Ausgabe Nr.
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J M upload 01.06.2023, Viva Edition 200 | Print article

Bodegón Vandama am Monte Lentiscal, Weinanbau in Familientradition

Nach der Hispanisierung der Kanarischen Inseln im Auftrag der kastilischen Krone, die Ende des 15. Jhdts. abgeschlossen war, setzte eine drastische Veränderung der hiesigen Kultur ein. Die indigene Bevölkerung die überlebte bzw. nicht als Sklaven verkauft wurde, war mit viel Neuem konfrontiert. Zuzüge von Menschen aus der iberischen Halbinsel brachte viel Neues in jedem Aspekt des täglichen Lebens und später intensivierte sich dies, als die Kanaren zu einem fixen Anlaufpunkt vieler Handels- und Passagierschiffe wurden. Es war eine Art ´Hauptbahnhof´ für all jene aus Europa, die den Mut hatten, sich auf eine bessere Zukunft in einer unbekannten, Neuen Welt auf den Weg zu machen.

Schon kurz nach der Unterwerfung gelangten die ersten Weinreben auf die Kanarischen Inseln. Der Portugiese Fernando de Castro soll im Jahr 1497 auf Teneriffa begonnen haben, drei Dekaden später der Engländer John Hill auf El Hierro. Obwohl Fuerteventura bzw. Lanzarote bereits Jahrzehnte zuvor unterworfen wurden, boten die dortigen vegetativen und klimatischen Bedingungen lange Zeit nicht die Voraussetzungen, um an einen Weinanbau zu denken. Jedenfalls sollen die ersten Versuche auf Lanzarote französischen Ursprungs sein, wahrscheinlich wegen dem Eroberer Bethencourt (siehe Fiestas Fundacionales Las Palmas).

Im 17. Jhdt. kam die Zuckerrohrwirtschaft aufgrund der viel günstigeren Anbaumethoden in der Neuen Welt, die durch den Einsatz von Sklaven möglich war, zum Erliegen. Viele Kanarier kehrten in ihre Heimat zurück bzw. vereinnahmte dieser Gedanke ihr Denken. Auf der Suche nach Alternativen zur bisher so wichtigen Einkommensquelle des Zuckerrohranbaus bzw. der Cochenille Laus, die für den roten Farbstoff gezüchtet wurde, rückte u. a. der Wein bzw. der Weinanbau in den Fokus der hiesigen Landwirte und dank der klimatischen Bedingungen gelang es ihnen außergewöhnliche „edle Tröpfchen“ zu produzieren.

In Europa waren diese anfänglich unter dem Namen „Malnsey Canary Wine“ oder einfach „Canary“ und sogar an königlichen Höfen wurden die Weine geschätzt. Zwar ist die Orographie der Inseln für einen weitläufigen Anbau ungeeignet, doch sind unzählige Zonen entstanden, wo die Kanarier in einer Terrassenbewirtschaftung Weinreben pflanzten. Viele dieser Winzer haben lange Zeit den Wein für den Eigenbedarf gekeltert oder in kleinen Bodegas für den Verzehr angeboten. Noch heute gibt es viele Weine, die ausschließlich in Bodegas konsumiert werden können.2)

Durch die mineralstoffreichen, vulkanischen Böden, den Temperaturschwankungen sowie den unterschiedlichsten mikroklimatischen Bedingungen, entstehen mitunter außergewöhnliche Erzeugnisse, die eine eingeschworene Fangemeinde haben.

In den letzten Jahren, dank intensiver Bemühungen und Unterstützung von offizieller Seite, sowie Innovationen junger, ambitionierter Weinbauern, erfreut sich der Kanarische Wein auch internationaler Beachtung und findet sich in gut sortierten Weinläden auf der ganzen Welt. Die Erfolge werden regelmäßig bei internationalen Wettbewerben belegt, was ihnen immer mehr Anerkennung bringt, wie z. B. der Bacchus Preis in Madrid oder  der „Mondial de Vins Extrêmes 2022“. Letzterer bewertet ausschließlich ursprungsgeschützte Weine, die unter extremen Bedingungen angebaut werden. Und das ist auf den Kanarischen Inseln oftmals der Fall, wo der Anbau oft nur in kleiner Terrassenbewirtschaftung erfolgen kann oder an steilen Hängen und in Höhenlagen von bis zu 1.700 Metern.

