemitteilungen und viele davon auch aus der Gemeinde San Bartolomé. Wenn ich mir nur die Fotos ansehe, wo Marco Aurelio Pérez  zu- gegen ist, dann schätze ich seinen Arbeitspensum auf 12 Stunden pro Tag ein. Wieder lächelnd und während er die letzten Dokumente signiert meint der Bürgermeister: „Es sind mehr als zwölf Stunden Arbeit am Tag, manchmal weit mehr, je nachdem wann die letzten Termine anberaumt sind. Heute bin ich schon seit viertel vor Sieben im Büro und hab nach unserem Interview um 19.00 Uhr den nächsten Termin in Las Palmas. An manchen Tagen muss ich sogar zwei Mal am Tag zwischen der Inselhauptstadt und dem Süden pendeln.“

Manchmal sieht er seine eigenen Kinder sehr wenig. Immerhin sind diese, ein 18-jähriger Junge und ein 16-jähriges Mädchen, inzwischen in einem Alter, wo sie sich mehr und mehr ihren eigenen Interessen widmen und auch Verständnis für den Beruf des Vaters aufbringen können.

Die frühe Berufung zur Politik

Marco Aurelio Pérez zog es schon früh in die Politik. Seine Arbeit in Vereinen begann schon im Kindesalter in der „Agrupación de Vecinos“, der Bürgervereinigung. Im Jahr 1991 übernahm er erstmals ein offizielles Amt. Zehn Jahre danach wurde er  Bürgermeister der Gemeinde San Bartolomé de Tirajana, das er bis Mitte 2005 bekleidete. Im Juni 2011 übernahm er abermals dieses Amt, das er bis Juni 2015 bekleiden wird.

Viele Entscheidungen standen bei seinem zweiten Amtsantritt an, mehr und weniger brisante. Doch Marco Aurelio ist nicht nur unkompliziert, er ist auch ein Mann der Taten und so verschaffte er sich einen Überblick über die Situation und rollte Thema um Thema auf.

Erste maßnahmen: Zentralisierung und Konsolidierung

Eine wichtige Säule einer Gemeinde ist eine funktionierende Adminis-tration. Im April des Vorjahres war die Konsolidierung der öffentlichen Stellen praktisch abgeschlossen. Die Entscheidung dieser Zentralisierung basierte auf einigen Vorteilen, wie z. B. die jährlichen Einsparungen, die gerade aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Situation Spaniens von Bedeutung sind. Ein anderes, ebenfalls sehr wichtiges Argument war die Verbesserung der Dienstleistungen für Bürger. Die verschiedenen Abteilungen wie Melde- und Statistikamt oder Bürgermeisteramt befinden sich nun unter einem Dach und man weiß wohin man sich wenden muss. 

Ein wichtiger Aspekt ist die Optimierung der internen Abläufe. Man kann sich mit den Kollegen besser und schneller abstimmen und so werden Streuverluste bei Informationen verringert. Das Plenum, das  die Entscheidungen fällt, befindet sich gleich hier ebenso die wichtige Einrichtung für die Sozialdienstleistungen (Servicios Sociales) sowie das Sportzentrum.

Die Sozialeinrichtungen sind für alle da

„Die Nutzung der Sozialeinrichtungen steht allen Bürgern der Gemeinde frei, auch den Ausländern aus dem EU-Raum, sofern sie ihren ordentlichen Wohnsitz in San Bartolomé de Tirajana haben. In diesem Fall haben sie die gleichen Rechte und Pflichten wie die Einheimischen“, erklärt der Bürgermeister.

