Ausgabe Nr.
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J M upload 02.09.2018, Viva Edition 122 | Print article

Sanlúcar de Barrameda (Teil 3) - Backstage in Südspaniens wichtigster Fischbörse "Bonanza"

Der dritte und letzte Teil aus unserem Ausflug nach Sanlucár de Barrameda führt uns in das Reich Neptuns, das viele Schätze zu bieten hat. Genauso berühmt nämlich, wie diese andalusische Region für seinen Manzanilla-Sherry bekannt ist, so ist sie es für die Fische und Meeresfrüchte. Dort befindet sich die bedeutendste Fischbörse in Spaniens Süden: Bonanza. Wahre Kenner der Fischszene sind Julio González Hernández und Manuel Espinosa Venega, die seit fast zwei Jahrzehnten einen Fischladen in der Stadt führen. Mit ihnen darf ich einen Tag lang in die Welt der Fischerei und der Fischbörse eintauchen. 

Fischer seit Generationen

Wenn die Familie seit Generationen den Lebensunterhalt mit den ‚Früchten in Neptuns Welt‘ bestreitet, dann liegt es auf der Hand, dass auch Julio diesen Weg einschlägt - wenn auch in etwas anderer Art und Weise. Seine Seekrankheit war ihm in die Wiege gelegt worden und so sollte er beruflich eine andere Richtung einschlagen. 

Also brachte ihn seine Mutter jeden Tag zur Fischbörse mit dem klingenden Namen Bonanza (was soviel wie Wohlstand und auch Meeresstille bedeutet). In den Nachmittagsstunden kam sein Vater vom Fischfang zurück und legte dort ab, um seine Beute zum Verkauf anzubieten. Der Spross half fleissig beim Entladen mit und das brachte dem Achtjährigen ein wenig Taschengeld ein. Im Laufe der Jahre hat sich Julio folglich auch ein großes Wissen über die Fischarten, