Ausgabe Nr.
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J M upload 04.08.2019, Viva Edition 154 | Print article

Risco Caído - seit 7. Juli 2019 UNESCO Weltkulturerbe

Gran Canaria hat das große Los gezogen: Risco Caído ist UNESCO Weltkulturerbe! Risco Caído ist eine der wichtigsten Kultstätten der Altkanarer und diese Entscheidung sei laut Archäologe Cuenca fundamental, um die verloren gegangene Kultur der Urbevölkerung international aufzuwerten. Immerhin gibt es auf keiner anderen Insel des Archipels derart viele archäologische Fundstellen wie auf Gran Canaria, was dem Umstand geschuldet ist, dass sie einst die bevölkerungsreichste aller Kanarischen Inseln war. Gemäß offiziellem Katalog der Inselregierung zählte man 1.053 Fundstellen (Stand 2018).1)

Was ist das Besondere an diesen Höhlen von Risco Caído?

An diesem sogenannten „almogarén” (dt. Tempel) ging die Urbevölkerung ihren Ritualen im Zusammenhang mit den astronomischen Zyklen und religiöser Symbolik, nach. Das Risco Caído Projekt vereint die Gesamtheit aller Kultstätten inmitten des gewaltigen Vulkankessels von Tejeda miteinander und wurde am 7. Juli 2019 in Baku (Aserbaidschan) von der UNESCO als erste archäologische Fundstelle auf Gran Canaria zum Weltkulturerbe erklärt. In der Nähe befinden sich weitere Kultstätten, wie beispielsweise der Roque Bentayga2) oder Mesa de Acusa.

Das komplette Höhlendorf Risco Caído besteht aus einundzwanzig Höhlen, linkerhand des Barranco Hondo, der Grenze der Gemeinden Artenara und Gáldar. Die archäologische Bedeutung blieb lange verborgen, denn einige Höhlen wurden von den Landwirten als Lagerräume oder Stallungen verwendet. Dem ehemaligen Besitzer war weder die merkwürdige Kuppel, noch die Gravuren oder das Lichtphänomen aufgefallen, bis ihn der kanarische Archäologe Julio Cuenca darauf aufmerksam gemacht hat. Schließlich hat der Eigentümer diese Cuevas an die Inselregierung von Gran Canaria verkauft. Es soll allerdings einen notariellen Bericht aus dem 17. Jahrhundert geben, der die Höhle bereits als „almogarén“ der Urbevölkerung beschreibt.

Weltkulturerbe kann eine Stätte nur dann sein, wenn sie einzigartig ist, was hier der Fall ist. Die UNESCO denkt daran, hier eine kulturelle Landschaft mit „4-Stern-Fundstätten“ (yacimientos estrellas) zu kreieren, von denen eine Risco Caído wäre. Die anderen drei würden Sierra Bentayga, Acusa Seca und Risco Chapín.

Die zwei wichtigsten Höhlen, die Nummer sechs und sieben, sind noch intakt. Erstere gilt aufgrund ihrer Typologie als „único en el mundo“ laut dem Archäologen Julio Cuenca Sanabrio (siehe Foto li.) und war entweder ein almogarén oder ein Versammlungsort der damaligen Führer (sog. Faycanes).

Sie ist kreisförmig ausgegraben worden und verfügt über gebogene Wände mit einer Höhe von fünf Metern, ähnlich einer Kuppel. Sie hat zwei Eingänge, einen normalen und eine Öffnung oben (siehe Foto oben). Dadurch entsteht im Inneren zwischen dem 21. März und dem 21. September ein interessantes Phänomen, denn die eintretenden Sonnenstrahlen projizieren eine Figur auf die Wand, die einen Samen darstellt. Das Licht steht für die Fruchtbarkeit. Mit jedem Tag wächst die Projektion der Figur an der Wand und stellt am Ende eine schwangere Frau dar. Im Oktober übernimmt der Mond dieses Lichtspiel.

Zudem befinden sich dreißig dreieckige Felsgravuren an derselben Wand, die den weiblichen Schambereich darstellen sollen und wahrscheinlich den  dort zelebrierten Fruchtbarkeitsritualen gedient haben. Auf Gran Canaria existiert vermutlich eine der weltweit höchsten Konzentrationen an femininen  Figurationen! Die Höhle Nummer sieben hat sogar siebzig davon. Mit dem Herbst beginnt eine ganz andere Magie, nämlich die des Mondes, der die gleiche Rolle wie zuvor die Sonne von Herbst bis Frühling übernimmt. Um solche Höhlen anzulegen, benötigten die Altkanarier Kenntnisse in Astronomie, Geometrie und Architektur.

