Ausgabe Nr.
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J M upload 28.06.2019, Viva Edition 153 | Print article

Im Wandel der Zeit ... kanarische Trachten

Der Sommer gehört den Fiestas, die nun in vielen Dörfern zelebriert werden und eine kanarische Tracht gehört zum echten „Romero“ oder „Romera“ genauso fest dazu, wie das Dirndl oder die Lederhosn’ zum Oktoberfest. Doch wie sieht so eine typische kanarische Trachtenkleidung aus? Nun, es gibt heute viele Facetten, denn jede Region auf jeder Insel hat so seine eigenen Ausprägungen entwickelt. Einflüsse der Portugiesen sind jedenfalls, wie in der Musik, von nicht von der Hand zu weisen.

Am ursprünglichsten sind die typischen kanarischen Trachten noch auf den Inseln La Palma und El Hierro aufzufinden. Bei den anderen Inseln gab es naturgemäß im Laufe der Zeit Evolutionen und damit verbunden gibt es heute verschiedene regional abgegrenzte Ausprägungen oder jene, die sich durch die Tätigkeit (wie z. B. bei den Tomatenbauern) herausgebildet haben. Das traditionelle Material war Leinen, Flachs und Seide und später, mit dem Import aus fernen Ländern, auch Baumwolle.

Es gibt welche, die typischerweise von der arbeitenden Landbevölkerung getragen wurden und die feinere Variante der höher bzw. monetär besser gestellten Gesellschaftsschicht. Letztere trugen edlere Materialien mit zumeist einfarbigen Stoffen und sind aufwändiger verarbeitet. Diese erleben in den letzten Jahren ein wahres Revival. Dafür muss man allerdings tiefer in die Tasche greifen, da sie einzeln von Hand angefertigt werden. Etwa tausend Euro kostet ein komplettes Outfit. Für die gängigen populären Varianten müssen sie etwa hundert Euro veranschlagen.

Mitte des 20. Jhdts. hat zudem der kanarische Cosmopolit Néstor Martín Fernández de la Torre seine Variante der kanarischen Fokloretracht kreiert (Foto 01) und diese hat sich besonders in der Hauptstadt Las Palmas de Gran Canaria bei Volksfesten durchgesetzt. Gewebte lange Röcke in allen Farben, schneeweiße Blusen mit Puffärmel und aufwändigen Hohlsaumstickereien. Diese können sie auf den wöchentlichen Folkloredarbietungen der Stadtvermarktung im Parque Santa Catalina bewundern. Martín hat auch jene Trachten entworfen bzw. in ihrer Zusammenstellung festgelegt, die offiziell die Inseln Gran Canaria und Fuerteventura repräsentieren. Auf Teneriffa hat sich durch den britischen Einfluss ein langer Umhang etabliert, vornehmlich bei den Männern, (Manta esperancera).

(Die Skizzen stammen vom Bildungsministerium Gobierno de Canarias)

Gut behütet

Man trug Hut, immer, Männer wie Frauen. Es war der allgemeine Zeitgeist und ein Versuch sich vor der gleissenden Sonne zu schützen, was sich jedenfalls in der Kleidung wiederspiegelt. Unter der Kopfbedeckung tragen die meisten Damen noch  ein Kopftuch. Entweder fließen diese frei an den Schultern herab oder man verknotet das Tuch kunstvoll zu einer Rose an der Seite. Darüber kommt dann ein Hut (schwarzer Filz oder ein Strohhut). 

Auf La Palma umschmeichelte das Gesicht der Damen ein Schleier, ähnlich jenen aus dem Mittelalter in Europa, und darüber ein hoher Hut oder einer mit breiter Krempe. Ähnliche Kopfbedeckungen waren auch auf Fuerteventura bis Ende des 19. Jhdts. üblich und danach kamen immer mehr die Filzhüte zum Einsatz. In den 1930-ern gab es marokkanische Einflüsse, die zu grotesken Ausprägungen führten. 

Auf Fuerteventura dominiert die Kombination schwarz-weiß, wobei Rock, Schürze und Tücher weiß sind und darüber ein geschnürtes schwarzes Gilet getragen wird. Die Kopftücher reichen über die Schultern und werden unter dem Gesicht zusammengebunden. Darüber kommt ein weiterer Umhang und zuletzt ein Hut mit breiter Krempe aus Palmwedel. Schwarze Stifletten mit kleinem Stöckel ergänzen die typischste kanarische Tracht.

