Ausgabe Nr.
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J M upload 01.10.2022, Viva Edition 192 | Print article

Land in Sicht: Tag der Hispanität, zwei Seiten einer Medaille dieses Nationalfeiertags am 12. Oktober

„Land in Sicht“, dieser, nach einer zermürbenden, zweimonatigen Schiffsreise befreiende Ausruf durchbrach am 12. Oktober 1492 die Stille des frühen Morgens und bewahrte den Seefahrer Christoph Kolumbus womöglich vor einer Meuterei. Sein Ansinnen, eine neue, kürzere Route nach Indien zu finden wurde vom spanischen Königshaus finanziert, doch auf dieser seiner ersten Entdeckungsfahrt mussten einige unvorhergesehene Ereignisse gemeistert werden. Und hier schlagen wir gedanklich die Brücke zu den Kanarischen Inseln.

Cristóbal Colón, wie der Italiener in Spanien bezeichnet wird, machte bei drei seiner vier Erkundungsfahrten Halt auf Gran Canaria. Die genauen Routen sind im Kolumbushaus zu sehen.

Bei seiner ersten Reise umfasste seine Flotte drei Schiffe mit neunzig Mann Besatzung (Santa María, La Pinta und La Niña). Um Wasser und Proviant aufzunehmen machte er am 2. August 1492 Halt in Las Palmas de Gran Canaria und soll in der Kapelle Ermita San Antonio Abad, die sich hinter dem Kolumbushaus befindet, gebetet haben. Eine Gedenktafel erinnert daran. Darüber hinaus musste das Ruder bei La Pinta repariert werden und die Takelage bei La Niña. Gut einen Monat später brach er zur großen Überseglung auf, wo er, wie eingangs erwähnt, am 12. Oktober ankam.

Kolumbushaus, das meistbesuchte Museum auf den Kanaren

Gran Canaria hat Ende der 1950-er Jahre in der Altstadt Vegueta aufgrund dieser Verflechtung mit den Entdeckungsfahrten ein eigenes Museum eingerichtet. Die Casa de Colón befindet sich in der Altstadt Vegueta an der Rückseite der Kathedrale Santa Ana. Dafür wurden drei historische Gebäude zusammengelegt, u. a. der einstige Gouverneurssitz, in dem sein Sohn, der legendäre Tenor Alfredo Kraus, geboren wurde. Im Jahr 2013 besuchten wir es und durften gemeinsam mit Jennifer Godoy hinter die Kulissen blicken, um Ihnen einen umfassenden Bericht samt Hintergrundinformationen präsentieren zu können.

Einige Highlights in Zusammenhang mit dem Kolumbushaus würden wir gerne in Erinnerung rufen:

• Als detailgetreue, wunderbare Modelle sind alle drei Schiffe der ersten Erkundungsfahrt ausgestellt (siehe Foto links - Modell Santa María);

• Auf Seekarten sind alle Routen und Stationen seiner vier Erkundungsfahrten, im zeitlichen Kontext zueinander gestellt, zu sehen. See- und Landkarten waren ein begehrtes Gut, auf welches die Königshäuser gar ihre besten Spione ansetzten, denn das Rennen um neue Märkte der Portugiesen, Spanier, Katalanen, Mallorquiner, Genuesen hatte eingesetzt.

• Ein originalgetreuer Nachbau der Kapitänskajüte von La Niña veranschaulicht das Leben anno dazumals und die ‚Körpergröße‘ der Menschen. (sihe Foto).

• Wie die Hauptstadt Las Palmas de Gran Canaria zur Zeit von Kolumbus’ Ankunft aussah, ist in einem 2-m großen Modell ebenso zu sehen.

... und die Kehrseite der ‚Medaille‘

Wenngleich wir heute wissen, dass Wikinger bereits um 1000 nach Amerika gelangten, markiert die erste Ankunft von Cristóbal Colón einen Meilenstein in der Geschichte. Dieser Tag markierte den Übergang des Mittelalters in die Neuzeit, in der europäische Länder die Erkundung und Kolonialisierung neuer Territorien vorantrieben. Spanien profitierte besonders in der Anfangsphase und baute sich eine Vormachtstellung aus, denn es wurden weitere Reisen in die Neue Welt finanziert, die das Goldene Zeitalter (ciclo de oro) einläuteten. In Memoriam an dieses geschichtsträchtige Ereignis wurde der 12. Oktober als Tag der Hispanität (Día de la Hispanidad) in Spanien erstmals 1935 zelebriert und erhielt während der Franko Diktatur im Jahr 1958 die formale Deklaration zum Nationalfeiertag.

Wehrmutstropfen: Die mit den Eroberungsfahrten verbundenen, dramatischen Ereignisse auf der anderen Seite des Atlantiks, wie z. B. Unterdrückung, Unterwerfung, Ausbeutung, Zwangs-Christianisierung, Sklaverei bis hin zur Ausrottung ganzer Kulturen, gerieten lange Zeit in Vergessenheit.

Und doch wurde dieser Tag auch in vielen lateinamerikanischen Ländern als ein Feiertag zelebriert, wie z. B. Argentinien, Bolivien, Kuba, Costa Rica, Dominikanische Republik, Chile, Kolumbien etc. Allerdings zeigt sich in vielen Ländern während der letzten Dekade eine gewisse Sensibilisierung zu diesem Tag und dieser wurde beispielsweise in Argentinien als „Tag der kulturellen Vielfalt“ begangen, in Chile als „Tag der Entdeckung zweiter Welten“, in Venezuela „Tag des indigenen Widerstands“ und in Bolivien „Tag der Entkolonialisierung“.