Ausgabe Nr.
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J M upload 01.05.2024, Viva Edition 211 | Print article

Wohnungsmarkt in der Krise. Bald Verbot von touristischen Vermietungen?

Der Traum vom Eigenheim bleibt für viele Einheimische nur ein Traum. Auf den Kanarischen Inseln herrscht extreme Wohnungsnot und besonders in den Tourismusgemeinden schlägt zusätzlich die Gentrifizierung zu, denn finanziell Potente zahlen Unsummen in den begehrten Lagen, vor allem mit Meerblick, und machen das Wohnen für Einheimische unleistbar. 

Ausgangslage

Die Einwohnerzahl auf den Kanaren ist von 1,6 Mio. im Jahr 2000 auf knapp 2,2 Mio. im Jahr 2023 gestiegen, doch nicht aufgrund des natürlichen Zuwachses der Population, sondern wegen einer überproportionalen Zuwanderung. Dieser Steigerung von 36 Prozent wurde in der Wohnraumschaffung nicht nachgekommen. 2018 beschloss die Regionalregierung zwar den Bau von 110.000 Wohnungen innerhalb der nächsten fünf Jahre, errichtet wurden allerdings nur 5.000 jährlich. Gleichzeitig ist mit den Lieferkettenproblemen, die sich während und nach der Pandemie eineingestellt haben, die Baubranche  durch die gestiegenen Rohstoffkosten in Verzug geraten und die hohe Inflation brachte sie überhaupt in arge Bedrängnis, das geplante Projekte zu den prognostizierten Kosten nicht errichtet bzw. fertiggestellt werden können.

AUF WOHNRAUMSUCHE ...

Mit einer im Jahr 2022 gestarteten Initiative „Programa de vivienda vacía de Canarias“ sagte die Regierung dem Wohnungsproblem den Kampf an, indem es Vermietern eine Mietgarantie zusicherte, um so an leerstehende Wohnungen zu gelangen (siehe unseren Bericht aus Ausgabe Nr. 188 vom 1.6.2022 „Kanarenregierung sucht dringend Wohnungen: Neues Konzept gegen die Gentrifizierung“).

Bedauerlicherweise hat sich die Situation weiter zugespitzt, da es zu einer Verschiebung der Präferenzen im Tourismus gekommen ist. Wie aus dem Dossier 2023 für die ITB Berlin ersichtlich ist, hat sich die Zahl der Privatmieten als touristische Unterkunft in nur fünf Jahren, von 2018 bis 2022, fast verdoppelt.

DIE WOHNUNGSKRISE

Status Quo: Zum Stichtag 1. April 2024 seien 54.227 Ferienhäuser registriert, was einem Anteil von 37 % des derzeitigen Unterkunftsangebots auf dem Archipel ausmacht. 

Im März 2024 berief José Ramón Barrera, der REF Beauftragte (Régimen Económico y Fiscal) einen Runden Tisch ein, um mit Fachleuten über mögliche finanzielle Anreize im Wohnsektor zu sprechen. Möglich sei die Wiedereinführung der RIC (Reserva de Inversiones de Canarias), die Unternehmern die Möglichkeit bot, bis zu 90 Prozent der Körperschaftssteuer bzw. Autónomos ihren IRPF um bis zu 80 Prozent zu reduzieren, falls in Wohnraumschaffung investiert wird. 

Neues Gesetz geplant

Nun wurde ein Gesetzesentwurf „Nachhaltiges Management der touristischen Nutzung von Wohnungen“ (Ley de Ordenación Sostenible del Uso Turístico de Viviendas) zur Begutachtung bis zum 2. Mai 2024 veröffentlicht, der allen 88 Gemeinden vorschreibt, dass diese 90 % ihres Wohnraums für Wohnzwecke nutzen müssen bzw. maximal 10 % der Unterkünfte für die touristische Nutzung zur Verfügung stehen dürfen. Für die ‚grünen Inseln‘ (La Palma, La Gomera und El Hierro) gelten die Quoten für Ferienhäuser von 20 % anstelle von 10 %. Ziel ist die Aktualisierung des Gesetzes aus dem Jahr 2015. 

Der Entwurf der geplanten neuen Verordnung ist auf dem Transparenzportal verfügbar. Geplant ist eine Inkraftsetzung des Gesetzes im vierten Quartal 2024.

Demnach wären touristische oder Ferienunterkünfte zu vermieten zukünftig nur dann vereinbar, wenn diese ausdrücklich von der Stadtplanung (diese liegt im Verantwortungsbereich der Gemeinden) zugelassen sind und einem detaillierten Bebauungs/Stadtplan (PGO) Folge leisten.

Aktuell laufen zudem Gespräche zwischen den Behörden mit Vertretern von FECAM (Vereinigung der Gemeinden), Vertretungen der Inselregierungen, Unternehmervereinigungen und Gewerkschaften etc., da es sich um ein Gesetz mit ausgeprägtem Querschnittcharakter handelt. Betroffen sind neben dem Tourismus, die Stadtplanung, Umwelt, Gebietsschutz, BürgerInnen etc. 

Nach der Analyse der eingegangenen Rückmeldungen zum Gesetzesentwurf wird das regionale Ministerium für Tourismus und Beschäftigung diesen überarbeiten und dem Regierungsrat zur Genehmigung vorgelegt, bevor er durch das Parlament verabschiedet wird.       jm

Kommentar online der Redaktion:

Uns wurde von Lesern zugetragen (Emails liegen vor), dass Anwälte absichtlich unwahre,  irreführende und sogar manipulative Informationen verbreiten und so Panik unter den Immobilienbesitzern streuen. Gleichzeitig erwecken sie den Eindruck, man müsse die Immobilien schnell verkaufen, was sie selbst rechtlich abwickeln würden, damit die Besitzer einer Enteignung entgehen können. 

Liebe Leserinnen, Liebe Leser,

Trauen Sie solchen ethisch fragwürdigen Methoden nicht! Bewahren Sie ruhe. Auf meine persönliche Anfrage beim zuständigen Gemeinderat des Rathauses von San Bartolomé de Tirajana wurden Enteignungsvorwürfe vehement abgetan. Das neue Gesetz werden nicht die privaten Immobiienbesitzer betreffen, sondern es müsse eine Lösung für die professionell geführten Betreiber gefunden werden, die Objekte im Großen erwerben und so dem Wohnungsmarkt entziehen! Also bitte nicht solchen fragwürdigen Methoden Glauben schenken.

Wir, als renommiertes Fachmagazin der Kanaren, haben seit jeher höchsten Wert auf profund recherchierte Informationen gelegt und fokussieren uns auf Fakten und Aufklärung von deutschsprachigen Residenten und das uneigennützig. WIr sind weder ein Immobilienmakler noch eine Rechtsberatung, womit sich also kein Interessenskonflikt mit diesem Thema ergibt.

Mit freundlichen Grüßen

Julija Major

PS. Wer Kontakte zu seriösen, deutschsprachigen Anwälten auf den Kanarischen Inseln benötigt, dem können wir auf Anfrage einige empfehlen. Bitte ein Email an prensa@viva-canarias.es

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Verweise/Glosser:

Ley de Ordenación Sostenible del Uso Turístico de Viviendas
ASCAV (Asociación Canaria del Alquiler de Vivienda Vacacional) Vereinigung der Ferienvermietung
FECAM (Federación Canaria de Municipios), Vereinigung der Gemeinden
ASCAV (Asociación Canaria del Alquiler de Vivienda Vacacional) 
RIC (Reserva de Inversiones de Canarias)
REF (Beauftragte "Régimen Económico y Fiscal")
PALT Plattform der Betroffenen des Tourismusgesetzes (Plataforma de Afectados por La Ley Turística) - siehe auch https://afectadosporlaleyturistica.com/es/

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Quelle: Gobierno de Canarias am 1. April 2024;