Über tausend archäologische Fundstellen wurden alleine auf Gran Canaria1) entdeckt und trotzdem gibt die indigene Bevölkerung noch immer viele Rätsel auf. Wann kamen sie wirklich und woher? Kamen sie freiwillig oder wurden sie verschleppt.
DNA-Analysen sowie Ähnlichkeiten in Sprache, Keramiken und Riten weisen einen Ursprung auf den benachbarten afrikanischen Kontinent. Klar scheint jedenfalls, dass sie in mehreren Wellen die jeweiligen Inseln bevölkerten, scheinbar nicht über navigierende Fähigkeiten verfügten und sich somit auch nicht zwischen den einzelnen Eilanden vermischten, zumindest nicht bis zur Unterwerfung durch die Spanier. Demnach heißt die indigene Bevölkerung auf Teneriffa „guanches“, aber auf Fuerteventura „mahos“, auf La Gomera „gomeros“ und für die restlichen Eilande, mit Ausnahme von Gran Canaria, „bimbaches“. Demnach werden nur die Altkanarier hier korrekterweise als „Canarios“ bezeichnet.2)
Die Inselregierung von Gran Canaria gab 2001 einen Archäologieführer heraus, der umfassend die wichtigsten archäologischen Fundstellen auflistet und beschreibt. Es ist eine gute Orientierung und ein Ideengeber für so manch ungewöhnlichen Ausflug bzw. eine Entdeckungsreise in die noch immer weitreichend unbekannte Vergangenheit. Aus diesem reichen Fundus wählten wir „Die vier Pforten“ für eine kleine Entdeckungsreise …
Auf zu den vier Pforten nach Ojos de Garza
Unser Weg führt uns in nördliche Richtung, wo wir an der nächsten Ausfahrt „Ojos de Garza“ abfahren und wenige Kilometer dem Weg folgen bis ein Hinweisschild am Kreisel „Cuatro Puertas“ das restliche kurze Stück von etwa einem Kilometer anzeigt. Wir biegen bei der nächsten kleinen Ortschaft, wieder einem Hinweisschild folgend, ab und parken am Ende. Zwar würde eine Schotterstraße die etwa zweihundert Meter hoch zum Monte Bermeja führen, doch würde ich dies aufgrund der vielen tiefen Schlaglöcher selbst einem SUV nicht gerne zumuten. Der Name bedeutet „rotbraune Erde“ und bezieht sich auf das Tuffgestein.
Der Hügel zwischen Ingenio und Telde erhebt sich bis auf 319 Meter und wird landläufig auch „Montaña de las Cuatro Puertas“ genannt. Der Ausblick ist reizvoll und reicht bis zur Küste und ans Meer, wenngleich die Vegetation alles andere als üppig ist. Die morgendliche Stille wird nur vom säuseln des Windes und vom Gurren der Tauben unterbrochen - aber dazu später mehr. Ein ungewöhnlicher und von Touristen wenig entdeckter Ort mit einer besonderen Atmosphäre, scheinbar ideal, um einst den Altkanariern als Kultplatz zu dienen. Es soll die Residenz des Faycan von Telde gewesen sein (entspricht etwa der Position eines Bürgermeisters) bzw. auch von den „Harimaguadas“, Frauen, die sich dem religiösen Leben verschrieben haben. Im Laufe der Zeit wurde die Höhle vielseitig verwendet, wie z. B. als Lager oder Tierstallung.
Cuatro Puertas: Die vier Pforten
Die erste Station ist die namensgebende Höhle mit den vier nach Norden zeigende Öffnungen. Es handelt sich zwar um eine ursprünglich kleine natürliche Vulkangesteinhöhle, die jedoch von Menschenhand erweitert wurde und nunmehr 7 mal 17 Meter umfasst. Ausbuchtungen lassen den Rückschluss zu, dass der kleine Platz davor einst überdacht war. Im Jahr 1972 wurde „Cuatro Puertas“ zum archäologischen Kulturgut erklärt.
