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J M upload 30.01.2020, Viva Edition 160 | Print article

Europas größter Rumfabrikant: 135 Jahre Destilerías Aruehcas in Arucas

Arucas‘ ganzer Stolz ist ein Familienunternehmen mit einer mehr als 135 Jahre andauernden Geschichte. Es handelt sich dabei um den europaweit bekannten Rumfabrikanten Destilería Arehucas S.A. in der gleichnamigen Gemeinde Arucas auf Gran Canaria. Der beliebte Rum hat von Anfang an die Herzen der Menschen erobert und wurde früh zum Hoflieferant des spanischen Königshauses, das ist es nach wie vor. Wir wollen dieser Erfolgsgeschichte auf den Grund gehen ...

Mit der Entdeckung der Neuen Welt durch Christoph Kolumbus im Jahr 1492 begann ein Wettlauf um die Eroberung neuer Territorien und folglich ein reger Handel mit den Kolonien. Viele Produkte, die heute aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken sind, stammen aus Übersee, wie z. B. Kartoffeln, Mais und Tomaten. Beim Zuckerrohr jedoch war es anders, denn es stammte ursprünglich aus Asien. Eine Art Rum soll schon der indische Mediziner Vagbhata im 7. Jhdt v. Chr. als Mixgetränk mit Mango in Gemeinschaft zu trinken empfohlen haben. Im Mittelalter brachte 1369 König Peter I. von Zypern, eines der wichtigsten Länder der Zuckerproktion dieser Zeit, zum Krakauer Kongress Rum mit. Und im 14. Jhdt. erwähnte der Händler Marco Polo auf seinen Fernostreisen einen köstlich süßen Wein aus Zucker. 

Und auch auf den Kanarischen Inseln wuchs Zuckerrohr und war einst ein wichtiger Wirtschaftszweig, dessen Kehrseite die gnadenlose Abrodung ganzer Landstriche nach sich zog. Die Spanier führten Zuckerrohr in die Karibik nach Südamerika ein. Dort fand man ideale Bedingungen, wie das Klima, die großen, leicht zu bewirtschaftenden Ackerflächen und vor allem das ‚billige Personal‘ in Form der ausgebeuteten Sklaven, vor. 

Die Kanaren konnten bald mit den billigen Massenproduktionen in der Neuen Welt preislich nicht mithalten und die hiesige Produktion kam zum Erliegen. In Übersee trat das Gegenteil ein und durch einen Zufall potentierten sich die Gewinne ...

Piratengetränk, oder?

Ein Sklave solle, einer weit verbreiteten Theorie nach, die Wirkung des fermentierten Zuckerrohrsafts zufällig entdeckt haben, als er versuchte seinen Durst aus einem Fass mit bereits gärender Melasse zu löschen. Und die stimulierende Wirkung, die dem Rum noch heute zu eigen ist, verbreitete sich rasch und fand seine Anhänger. 

Anfänglich war Rum alles andere als mild und fein, sondern scharf und eher für hartgesottene Männer geeignet. Auch bei Piraten soll Rum eine äußerst beliebte Beute gewesen sein und als Proviant immer mitgenommen haben. Noch immer werben viele traditionelle Rummarken mit Piratenfiguren auf ihrem Label (z. B. Captain Morgan).

Bittersüßer Reichtum

Die britische Kolonie Barbados wird häufig als eine der Ursprünge der Rumproduktion genannt und wurde 1667 erstmals urkundlich erwähnt. Allerdings beanspruchen auch die Franzosen in ihren karibischen Kolonien sowie die portugiesischen an der Ostküste Brasiliens für sich. Wie auch immer, die Plantagenbesitzer vergrößerten ihr Vermögen durch dieses einstige ‚Abfallprodukt‘ der Zuckerrohrherstellung und ließen die Menschen unter äußerst schwierigen Bedingungen für sich schuften. 

Bridgetown, die Hauptstadt von Barbados, soll damals mit einer geschätzten Exportmenge von drei Millionen Liter Rum vermögender als Manhatten gewesen sein. Auf dem zweiten Platz der Rumexporteure lag Antigua.1) Im Jahr 1655 zählte Rum in Ermangelung an Wein oder französischem Brandy, zur festen Bordverpflegung der britischen Marine. 

