Ausgabe Nr.
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J M upload 02.09.2022, Viva Edition 191 | Print article

Cambulloneros, die einstigen Hafen-Händler von Las Palmas de Gran Canaria

Unzertrennlich mit der Geschichte der Stadt Las Palmas de Gran Canaria und ein kulturelles Erbe stellen die sogenannten „Cambulloneros“ dar. Das waren einfache Menschen, die den Mangel an intellektueller Bildung mit Bauernschläue und Geschäftssinn wettmachten. Mitte des 19. Jhdt. nahm die Schifffahrt enorm zu, da neben dem klassischen Warenverkehr nun auch immer mehr Passagierschiffe in See stachen. Auch die Zahl der zu dieser Zeit technologisch neuartigen Dampfschiffe gewann an Bedeutung. Nachdem Las Palmas de Gran Canaria im Schnittpunkt dreier Kontinente optimal lag, wurde die Stadt häufig angesteuert, um auf Zubringerboote zu warten, Passagiere aufzunehmen oder Proviant aufzufüllen. Das von der Miller-Gruppe im Jahr 1854 errichtete Kohlelager war ein lukrativer Clou ... abgesehen vom Status als „Free Port“.

Also tummelten sich bald im Puerto de la Luz viele Schiffe aus aller Herren Länder, sei es aus Großbritannien, Deutschland, Dänemark, Holland, Italien, Russland, Argentinien oder Portugal.

Die Insulaner witterten Geschäft und ließen sich diese Gelegenheit nicht entgehen und so begannen sie mit dem Tauschhandel. Sie wurden „cambullón“ bezeichnet. Die meisten stammten aus den hafennahen Vierteln La Isleta und El Refugio und arbeiteten zusammen mit Fischern aus den traditionellen Vierteln von La Isleta, San Cristóbal und Lola de La Plata.

Komm an Bord

Es gibt zwei Theorien über den möglichen Ursprung des Wortes. Es könnte vom  portugiesischen Wort „cambalache“ abgeleitet worden sein, was so viel wie „vereinbarter Tauschhandel“ bedeutet.

Eine andere These sieht einen Bezug zur englischen Sprache.  „Can I Buy on?“ (Kann ich oben kaufen?) oder „Come buy on“ (Komm an Bord bzw. nach oben, um zu kaufen) schrieben viele dieser „cambulloneros“ auf ihre Schilder, damit diese von den ausländischen Besatzungsmitgliedern gelesen werden konnten. Daher tauchen in mehreren Texten auch die Begriffe „cambuyón“ und „cambuyonero“ auf, als landläufige Überlieferung durch ein weniger gut ausgeprägtes Sprachverständnis.

Bauernschlau

Der Handel der „cambulloneros“ nahm schnell Fahrt auf und zwar mit Waren aller Art, im wahrsten Sinn des Wortes. Sie ruderten in kleinen Fischerbooten oder segelten mit den kleinen Booten Vela Latina Canaria zu den großen Schiffen am Hafen und baten an Bord gehen zu dürfen, um zu handeln. Später weitete sich der Handel auch auf den Kai aus.

Die Kanarier (fast ausschließlich Männer) boten hauptsächlich landestypisches Kunsthandwerk und landwirtschaftliche Produkte, wie z. B. Halsketten, Körbe, Stickereien, Rum, Zigarren, Bananen, Kanarienvögel, Trommeln etc.

Im Austausch brachte die Besatzung der Schiffe oder auch die Passagiere Waren, die auf den Inseln schwer zu bekommen oder zu teuer waren, wie z. B. Seifen, Getränke, Radios, Fotoapparate, Seifen, Uhren und nicht zuletzt Medikamente. In der Zeit nach dem Bürgerkrieg (ab 1939) war der Beitrag zur Beschaffung von Penicillin durch die kanarischen Händler, in Anbetracht der politischen und wirtschaftlichen Isolation, essenziell für die medizinische Versorgung der Insulaner. Die Hafenarbeiter erhielten für den Handel mit der Kohle die „Carta negra“ und der Warenhandel wurde mit der „Carta blanca“ sichergestellt.

Irgendwann nahm der Handel ein Ausmaß an, dass die Behörden darüber nachdachten, diesen zu reglementieren und zwar mittels einer Lizenz „Carnet negro“.

Die bauernschlauen und geschäftstüchtigen kanarischen Händler machten ordentlich Profit, was ihnen das System Franco ermöglichte. So mancher „cambuyón“ schwamm förmlich im Geld und so mancher verprasste es in Kneipen oder in Vergnügungslokalen rund um den Hafen. Andere wirtschafteten cleverer und legten den Grundstein für ihren Wohlstand.

Jedenfalls legte diese unkonventionelle Zunft höchsten Wert auf schöne Kleidung, vielleicht auch inspiriert von den oftmals betuchten AusländerInnen an Bord. Gekleidet in feine Anzüge samt Krawatte oder an heißen Tagen mit edlen Hemden vervollständigte noch ein Hut oder eine Kappe das Bild einer mondänen Erscheinung.

Doch mit Ende der Franco-Diktatur im Jahr 1976 und dem Ende des Freihandelshafen (Free Port) verschwanden die Händler vergleichsweise rasch.

Hierarchie im Chaos

Unter den Cambulloneros gab es Ränge entsprechend ihrem Dienstalter. Ganz unten auf der ‚Karriereleiter‘ standen die „chicobot“, junge kräftige Männer, die fähig waren die Boote geschickt zu manövrieren oder die Lasten zu tragen bzw. zu rudern.

Die obersten in der Hierarchie, die „bombistas“, waren befugt mit dem Kapitän zu verhandeln, damit die „cambullaneros“ an Bord durften.

Spaß muss sein

Es gibt unzählige Überlieferungen über teils freche Aktionen aus Jux und Tollerei heraus. Einigen wagten es den Hafenlotsen abzulenken, wenn der Kapitän nicht zugegen war, und leiteten Manöver, während ihre Kollegen rege Handel betrieben. Natürlich flüchteten sie sofort, sobald sie aufgeflogen sind.

jm

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Verweise

1)Viva Canarias Nr. 173 vom 27.2.2021 - 500 Jahre Briten und Kanaren - der Einfluss der Briten auf die Kanaren