Ausgabe Nr.
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J M upload 01.02.2023, Viva Edition 196 | Print article

Fuerteventura: Terra incognita canariensis

Nach den Turbulenzen der letzten Jahre wird der Ruf der Natur immer lauter. So manch stressgeplagter Erdenbürger sehnt sich nach einsamen Stränden, endlosen Weiten, salziger Luft und sanften Hügeln, die er mit keinem anderen Homo Viator teilen muss. Allein im Paradies? – Das existiert auf Fuerteventura.

Die ‚Insel der starken Winde‘ gilt als Wind- und Kitesurfparadies bzw. ist auch bei Familien mit Kleinkindern aufgrund der weitläufigen Sandstrände äußerst beliebt. Die Wandercommunity ist dafür noch eher dürftig vertreten, zu Unrecht, wie wir finden. Fuerteventura bietet viele Wandervorzüge, wie z. B. ein perfekt ausgeschildertes Wegenetz, das eine Wanderkarte überflüssig macht. Die Höhenunterschiede dieses Schildvulkans sind minimal, dafür reicht der Blick bis weit in den Horizont. Die Küste ist wie ein Rosenkranz, wo perlmuttfarbene Buchten und weite Strände kilometerlange Klippen aneinanderreihen. Wanderungen können fast immer mit einem Bad oder „un chapuzón en el Atlántico“ enden, wie es lokal bezeichnet wird. Mit der geringen Bevölkerungsdichte von knapp 64 Einwohnern pro Quadratkilometer hat man Fuerteventura mit hoher Wahrscheinlichkeit für sich alleine!

Gut Ding braucht Zeit

Um die reizvolle Landschaft Fuerteventuras zu verstehen, muss man als Wanderer in ihre Geschichte eintauchen. Diese liegt mehr als 70 Millionen Jahre zurück, als der Meeresboden aufbrach und Magmamassen an die Wasseroberfläche drängten. Die erstarrte Lava bildete auf dem Meeresboden eine Inselbasis, die in geologischer Hinsicht „der Basalkomplex von Fuerteventura“ genannt wird. Teile des alten Basalkomplexes wurden durch die Kraft von Eruptionen und Plattentektonik hochgedrückt, und diese zerklüfteten Formen können vor Ort bewundert werden. Sie können sogar die natürlichen Schächte sehen, entlang derer das Magma hochgekrochen ist. Eine seltene geologische Meisterleistung von Mutter Erde!

Weiße Sandstrände nur für Sie!

In einer späteren Phase – vor etwa 40 Millionen Jahren – bildeten sich auf dieser Basis einige instabile Schildvulkane, die durch Erosion und gigantische Erdrutsche weitgehend verschwunden sind. Die 700 Meter hohen Klippen im Südwesten von Fuerteventura sind die Narbe einer solchen Katastrophe und bilden ein riesiges natürliches Amphitheater. Es trägt den Namen „Macizo de Jandía“ und umfasst einen kilometerlangen, unberührten, weißen Sandstrand von Barlovento.

Barlovento bedeutet „die Luvseite“; die Seite, wo der Wind gezwungen ist, den Berg hinauf zu gehen. Die Passatwinde heulen das ganze Jahr über und sorgen für eine angenehme Temperatur, aber auch für Wolkenbildung. Zum Beispiel hängt normalerweise ein finsterer Nebel an den Bergflanken, während der Strand selbst von Sonnenstrahlen beschienen ist. Allerdings sind die Wellen gnadenlos hoch, so wie die Zahl der Ertrunkenen, sodass ein „chapuzón“ in diesem azurblauen Ozean von Barlovento ein No-Go ist. Das tut der Anziehungskraft dieses unberührten Strandes keinen Abbruch.

Die einzigen Orte, die der postmoderne Mensch berührt hat, sind der Weiler Cofete mit seinem halben Dutzend Häusern und die kahle Villa Winter, die wie ein Fürst auf die umliegenden verlassenen Terrassen herabblickt.

Die Trümpfe

Fuerteventura bestand früher aus zwei Inseln: Maxorata im Norden und Jandía im Süden. Riesige Sandbänke und Dünen haben die beiden Inseln verschmolzen. Die verbindende Schlinge bildet die Landenge „El Istmo de Jandía“, an deren Ostseite sich der zugängliche Strand von Sotavento befindet und an der Westseite der zuvor beschriebene Barlovento.

Auf den ersten Blick wirkt die Landschaft karg, aber Fuerteventura ist reich an Dünen- und Wüstenvegetation! Die einheimischen Pflanzen haben die verrücktesten Namen: die Meerestraube, die Medusen-Winde, die Kanaren-Eispflanze, die Affenpalme etc.

Betancuria, die älteste Hauptstadt der Kanaren, liegt im Herzen der Insel und wurde nach dem normannischen Eroberer Jean de Bethéncourt benannt. Beschauliche Dörfer, wie Pájara, Tuineje und Ajuy lassen Zeit und Lärm stillstehen. Hat Simon und Garfunkel das gemeint, als sie 1994 über den „Klang der Stille“ geschrieben haben?

Wir entführen Sie auf eine mehrtätige Wanderreise nach Fuerteventura! Mehrtätige Wanderreise Fuerteventura 2023

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Bildunterschriften

01: Eine kleine Halbinsel, auf der schon viele Menschen ertrunken sind

02: Das „Tor zur Wüste“ von Cofete, Reste eines Franziskanerklosters

03: Typisches Bild auf Fuerteventura: Eine Ziegenfarm

04: Strand von Barlovento

05: Die stattliche Villa Winter

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siehe auch  Vom Piratenversteck zum Naturdenkmal - Cuevas de Ajuy auf Fuerteventura