Ausgabe Nr.
Ausgabe Nr.
J M upload 01.05.2023, Viva Edition 199 | Print article

Steinzeit: Auf den Spuren der Altkanarier

Was u. a. den Menschen von den Tieren unterscheidet ist die Verwendung bzw. der Einsatz von technischen Hilfsmitteln. Nachdem die Altkanarier kein Metall kannten, dienten ihnen vornehmlich Steine und Steinsplitter als Basiswerkzeuge und die wiederum zur Bearbeitung von anderen Rohstoffen, wie z. B. Knochen, Häuten, Holz, aber auch anderes Gestein.

So wie die vielfältigen Einsatzgebiete waren auch die Steine sehr unterschiedlich ‚zurechtgeschnitten‘. Dafür musste einer härter und stärker sein als der andere. Am häufigsten verwendeten sie dafür Phonolithe, Basalt und vulkanisches Gestein. Besonders begehrt war das harte, glänzend schwarze und fast wie Metall anmutende Obsidian (Obsidiano). Dieses natürliche Glas hatte ähnliche Eigenschaften und eignete sich mit seinen sehr scharfen Bruchkanten besonders als Klinge. Steine verwendete die indigene Bevölkerung als Messer. Sie schnitten Fleisch oder Haare damit. Auf La Gomera und El Hierro wurden große Prisma förmige Messer gefunden. Manche waren extrem scharf und wurden vermutlich zum Schlachten verwendet oder dienten als Waffe.

Je nach Einsatzgebiet gab es typische Basiswerkzeuge zum Einschlagen, Aus- oder Abschaben, Schneiden, Glätten, Polieren etc. (siehe Skizzen). Spezielle Formen dienten also den unterschiedlichen Einsatzgebieten, was wir in den Fotos und Skizzen hier veranschaulichen.

Die Altkanarier benutzten darüber hinaus Tuffe, um runde Drehmühlen oder Mörser herzustellen. Diese benötigten sie, um das Getreide zu mahlen oder den Farbstoff Rötel herzustellen, mit dem sie ihre Behausungen oder Keramiken verzierten.

Mit den Schlagwerkzeugen wurden die Steine zurechtgeschnitten und anschließend poliert, falls die Oberflächen sehr porös waren, wie es im Fall von Basalt und Lava der Fall ist.

Es gab auch Kombinationen von Steinen mit anderen Materialien, wie z. B. die Geräte für die Bearbeitung der Äcker, bei denen Ziegenhörner zum Einsatz kamen.

OBSIDIAN - DIE WUNDERWAFFE?

Auf keiner anderen Insel ist die Anzahl an archäologischen Fundstellen höher als auf Gran Canaria.2) Konkret sind es 1.053 gemäß Stand vom Januar 2018 des Kulturministeriums. Gran Canaria war zudem, die durch die indigene Bevölkerung am meisten besiedelte Insel des Archipels. Forscher schätzen, dass die Bevölkerung in mehreren Strömen aus dem Norden des benachbarten afrikanischen Kontinents kamen. Die größte Expansion erreichte sie schließlich zwischen dem 12. und 14. Jhdt. mit bis zu 70.000 Einwohnern, wobei die Direktorin ergänzt, dass aus den jüngsten komplexen Berechnungen man heute eher von 30.000 ausgeht.3)

Der Name des mittelharten scharfkantigen vulkanischen schwarzen ‚Vulkanglases‘ Obsidian leitet sich vom Römer Obisius ab, der es erstmals in der Antike von Äthiopien nach Rom gebracht haben soll. Chemisch zählt es zu den Silikaten mit einem hohen Anteil von Kieselsäure von um die siebzig Prozent oder mehr. Es entsteht durch die rasche Abkühlung von Lava und hat ein chaotisches amorphes Gefüge. Auch heute wird dieses ästhetische Gestein zur Herstellung von Kunstgegenständen verwendet. Esoteriker sprechen diesem Gestein sogar eine heilende Wirkung1) zu, besonders bei Schmerzen ...

Unter den wichtigen Fundorten weltweit, wie z. B. Afrika, Vorderasien, Europa, Nordamerika und Polynesien, wurde auch welches auf den Kanarischen Inseln gefunden. Hier sind es vornehmlich die Inseln Teneriffa (Caldera Las Cañadas vor dem Pico de Teide) und Gran Canaria. Man vermutet, dass die Altkanarier mit dem begehrten Obsidian sogar Handelsaustausch betrieben. Allerdings ist dies noch nicht bewiesen, denn dazu wäre eine chemische Analyse der gefundenen Materialien erforderlich.

Größte Mine der Altkanarier

Der 1.059 Meter hohe Montaña de Hogarzales liegt im Westen von Gran Canaria im Gemeindegebiet von La Aldea de San Nicolás (siehe Foto rechts). Archäologische Funde deuten darauf hin, dass sich dort die größten Minen der Altkanarier befunden haben, die Obsididan in kontrollierter Weise abgebaut haben.4) Die meisten Funde wurden von den 43 erfassten Minen in den Nummern 2 und 38 gemacht, sowie am Eingang und am Schuttabladeplatz. Mine Nr. 23 hat sogar eine Tiefe von sechs Metern und Berechnungen zufolge sollen dort 16,8 Kubikmeter Stein abgebaut worden sein und davon machte 3,57 Prozent Obsidian aus. Die Nordseite des Berges zählt zu den ältesten Abbauzonen dieser archäologischen Fundstelle (780 bis 1010 n. Chr.). Auf die vielen Hypothesen und Ergebnisse der trocken anmutenden Studie über diese archäologische Fundstelle gehe ich hier aus Platzgründen nicht weiter ein. Auf jeden Fall ist die Gegend rund um Montaña de Hogarzales aufgrund der tiefen Schluchten, der bizarren Felsformationen und der herrlichen Weitblicke eine beliebte Route für Wanderfreunde.

_______________________________

Quellverweise:

1)www.heilsteine-ratgeber.net

2) Viva Canarias Nr. 132 vom 26.1.2018 – Goldgräberstimmung bei Archäologen, Neue Fundstellen.

3)Viva Canarias Nr. 70 vom 16. Januar 2015 - Interview mit Carmen Giorla Rodríguez Sanzana, Direktorin Cueva Pintada „Das versunkene Reich der Altkanarier“

4)Diplomarbeit 2009 der Universität Las Palmas de Gran Canaria von Ernesto martín Rodríguez, Amelia Rodríguez, Javier Velasco Vázquez, Jaume Buxeda und Vassilis Kilikoglou - „Erste geochemischen Analysen der Mine von Hogarzales“.