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J M upload 03.10.2021, Viva Edition 180 | Print article

Die längste Vulkanröhre Europas: Cueva del Viento

Aus vielerlei Gründen bieten Vulkanhöhlen und -röhren einen außergewöhnlichen Reiz. Sie entstehen bei Vulkanausbrüchen mit dünnflüssigem, aber relativ schnell fließenden, basischen Lavaströmen. Wenn die Masse abfließt, kühlt es an den Außenrändern schneller ab als im Fließkern und so bilden sich sukzessive Fließtunnel aus und es entstehen Lavahöhlen bzw. -röhren. Manche dieser Höhlen nehmen gigantische Ausmaße an, wie beispielsweise jene in Hawaii mit einer Länge von 65,5 Kilometern.

Die längste Vulkanröhre Europas

Wir haben auch in Europa einige beeindruckende Lavahöhlenkomplexe, wie beispielsweise die Cueva del Viento von Icod de los Vinos auf Teneriffa. Mit einer Länge von knapp 18 Kilometern nehmen sie weltweit den fünften Rang ein und in Europa sogar den ersten. Die ältesten Bereiche dieses außergewöhnlichen Höhlenkomplexes entstanden vor ca. 27.000 Jahren nach dem Ausbruch de Pico Viejo (auch Chahorra bezeichnet).

Unzählige Höhlen und Gänge sind labyrinthartig über drei Etagen miteinander verwoben. Die unterschiedlichen Gesteinsschichten der Vulkanrückstände sind ein Mekka für die Geomorphologie. Aber auch ohne wissenschaftlich getriebenen Entdeckergeist beeindruckt uns Laien das Potpourri an Formen und Farben in der Stille dieser Höhlen samt all seiner Terassen, Stalaktiten, Lavafällen und -seen. Die Natur kennt eben keine Grenzen in puncto Kreativität.

Die Cueva del Viento wurde schon vor etwa 2.000 Jahren von der indigenen Bevölkerung, die auf Teneriffa Guanchen genannt wird, als Begräbnisstätte genutzt. Davon zeugen archäologische Funde. Der ständige Wind gibt diesen Höhlen seinen Namen. Bergsteiger, Höhlenwanderer, Abenteurer und Wissenschaftler erforschten peu à peu die Höhlen und ihre BewohnerInnen - Fauna wie Flora. Die wissenschaftlich fundierte Erkundung der Cueva del Viento setzte im Jahr 1969 ein und erfolgte daraufhin in mehreren Etappen, wenngleich es noch viele Geheimnisse zu entdecken gibt.

Fossilien, auf Spurensuche der Evolution

Von besonderem Interesse sind die Fossilien, die wertvolle Informationen über die einstige Tierwelt bieten, die durch einen Vulkanausbruch mehr oder weniger ‚eingefroren‘ wurden. Beispiele sind die Riesenechse (Gallotia goliath) mit einer Länge von über 1,5 Metern, die Riesenratte (Canoriomys bravoi), die Krähe (Pyrrhocorax pyrrhocorax) und die Kanarenwachtel (Coturnix gomerae).

Auch heutzutage ist die Cueva del Viento Lebensraum für 120 vorwiegend wirbellose Tierarten, wobei 43 Spezies sogar erstmals entdeckt wurden, wie z. B. die Höhlenschabe (Loboptera subterranae) oder der Laufkäfer (Wolltinerfia martini und Wolltinerfia tenerifae).

Anpassen oder sterben hieß das Überlebensmotto für jene Lebewesen, die in dieser dunklen Umgebung bestehen wollten. Es entwickelten sich ungewöhnliche Varianten. Das Fehlen von Sonnenlicht führte beispielsweise zum Verlust der Körperfarbe oder zu Blindheit. Manche Tiere kompensieren den Sehmangel durch andere Sinne, wie z. B. durch einen ausgeprägten Geruchs- und Tastsinn. Lange Beine und ein dünner, leichter Körperbau sind bei der Suche nach der spärlich vorhandenen Nahrung in den Höhlen von Vorteil. Andererseits kann die Höhlenspinne (Canarionesticus quadridentatus) dank eines extrem verlangsamten Stoffwechsels, über längere Zeit komplett ohne Nahrungsaufnahme überleben. NIcht antreffen wird man in diesem Höhlenkomplex die nachtaktiven Fledermäuse, obwohl sie eigentlich in Höhlen oftmals ihr natürliches Habitat haben. Das erläutert der Führer während dem Besuchs und nennt als Grund das für das Echosignal undurchdringliche Vulkangstein.

Besuch erlaubt

2008 wurde die Cueva del Viento auch für Besucher geöffnet, allerdings sind nur 250 Meter des Höhlenkomplexes zum Schutz der Spezies begehbar.  Zudem können sie nicht auf eigene Faust, sondern nur in geführten kleinen Gruppen erkundet werden, das zahlt sich aber aufgrund der interessanten Erläuterungen vor Ort aus. Damit dem Abenteurergen Tribut gezollt wird und natürlich aus Sicherheitsgründen, erfolgt die Begehung authentisch mit Schutzhelm und Stirnlicht. Gutes Schuhwerk ist unbedingt empfohlen, ebenso wie eine Jacke und lange Hosen aufgrund der kühleren Temperaturen. Das angeschlossene Informationszentrum bietet Zusatzinformationen.

Die Pflanzenwelt lässt sich in drei Zonen unterteilen: In der äußeren wachsen Gefäßpflanzenarten, Farnkräuter und Flechten. Nahe des Höhleneingangs mit Lichteinfall und eventuellen Niederschlägen gedeihen Moos- und Flechtenarten während in der nächsten Zone mit nur wenig Licht Blaualgen und Flechten ihr Auskommen finden.

Kontakt: Cueva del Viento

Cam. los Piquetes 51 in Icod de los Vinos, Teneriffa. Tickets im Besucherzentrum oder online unter: https://cuevadelviento.net
Besichtigungen:  Di. bis Sa. von 9 bis 16 Uhr
Tickets: 20 Euro bzw. 8,50 Euro Kinder (Residentenrabatte)