„Das ist insofern ein wichtiges Thema, als in der Gemeinde Menschen aus 127 Nationen zusammenleben und das in unvergleichlicher Harmonie“, wie Marco Aurelio unterstreicht. Das ist nicht überall der Fall, wie wir wissen. Daher bemüht sich die Gemeinde laufend um Initiativen der Völkerverständigung, damit dies auch in Zukunft so bleibt. „Wir arbeiten sehr eng mit ausländischen Konsulaten zusammen, auch  mit dem Deutschen Konsulat Las Palmas“, erläutert er. Immer wieder werden Veranstaltungen organisiert, welche die verschiedenen Kulturen einander näher bringen sollen, sei es für Marokkaner oder für Chinesen. Fehlende Sprachkenntnisse führen oft zur Isolation. Daher werden in diesem Bereich immer wieder Initiativen gestartet, wie z. B. Sprachkurse: chinesisch für Chinesen aber auch chinesisch für Spanier.

Gewappnet für die Zukunft

Eine qualifizierte Ausbildung ist generell wichtig, doch gerade als Tourismusgemeinde muss auch das Ausbildungsniveau entsprechend sein. In El Tablero wird im Schulungszentrum Centro de Formación nun insbesondere auf Berufe im Gastronomiebereich wie Kellner, Koch etc. Wert gelegt, um diese Dienstleistungen verbessern zu können. Natürlich geht das nicht von heute auf morgen. Doch für den langfristigen Erfolg ist es unumgänglich.

Wird es einen Hundepark geben?

Daran wird gearbeitet und man ist auf der Suche nach einem geeigneten Grundstück, das am Strom- und Wassernetz angebunden ist, sonst kommt es zu teuer. Man möchte einen Park realisieren, der alle Aspekte der Hundehaltung berücksichtigt. Dieser soll auch eine Tierpension beinhalten, sodass die Besitzer ihre Tiere im Urlaub gut unterbringen können.

Projekte & Investitionen Maspalomas

Viele (Tourismus)Projekte sind in Arbeit wie z. B. die Schaffung eines Verkehrsnetzes für Radfahrer, die Verkehrsberuhigung, die Schaffung von Fußgängerzonen so wie jüngst in der c/Gáldar in San Fernando etc. Der Rahmen für die Maßnahmen ist der sogenannte PMM „Plan de mejora y modernización“, der Anfang diesen Jahres im Boletín veröffentlicht wurde. Die Umsetzung erfolgt allerdings unter Berücksichtigung von wesentlichen Aspekten wie Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Die Natur darf nicht beeinträchtigt werden. In Anbetracht der schwierigen wirtschaftlichen Situation des Landes ist wenig Spielraum für kostenintensive Investitionen durch die Gemeinde vorhanden und so agiert man mit besten Wissen und Gewissen im Rahmen der vorhandenen Möglichkeiten.

„Maspalomas ist jedoch nach wie vor   für ausländische Investoren interessant“ erläutert Marco Aurelio Pérez.  Der  Bürgermeister umreißt ein neues geplantes 800 Millionen Euro Projekt, das sich gerade auf seinem Tisch befindet (Anm.: Wir geben keine Details). Wenn die Dinge gut durchdacht sind, Sinn machen und professionell ausgearbeitet sind, dann hat im Prinzip jedes Projekt die Chance auf Realisierung. Schließlich lag einst auch die „Maspalomas Gay Pride“ vor zwölf Jahren auf seinem Tisch und ist heute ein fester Bestandteil der Großevents auf Gran Canaria.

Bessere Vermarktung

Es gibt so viele Bereiche, die noch zu wenig bekannt sind, wie z. B. im Agrarbereich. Während Marco Aurelio einige Produkte daraus auflistet, gerät er geradezu ins Schwärmen. Wir freuen uns über seine zugesagte Unterstützung, den einen oder anderen Betrieb besuchen zu dürfen, um für Sie wieder über „Geheimtipps“ berichten zu können - sei es über die besten Käseproduzenten, Bodegas mit sehr guten Weinen, Olivenbauern oder Aprikosen-Fincas. 

Leider ist die Zeit viel zu schnell vergangen und unsere Liste an interessanten Fragen konnten wir gar nicht durcharbeiten. Wir hoffen, dass uns der unkomplizierte Bürgermeister Marco Aurelio Peréz vielleicht dann und wann wieder ein wenig seiner Zeit schenken kann, um für Sie noch mehr zu berichten.