An der Quelle

Die Kanarenregierung bzw. das Institut für ICCA (Instituto Canario de Calidad Agraria) bemüht sich in den letzten beiden Dekaden darum, das Qualitätsbewusstsein der hiesigen, oftmals einfachen Weinbauerfamilien mit diversen Initiativen zu fördern, wie z. B. mit der Einführung von Dachmarken, mit Schulungen und Workshops, mit Subventionen und Wettbewerben etc.

Auch heute finden viele, exquisite, geschmacklich außergewöhnliche Weine, die im Familienbetrieb produziert werden, ihren Weg nicht in den kommerziellen Handel. Sie entdecken sie nur per ‚Mund zu Mund‘ Propaganda oder auf Empfehlung. Spannend.

Leider ermöglicht mein Beruf es nicht, dass ich mich jeden Tag auf Entdeckungsreise begebe, im Sinne von verständlichen nüchternen Artikeln, doch finde ich glücklicherweise immer wieder Freunde und enge Bekannte, die meine Leidenschaft für Weine teilen und sich mit mir auf Erkundungstouren begeben. Eine zweite oder dritte Meinung ist für mich unbezahlbar und das Potenzial ist großartig.

Ruta del Vino von Santa Brígida

Auf Gran Canaria existieren derzeit 71 Bodegas und 54 kommerzielle Marken mit der Ursprungsbezeichnung Denominación Origen Gran Canaria. Eine davon befindet sich im Gemeindegebiet von Santa Brígida, dem ursprungsgeschützten Gebiet von Monte Lentiscal in der Umgebung des berühmten Vulkankraters von Bandama, wo die Rebsorte Listan Negro dominiert. Die Gemeinde kann auf ihre qualitativ hochwertigen Weine stolz sein und ist es auch. Schließlich haben sie vor einigen Jahren den Wert dieses ‚Naturschatzes‘ für sich entdeckt und forcieren die Vermarktung der „Ruta del Vino Santa Brígida“, die etliche Bodegas in einer Streckenlänge von etwa 16 Kilometern umfasst.

Enotourismus

Die Gemeinde adressiert den Enotourismus und bereichert die Sehenswürdigkeiten, deren Hauptattraktion die Caldera de Bandama ist, die 1987 zum Naturschutzgebiet und 1994 zum Kanarischen Naturgut1) deklariert wurde. Dort soll im 16. Jhdt. der Flame Daniel Van Damme mit der Weinproduktion begonnen haben. Landläufig nannten ihn die Insulaner Bandama, nachdem sie das V als weiches B aussprachen und so ist dieser Pionier zum Namenspatron des Vulkankraters geworden.

Aus tiefschwarzer Erde leuchten die Reben mit ihrer kräftigen grünen Farbe förmlich und zaubern eine gleichermaßen außergewöhnliche wie pittoreske Landschaft.

Mit Blick auf den Berg von Bandama leuchten die strahlend grünen Rebstöcke auf den sanften Hügeln der Umgebung und heben sich bezaubernd vom schwarzen Boden ab. Mitten durch zieht sich eine gut befahrbare Schotterstraße, die zu unserem Ziel im Weinhimmel führt. Das Restaurant Bodegón Vandama, das seinen Namen in Memoriam an den holländischen Pionier wählte, der im 16. Jhdt. mit dem Keltern von Wein in dieser Gegend begonnen hat.

An Wochenenden ist das Restaurant förmlich überlaufen und das ist schon am Parkplatz ersichtlich, wo durch die Karossen à la Porsche und Co. auf das Klientel rückgeschlossen werden kann.

Vorweg: Das Preis-Leistungsverhältnis ist genial und die Gäse wissen das zu schätzen, die aus allen Teilen der Insel kommen und auch Touristen anlocken.

  ... anno dazumals

Der Ur-Ur-Großvater der heutigen Besitzer erwarb das Grundstück im Jahr 1813 und seine Schwestern die angrenzenden Terrains Hoya Oscura. In den nächsten Jahrzehnten entstand ein Wohnhaus, Wirtschaftsgebäude, Gebäude für den Verwalter, Lager, Zisternen etc. Schließlich erbte Concepción Massieu Bethencourt und ihr Mann Don Antonio López Botas, ein renommierter Politiker dieser Zeit, die komplette Finca und verblieb in der Familie. In den 1950-ern wurden die Rebsorten Listán Negro, Lisán Blanco und Moscatel für die Weinproduktion angebaut.

Bodega mit Familientradition

Im Juli 2003 bat Diego Cambreleng seinen Sohn Álvaro, dem heutigen Geschäftsführer der Bodega Vandama, ein Grillfest für die Familie auf der Terrasse der Bandama auszurichten. Es kam so gut an, dass schon bald weitere Feste folgen sollten, wie z. B. für Familienfeiern, Hochzeiten und Geburtstagsfeste für die Freunde. Die positive Resonanz sorgte schließlich dafür, dass am 11. Dezember 2003 der Gastronomiebetrieb in dieser Bodega offiziell als Restaurante Bodegón Vandama aufgenommen wurde und seitdem eine fulminante Erfolgsgeschichte bieten kann.

Bodegón Vandama

Längst hat dieses außergewöhnliche Restaurant mit seinem charmanten und geschichtsträchtigen Ambiente sowie seiner ausgezeichneten Küche die Herzen der Insulaner und Touristen erobert. Schon die Zufahrt zur Bodega, mitten durch die Weinberge auf einer zwar nicht asphaltierten Straße, dafür gut befahrbarem Schotterweg, stimmt Besucher positiv.

Die authentische kanarische Architektur des Gebäudes, liebevoll dekoriert, versprüht einen einladenden Charakter. Das Flair dieser Bodega mitsamt der Weinfässer, -presse und Weine wirkt einladend. Durch die dezenten weißen Tischdecken und Stoffservietten wird das historische Ambiente auf höchst charmante Weise in den Fokus gestellt.

Bekannt geworden ist das Restaurant Bodegón Vandama für seine Grillspezialitäten, doch haben mich bei meinem Besuch vor Ort auch andere Köstlichkeiten überzeugt. Alleine beim Gedanken an den überbackenen Ziegenkäse mit der Sonnenblumenkruste auf einem frischen Salatbett mit delikater (Mango)Vinaigrette lässt meinen Mund wässrig werden. Die Würstel ’nach Oma Ursula’ holen heimische Gaumenfreuden nach Gran Canaria, jedoch mit raffiniert abgeschmeckten, pikanten Soßen.

Die Fleischspezialitäten, ob von den Kanaren, aus Amerika oder Angus, sind einfach herrlich auf den Punkt zubereitet und Hauptakteure des Angebots, ob Steak, Solomillo oder Hamburger. Ob hausgemachte Kroketten, Hühnchen Salat, Kanarischer Eintopf, Tartar etc., für jeden Geschmack bietet die Menükarte etwas an obwohl sie nicht überladen ist. Saisonal bedingt wird das à la Carte Angebot erweitert.

Highlight: Wein(e)

Der Wein ist natürlich ein weiteres Highlight, eine Kür und keine Pflicht. Und obwohl die Eigenmarken vorzüglich sind, ergänzt das Restaurant sein umfangreiches Weinangebot mit erlesenen kanarischen und spanischen Weinen.

Das Restaurant Bodegón Vandama ist schon aufgrund des Ambientes und der schönen Landschaft einen Besuch wert und kann ideal kombiniert werden mit einem Abstecher zur Caldera de Bandama. Der nette Chef berät seine Gäste mit Kompetenz und Ehrlichkeit und auch das Servicepersonal ist überaus freundlich und bemüht sich, jeden Wunsch der Gäste zu erfüllen.

Fazit: Die Grillgerichte und Speisen bieten eine Top Qualität mit einem überaus fairem Preis-Leistungsverhältnis und vergleichsweise große Portionen. An Wochenenden ist eine Reservierung empfehlenswert, denn dann wird das Bodegón von Insulanern aus der Hauptstadt Las Palmas de Gran Canaria geradezu überrannt. Im hinteren Teil des Gartens befindet sich ein Bereich, der ideal für geschlossene Gesellschaften ist, wie z. B. Taufen, Hochzeiten, Geburtstags-, Firmen- und Familienfeiern etc.

jm