Ein Zaun weist einen Trampelweg, der östlich rund um den Hang führt, bis zu den labyrinthartigen Höhlenformationen „Cuevas de los Pilares“. Wenngleich dieser leicht zu begehen ist, erfordert er eine gewisse Trittfestigkeit und aufgrund der doch steil abfallenden Felswände wäre auch Schwindelfreiheit sehr von Vorteil.
Zuerst passieren wir jedoch die Cueva de los Papeles mit Fruchtbarkeitssymbolen in Form von dreieckigen geometrischen Formen. Dies war einst die Kulisse einer Szene des Films Tirma, einer italienisch-spanischen Produktion mit dem legendären Marcello Mastroianni in der Hauptrolle. Der Film handelte von den Abenteuern einer kanarischen Prinzessin und eines kastilischen Soldaten.
Die eingangs erwähnten Cuevas de los Pilares sind ein künstlich mit Tunnel und Steinstufen miteinander verbundener Komplex, der durch die vielen Felsöffnungen reizvolle Ausblicke auf die Landschaft freigibt und ideal für eine Picknickpause ist. Zwar würde man von hieraus noch über einen schwer zu lokalisierenden Tunnel weiter hinab zu der sogenannten „Cueva de la Audiencia“ gelangen, wovon wir aufgrund der Schwierigkeit Abstand nehmen. Ohne einen kompetenten Reiseführer ist sie im Prinzip nicht zu entdecken. Die ungewöhnliche Kulisse bietet ein herrliches Fotomotiv.
Die Gästeliste auf unserem Picknickplatz mit Blick wird von Tauben erweitert, die sich hier sichtlich wohl fühlen.
Die Lorbeertaube „wiederbelebt“
Die Paloma Rabiche (zool. Columba junoniae), zu deutsch Lorbeertaube, zählt zu den autochthonen Rassen und galt auf Gran Canaria bereits als ausgestorben. Die Taube erreicht eine stattliche Größe von bis zu 38 Zentimetern und bevölkerte ursprünglich vor allem die westlichen Eilande des Archipels (Teneriffa, La Gomera, El Hierra und Gran Canaria). Verschiedene Faktoren führten zu der massiven Reduktion des Bestandes. Jäger schätzen das schmackhafte Fleisch dieses lila gefiederten Vogels und streunende Katzen verspeisen mit Vorliebe ihre Eier, da sie normalerweise am Boden brüten.
Vor einem Jahrzehnt startete die Inselregierung des erfolgreiche Projekt „Life+Rabiche“ zur Wiedereinführung der Tauben, die in der Zuchtstation bei der Finca Osorio erfolgreich reproduziert werden konnten.
Der Rückweg führt kurz an der letzten Kurve vor dem Ausgangspunkt zu einem Hinweisschild, das den Weg zum Gipfel dieses Hügels zeigt. Dort oben befindet sich ein Kultplatz der Altkanarier. Dieser ist kreisförmig in den Stein gehauen und von einem schmalen Kanal umgeben. Hier zelebrierten die Altkanarier ihre Riten oder beteten zu ihren Göttern, brachten Opfer oder ähnliches. Ein mystischer Platz mit einem spektakulären Panoramablick. Liebe Leser, das war der Anfang unserer Expedition in die Vergangenheit, es geht noch weiter.
Abstecher
Wer sich für Archäologie interessiert, dem empfehlen wir unbedingt den Besuch des Museo Canario in der Altstadt Vegueta in Las Palmas de Gran Canaria.3) Wer seinen Kurzausflug bereichern will, kann einen Abstecher in die Altstadt von Telde machen …
Anfahrt entweder von Telde in Richtung Ingenio (etwa fünf Kilometer, gut ausgeschildert) oder die Autobahnabfahrt Ojos de Garza wählen und von dort in Richtung Berge.
Die Besichtigung ist gratis, der Zugang zur Höhle „Cuatro Puertas“ leicht.
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Verweise (siehe: www.viva-canarias.es)
1)Viva Canarias Nr. 132 vom 26.1.2018
2)Quelle: „Guía del Patrimonio Arqueológico de Gran Canaria, Seite 28.
3)Museo Canario Museo Canario - Die Geschichte des Dr. Chil in der c/Dr. Chil, Las Palmas de Gran Canaria