Ausgabe Nr.
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J M upload 19.08.2018, Viva Edition 138 | Print article

Lebende Mauern - 100 Jahre "Kathedrale" in Arucas

Das Jahr 2018 hat die Europäische Union zum Jahr der Kulturgüter erklärt.1) Zufällig feiert Arucas zeitgleich das hunderteinjährige Jubiläum der wohl schönsten Kirche auf Gran Canaria und zwar der Parroquia San Juan Bautista. Diese schmucke Stadt im Norden der Insel habe ich schon in meiner ersten Ausgabe des Magazins Viva Canarias im Jahr 2012 vorgestellt.3) Seither zieht mich Arucas magisch an und dafür gibt es viele Gründe, seien es die historischen Gebäude mit den hübsch restaurierten Fassaden, die schmucken Gassen und Parks und die ausnehmend freundlichen Menschen.

Dieses Mal berichte ich nicht über die Bananenplantagen, dem Herzoginnenpark4) oder der Rumfabrik5), sondern widme diesen Bericht der Kirche. Mit ihrer eleganten Fassade aus dunkelgrauem Basalt und der imposanten Höhe von bis zu sechzig Meter drückt sie mit ihrer vollendeten Schönheit der Stadt und der Umgebung ihren Stempel auf, wenngleich dieser gotische Bau tatsächlich ‚nur‘ eine Kirche ist und nicht, wie oftmals fälschlicherweise behauptet, eine Kathedrale. 1.350 Quadratmeter nimmt die Parroquia San Juan Bautista ein. Sie ist von jeder Seite ein wahrhafter Augenschmaus und ich empfehle unbedingt einen Rundgang zu machen. 

Sakralkunst

Sie müssen allerdings auch in die Kirche hineingehen. Selbst wenn Sie nicht religiös sind, werden sie sich vor den sakralen Kunstwerken verneigen.

• Gemälde „Geburt Jesu’“ (flämische Renaissance aus dem 16. Jhdt.)

• Papst St. John (Elfenbeinskulptur eines anonymen Künstlers aus dem 18 Jhdt., Foto 03)

• Skulpturen aus Holz mit Osterthemen, wie z. B. Einzug Jesus auf einem Esel mit Palmzweig (Silvestre Bello aus dem 19. Jhdt, Foto 02)

Anm.: Diese drei wertvollen Kunstwerke sind in einer eigenen Nische hinter Gitter untergebracht und man könnte sie aus diesem Grund leicht übersehen (siehe Fotos auf der nächsten Seite).

• Der liegende Jesus (Jesús yacente, Foto 04) von Manolo Ramos befindet sich in einer Nische hinter dem Altar. Man könnte diese besondere Holzskulptur leicht übersehen, wenn man nicht auch in der Kirche einen Rundgang machen würde und so die vielen Heiligenfiguren bewundern können, wie z. B. San José, Corazón de Jesús  und die Jungfrauen del Carmen, Fatima oder Rosario. Einige davon stammen vom bekanntesten kanarischen Bildhauer der Sakralkunst, José Miguel Luján Pérez (1756 – 1815).

Die für den neogotischen Baustil so typischen langgezogenen Säulen, die an der Decke zusammenlaufen sind auch einen Blick wert, genauso wie die bunten Glasfenster mit ihren kunstvollen Motiven. Diese wurden von der renommierten Manufaktur Maison Maumejèan2) aus Paris kreiert. Wie schon erwähnt, bietet die Kirche von jeder Seite aus einen herrlichen Anblick. Die „Plaza de San Juan“ an der Nordseite wurde in seiner jetzigen Form von Rafael Henríquez Mitte des 19. Jahrhunderts geplant und erst vor zwei Jahren runderneuert.

Rückblick: Von der Kapelle zur "Kathedrale"

Dort, wo heute die imposante Kathedrale die Gegend überstrahlt stand einst eine kleine Kapelle, die im Jahr 1503 erbaut wurde und Johannes dem Täufer geweiht wurde. 1515 erhielt sie den Status einer Kirche und mit dem Aufstieg des Wohlstands und mit steigender Bevölkerungszahl wuchs auch die Bedeutung des Baus. Die Zeit hinterließ ihre Spuren und daher musste das Gebäude, um es vor dem Verfall zu retten, im 16. Jahrhundert umfassend restauriert werden. Eine wesentliche bauliche Erweiterung erfolgte schließlich im  17. Jhdt, als aus einem Schiff drei wurden. Die Nordseite wurde darüber hinaus mit einem Glockenturm erweitert und hundert Jahre danach, konkret 1846, kam die damalige hochmoderne Turmuhr im neoklassizistischen Stil dazu. 

Abriss und Neubau

Die Stadt wuchs  und auch die Bedeutung des Klerus auf die Wohlhabenden und das Streben dieses auch nach außen zu tragen, entschloss man sich Anfang des 20. Jhdts. ein noch großzügigeres Gotteshaus zu bauen. Mit dem Beginn der Abrissarbeiten am 21. Januar 1909 begann Architekt Manuel Vega parallel die neue, derzeitige Kirche zu planen. Gemeinsam mit Baumeister Sebastián Quesada Hernández legte er am 19. März 1909 den Grundstein. Die erste Messe wurde am 11. August 1911 zelebriert, wenngleich das Gebäude noch nicht gänzlich fertiggestellt war. Das erfolgte erst mit der offiziellen Schlüsselübergabe am 19. März 1917.

Bis zum endgültigen baulichen Finale vergingen siebzig Jahre. Gut Ding braucht Weile, denn nun zählt dieser prachtvolle Bau im neugotischen Stil zu den Schönsten des Archipels. Aufgrund ihrer Erscheinung nennen sie viele Einheimische Kathedrale, was formal nicht ganz korrekt ist (wie zuvor erwähnt).

Der Zahn der Zeit dreht sich unbarmherzig weiter und daher stehen ständig Wartungen und Renovierungen an. Allein in den letzten Jahren wurden 3.000 Ornamente überprüft und zehn Prozent davon erneuert oder ggfs. ersetzt. Aufgrund der Höhe und der Komplexität der Fassaden ist dies sehr aufwendig und teuer. So wie die Wiener mit ihrer großen Liebe für den ’Steffl’ (landläufiger Name für den Stephansdom) diesen vor dem Verfall gerettet haben, hat die Inselregierung von Gran Canaria seit dem Jahr 2000 insgesamt 800.000 Euro für den Erhalt dieses Kulturschatzes investiert. 

Öffnungszeiten

Iglesia San Juan Bautista - Die Kirche bildet das Herzstück der Altstadt von Arucas und kann eigentlich nicht übersehen werden. Man sieht sie von jeder Seite. Die formale Adresse lautet: c/Parroco Cardenes Nr. 2, Arucas. Öffnungszeiten: Täglich 9.30 bis 12.30 Uhr und 16.30 und 19.15 Uhr (Anmerkung: Am 1. und 3. Mittwoch des Monats ist am Vormittag geschlossen).