Sie haben deliziös im Restaurant diniert, aber Ihr Teller ist nicht leer gegessen. Verantwortungsvolle KonsumentInnen, die es übrigens nicht erst seit dem aktuellen Anti-Wegwerftrend gibt, baten die Servicekraft verlegen, die Reste „für den Hund“ einzupacken. Oft traf dies ja tatsächlich zu, dass der geliebte Haushund in den Genuss eines noblen Steaks kam. Manchmal ging der Schuss aber nach hinten los: dann packte die nette Küchenhilfe noch üppig Knochenreste anderer Teller dazu, weil sie es gut meinte.
Peinlich, peinlich ...
Wem die Situation zu peinlich war, bediente sich der Servietten, um unter dem Tisch die Essensreste diskret in der Handtasche verschwinden zu lassen. Heutzutage muss sich niemand mehr schämen, Essensreste mit nach Hause zu nehmen - egal, ob nun der Wuffi oder die Mieze ein Reste-Luxusmahl genießen darf oder konsumbewusste Menschen noch einen weiteren Tag von der übrigen Leckerei profitieren. Das hat nichts mit Arme-Leute-Mentalität zu tun und Scham ist hier nicht angebracht. Wer Rückgrat hatte, brachte immerhin seinen eigenen Tupper mit, damit keine Extras für Verpackungsmaterial berechnet wurden.
Gastronomie in der Pflicht
Diese Zeiten sollten jetzt endgültig der Vergangenheit angehören. Mit dem Gesetz „Ley de prevención de pérdidas y del desperdicio alimentario“ (Gesetz zur Vorbeugung von Lebensmittelverlust und -verschwendung) mit Gültigkeit seit dem 1. Januar 2023 sagt die spanische Regierung der Lebensmittelverschwendung den Kampf an und nimmt die Gastronomie in die Pflicht. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Lebensmitteln für den menschlichen Verzehr.
Doggie-Bag kostenlos. Trauen Sie sich danach zu fragen - es ist längst salonfähig!
Von nun an darf der Gast nicht von ihm verzehrte Speisen in dem sogenannten „Doggie Bag“ mit nach Hause nehmen - und das völlig kostenlos, ohne den bisher üblichen Aufpreis für Verpackungsmaterial. Es versteht sich von selbst, dass Buffets und All-You-Can-Eat-Lokale von dieser Regelung ausgeschlossen sind. Der Begriff „Doggy Bag“ ist übrigens keine neue Erfindung. Schon um 1940 kannte man diese Praxis in den USA. Grund war die Lebensmittelknappheit nach dem 2. Weltkrieg.
Vorbildliche Pionierarbeit Spaniens
Bei dieser Maßnahme leistet die spanische Regierung vorbildliche Pionierarbeit in der EU. Nur Italien und Frankreich verfügen über vergleichbare Initiativen. EU-weit ist zum Ziel gesetzt, die Lebensmittelverschwendung bis zum Jahr 2030 zu halbieren. Laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) werden jährlich rund 1,3 Milliarden Tonnen essbare Lebensmittel weggeworfen. Die Lebensmittelverschwendung bedeutet außerdem eine Ressourcenverschwendung von unglaublichem Ausmaß, denn es werden dabei wertvolle Quellen wie Wasser, Boden und Energie „verheizt“.
31 kg pro Einwohner Einsparung
In Spanien sind weitere weitreichende Verordnungen geplant, die schrittweise bis Mitte des Jahres ihre Umsetzung finden sollen, z.B. in Bezug auf die Weitergabe von Lebensmitteln an Tafeln und Hilfsorganisationen, sowie in Supermärkten Preisreduktionen beim Verkauf von Lebensmitteln, die kurz vor dem Verfallsdatum sind.
In Spanien wird durch die umfangreiche neue Verordnung eine Vermeidung von Lebensmittelabfällen von rund 31 kg pro Einwohner erwartet. Wer die Gesetzesvorlage und das ambitionierte Projekt in der Originalfassung nachlesen möchte (siehe QR-Code re.):
FAZIT
Es wäre traumhaft, wenn der kundenfreundliche und nachhaltige Gastronom diesen tollen Service von sich aus anbieten würde, sei es in Form von Aushängen oder einer spontanen Nachfrage beim Gast, wenn der Teller beim Abräumen nicht leer ist. Das wird aber noch einige Zeit dauern, bis es sich in der Praxis durchgesetzt hat. Vergessen Sie also nie: fragen Sie explizit nach einem Doggie-Bag ohne Scham, und ohne Ihren - eventuell imaginären - Hund „als Alibi vorschieben“ zu müssen.
Unser Tipp für die Praxis: Bitten Sie die Servicekraft beim Tellerabräumen einfach „para llevar“ (gesprochen: para jewar), was „zum Mitnehmen“ bedeutet. Trauen Sie sich!
Eva Dienesen
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1)Ourworldindata.org
2)Viva Canarias Nr. 159 vom 1.1.2020 „Lebensmittelverschwendung. Klimasünder? Wie Sie ihre Lebensmittel richtig lagern und Verschwendung vermeiden.“
3)United Nations Food & Agriculture Organization, Oktober 2019