Risco Caído heißt übersetzt „gefallener Felsen”. Um eine Höhle auszugraben gibt es ein paar Voraussetzungen: Das Gestein sollte einfach zu verarbeiten sowie wasserfest und stabil sein. Dies ist bei Risco Caído nicht der Fall, denn die unterste Gesteinsschicht besteht aus sehr hartem Basalt. Darüber liegen, aufgrund der einstigen Lagune, Alluvialböden, doch bei diesen gibt es häufig Steinrutsche. Zudem besteht Risco Caído noch aus einer Schicht Tuffstein, die ebenfalls nicht wasserfest ist. Diese Zusammenstellung kann verheerend sein, denn die Höhle ist bereits drei Mal eingestürzt! In den 1973-er Jahren ist dort eine Familie verschüttet worden und man hat die Leichen nie herausholen können. Die abgesprengten Felsblöcke dort wirken als stille Zeugen! In Gedenken an die Verstorbenen haben die Einheimischen Kreuze in den Felsen geritzt und nennen sie auch noch „Risco Maldito” (dt. verfluchter böser Felsen).

‚Big Business‘ Risco Caído?

Die Nachricht über die Ernennung zum UNESCO Weltkulturerbe im Juli 2019 hat sich noch am gleichen Tag viral verbreitet. Viele Einwohner von Artenara und Tejeda sind vor Freude an die Decke gesprungen, denn sie erhoffen sich das ‚big business‘. Manche Dörfer im Hinterland, wie   z. B. Barranco Hondo und Lugarejos, litten die letzten Jahr(zehnt)e unter massiver Abwanderung und waren vom Aussterben bedroht. Aber jetzt dreht der Wind! Obwohl man eine komplette touristische Erschließung plant, denn die Haupthöhlen sind derzeit für die Öffentlichkeit noch nicht zugänglich, wird nachhaltiger Tourismus angepeilt. Dieser soll die lokale Wirtschaft unterstützten ohne die Ressourcen zu schädigen. Geplant ist die Errichtung eines Besucherzentrums mit einer Fläche von 8.000 qm mit Busbahnhof, Museum, Imbissstube und einem maßstabsgetreuen Replik der Almogarén.

Die Inselregierung von Gran Canaria hat eine Liste mit dafür geeigneten Orten zusammengestellt. Natürlich möchten die beiden Gemeinden Artenara und Tejeda diese goldene Gans haben. Artenara hat zum Teil schon ihre Hausaufgaben gemacht. Letztes Jahr wurde im alten Viertel ein Interpretationszentrum gebaut, das im Juli bereits eröffnet wurde.

Wanderung zum ‚heiligen Tempel‘

Neben der Bedeutung als archäologische Fundstelle dieser einstigen Kultstätte ist auch die Landschaft von La Caldera de Tejeda bemerkenswert. Dieser große Einsturzkrater befindet sich im Zentrum der Insel und für die Urbevölkerung war es ein heiliges Gebiet. Daher gibt es auch die „caminos sagrados“ (heilige Wanderwege).

Risco Caído ist nur zu Fuß erreichbar und Mogán Verde führte vor einem Jahr eine Sonderwanderung1) dorthin, an der auch einige Viva Leser teilnahmen (siehe Foto).

Drei uralten Wanderwege schlängeln sich beharrlich hoch zum Höhlendorf. Wenn Sie Risco Caído noch in dem Urzustand besuchen möchten, ist es jetzt Zeit dafür. Aus gegebenem Anlass wiederholt Wanderprofi Sofie Hendrikx von Mogán Verde am 14. August die Tour in dieses prähispanische Kulturgut.

Sofie Hendrikx/Julija Major

1)Viva Canarias Nr. 131 vom 12.1.2018 „Risco Caido – entdeckte Tempel“

2)Viva Canarias Nr. 80 vom 3. Juli 2015 „Roque de Bentayga, das ‚Machu Picchu‘ auf Gran Canaria“

TERMIN WANDERUNG RISCO CAIDO

Mi., 14. August 2019

Rundtour: 3,5 km
Steigung/Gefälle: +120 m/-120 m
Preis: 18 Euro pro Person (im Preis einbegriffen: staatlich geprüfte Reiseleiterin, Wasser und Versicherungen), mindestens 10, maximal 20 Personen; Anm.: Transport im Süden von Gran Canaria kann organisiert werden.

Sofie Hendrikx: staatlich zugelassene Reiseführerin (Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch), auch individuelle Touren.
Tel.: (+34) 653 737 773
sofiehendrikx@hotmail.com
www.moganverde.es