Sehr markant ist die Hutbekleidung der Männer aus Lanzarote, denn diese waren hoch und kegelförmig und rot unterfüttert. Sie hatten vorne eine breite hochgezogene Krempe und einen Nackenschutz. 

Auf Gran Canaria trugen die Damen entweder Strohhüte oder schwarze Filzhüte, wie die Männer, jedoch in kleinerer Größe als eine Art ‚Lady Edition‘. Allerdings sah man später bei festlichen Anlässen von feinen Gesellschaft durchaus auch hohe schwarze Filzhüte und manchmal mit einer auffälligen Schnalle (gesehen in Arucas). 

Schicht um Schicht ...

Damen tragen lange Röcke, zumeist mit einer Lage spitzenbesetztem weißen Unterrock, der einige Zentimeter vom Saum hervor blitzt. Manche Damen raffen den Überrock an einer Seite etwa einen Fuß breit hoch, so dass mehr vom verführerischen Unterrock zu sehen ist. Nachdem keine Knöpfe und schon gar keine Reißverschlüsse vorhanden waren, werden die bodenlangen Röcke mit Bändern um die Taille geschnürt, zuerst von hinten nach vorne und danach der vordere Teil nach hinten.

Streifen sind bei kanarischen Trachten weit verbreitet, wenngleich es auch da hinsichtlich der Breite und Ausführungen Unterschiede auf den einzelnen Inseln gibt. In Teneriffa sind sie dünner, während auf Gran Canaria breitere in leuchtenden Farben dominieren, wie z. B. in rot-gelb-schwarz. Bäuerinnen oder Arbeiterinnen trugen häufig Baumwollstoffe mit Karomuster, die nicht so warm sind wie die gewebten und somit auf dem Feld bei weitem praktischer. 

Die Oberbekleidung besteht aus zumeist weißen oder naturfarbenen Blusen (Baumwolle oder Leinen). In Las Palmas sind diese beispielsweise noch kunstvoll bestickt. Typisch sind die gerafften Schulterpartien an den Ärmeln. Häufig sieht man auch Gilets, die über der Bluse getragen werden, manchmal bestickt, doch alle geschnürt. Schürzen sind Im 19. Jhdt. ‚eingewandert‘ und sehr vertreten. Darüber kommt noch eine geschnürte Schärpe, denn Reissverschlüsse waren nicht üblich, oder ein Gilet (Weste ohne Ärmel)

'Dreckstauglich‘

Die Schuhe sind nicht elegant, sondern flach und robust. Die Kanarier nennen sie „Pisa Mierda“ (damit ist gemeint, dass die Schuhe ‚Drecktauglich‘ sind (siehe Foto 05). Wenn die Damen die elegantere Form der Trachten wählt (zumeist einfarbige lange Röcke mit nobleren Materialien), dann zieht man Schuhe mit einem niedrigen Stöckel an.

Mit den ‚Rückkehrern‘ der einstigen Emigranten gegen Ende des 19. Jhdts. begannen sich auch beigefarbene Leinenanzüge zu etablieren, die zwar formal nicht als „Traje tipico“ der Kanaren betrachtet werden, aber überall weit verbreitet sind. Ein schönes Leinenhemd, ein Gilet und dann noch eine Scherpe vervollständigen diesen ‚feiner Mann Lock‘.

Wöchentliche Folklore

Sonntags, 11.30 bis 13.00 Uhr
Folkloredarbietung im Parque Doramas (neuerdings oberhalb des Pueblo Canario aufgrund derzeitigen Umbauarbeiten im Pueblo Canario des Museo Néstor).

Samstags, 11.00 bis 13.00 Uhr
Folklore im Parque Santa Catalina (Platz hinter dem Museo Elder, Parkmöglichkeit im C. C. El Muelle), Las Palmas de Gran Canaria

Sonntags, 9.00 bis 16.00 Uhr
Bauern- und Kunsthandwerksmesse am Plaza del Mercado (Platz vor dem Marktgelände) in Vega de San Mateo, Live-Musik und Folkloretanz ab 11.00 Uhr