In der Royal Navy wurde 1779 sogar festgeschrieben, dass den Matrosen zwei Mal täglich Rum, im Verhältnis 1:4 mit Wasser gestreckt, ausgeteilt werden solle. Schließlich war die Schifffahrt kein Honigschlecken. Die Belegschaft solle zwar gesund bleiben, aber ihre Arbeit in halbwegs nüchternem Zustand verrichten können.

Um 1730 waren die Kolonialisten am nordamerikanischen Festland die Hauptabnehmer. Die Europäer entdeckten den Rum erst mit deutlichen Verbesserung der Qualität, die mit dem Vertiefen der Kenntnisse über Reifeprozesse etc. Anfang des 18. Jhdts. erfolgte, für sich.

Rum aus Arucas, die Familiengeschichte

Es war Alfonso Gourié Álvarez, der Urgroßvater des aktuellen Präsidenten Rafaél Méndez, dem wir den Rum aus Arucas zu verdanken haben. Er arbeitete selbst auf einer Zuckerrohrplantage und lernte alles  über die Rumproduktion.

Am 9. August 1884 gründete er formal das Unternehmen mit dem anfänglichen Namen La Fábrica de San Pedro und montierte sogar die ganzen erforderlichen Maschinen selbst. 

Im Jahr 1885 verarbeitete er die ersten 5.620 Tonnen Zuckerrohr und die Qualität seiner Rumsorten Plata (Gold) und Bronze überzeugten  nicht nur die Insulaner. Mengenmäßig konnten die Kanarischen Inseln zwar mit der Konkurrenz aus Übersee nicht mithalten, aber die Qualität überflügelte schon bald die Massenware aus Amerika.

Maria Christina von Habsburg-Lothringen, die zweite Frau von König Alfons XII., ernannte im Jahr 1892 das Unternehmen zum Hoflieferanten („Proveedor Oficial de la Casa Real“.

1909 wurde zur Qualitätsverbesserung ein neues Guillaume-System von Egrot et Grangé in Paris erworben, was zu Steigerungen der Produktionsmengen führte.

Nach einer durch die Vorkriegsjahre hervorgerufenen Krise wurde das Unternehmen 1940 unter der Leitung von Alfredo Martín Reyes wieder umgekrempelt und in Ron Arehucas umbenannt. 

Um auf den kanarischen Ursprung des Erzeugnisses hinzuweisen wurde das Unternehmen im Jahr 1965 abermals umbenannt und zwar in Destilerías Arehucas. Im Jahr 2006 erwarb Destilerías Arehucas S.A. den Likörerzeuger Artemi und erweiterte sein Produktsortiment.

Generationenwechsel: Zwischen Tradition und Fortschritt

Rafaél Méndez,3) aus der dritten Generation des Familienunternehmens, beschreibt das Erfolgsrezept aus seiner Sicht: „Man sagt, dass der Übergang von der zweiten auf die dritte Generation am Schwierigsten sei. Ich glaube, es ist uns ganz gut gelungen beide Werte und Gesichtspunkte - Erfahrung der zweiten mit der Innovation der dritten Generation - perfekt zu vereinen. Wir haben in all der Zeit unser Augenmerk stets darauf gerichtet, die Qualität und den Geschmack gleichbleibend hochzuhalten - eine Konstante unserer Arbeit. Eine große Herausforderung war die internationale Expansion, die sich durch die geografisch abgeschiedene Lage ergab. Wir konnten nur containerweise liefern, was für viele kleine Abnehmer nicht ‚zu stemmen‘ war. Daher errichteten wir 1990 eine Exportabteilung. Ein Meilenstein war die Eröffnung einer Außenstelle in Madrid mit 5.000 Quadratmetern Lagerfläche. Dadurch konnten Käufer auch kleinere Mengen direkt auf dem Festland beziehen. Diese Entscheidung hat sich am Ende als die Richtige erwiesen. In neun Jahren stieg die Verkaufsmenge von 60.000 Flaschen auf 1,2 Millionen an.“

Inzwischen exportiert Destilería Arehucas S.A. in mehr als zehn Länder weltweit, u. a. nach China. Geschäftsmann Xefeng Zhou soll bei einer Reise nach Gran Canaria den Rum kennen und schätzen gelernt haben. Er vertreibt ihn seit 2008 über seine auf europäische hochwertige Lebensmittel spezialisierte Firma Mundiver Europa in China. 

Im Jahr 2011 gelang es nach Überwindung jahrelanger bürokratischer Hürden die Rumsorten Carta Oro und Ron Miel endlich auch die USA zu exportieren.2)

Einige Highlights ...

Die Carta Oro  und der süße Honigrum „Ronmiel“ sind die Verkaufsschlager. Seit einiger Zeit boomt der mild im Abgang schmeckende weiße Rum Carta Blanco - siehe Kasten „Rum Qualitäten5)).

Top im internationalen Ranking hat es Captain Kidd geschafft, dessen 20 Jahre gereifter Inhalt hält, was die optisch ansprechende Flasche verspricht. Ein scharfer Start mit süßem Nachgeschmack bietet der 18 Jahre gereifte Arehucas Añejo Reserva Especial. 

Honigrum - ein kanarisches Highlight

Die kanarische Rumgeschichte ist undenkbar ohne die Kombination des edlen Brandes mit dem ebenso feinen Bienenhonig, der in der Vermählung als Ronmiel bekannt ist. Dieses süße und beliebte Derivat aus dem Destillat darf auf den Kanarischen Inseln nur nach strengen Vorgaben produziert werden. Das Reinheitsgebot für den „Ronmiel de Canarias“ schreibt vor, dass nur Rum, Branntwein aus Zuckermelasse, Wasser, Zucker, pflanzliche Extrakte und mindestens zwei Prozent Honig enthalten sein darf. Achten Sie beim Kauf auf den Ursprung der Flaschen. 

Von den knapp 1,5 Millionen Litern Honigrum gelangen nur drei Prozent in den Export, der Rest wird von den Insulanern selbst verzehrt.

Besucher willkommen

Heute ist die Fabrik in Arucas ein sehr beliebter Touristenmagnet geworden und empfängt um die 95.000 Besucher jährlich. Es gibt mehrsprachige Führer, die einen Blick hinter die Kulissen erlauben und am Ende werden Kostproben ausgeteilt.Das Sortiment ist erstaunlich groß und bietet für jede Geschmacksrichtung, jeden Anspruch und jede Geldbörse etwas Passendes. Schon viele Persönlichkeiten aus Kultur, Politik und Wirtschaft haben die Fabrik besucht und sich auf einem der unzähligen Fässer verewigt, wie z. B. der damalige König Juan Carlos I. oder Julio Iglesias. 

Den Besuch der Rumfabrik können Sie ideal mit einem Abstecher in die wunderbare historische Altstadt verbinden und die stattliche Kirche im neogotischen Stil besichtigen. 

Falls Sie sich auf eine ausgiebige gustatorische Rum-Entdeckungsreise begeben, empfehlen wir lieber eine der gut organisierten Ausflugsanbieter zu buchen und mit einem Bus mitzufahren. Sie werden erstaunt sein, wie viele Rum- und Likörvariationen geboten werden.4)  Viel Spaß!             Julija Major

FÜHRUNGEN

Destilería Arehucas S.A., Rumfabrik (Fábrica del Ron) in der c/Era de San Pedro, Arucas, Gran Canaria.
Besichtigungen: Mo. bis Fr. von 9.00 - 14.00 Uhr (außer an Feiertagen).  Eintritt: 3,50 Euro (für Kinder gratis), keine Anmeldung erforderlich, auch für Menschen mit eingeschränkter Bewegungsfreiheit.
Mehrsprachig. Tel.: (+34) 928 624 900.
www.arehucas.es 

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(c)Fotos: zur Verfügung gestellt von Destilerías Arehucas S.A.

Verweise

1)W. Curtis: And a Bottle of Rum. New York 2006, Kapitel: Grog, Ebook-Position 607.

2)Viva Canarias Nr. 1 vom 20. Januar 2012 „Arucas Rum, der ganze Stolz von Gran Canaria“

3)Die Zitate von Rafaél Méndez stammen aus einem Interview mit Cinco Días

4)Cita Reisen, Eva und Frank

5)Siehe www.rumratings.com

Siehe auch:

Arucas - die schöne Altstadt lockt

Lebende Mauern - 100 Jahre "Kathedrale" in Arucas

Charmanter 'Park der Herzogin' in Arucas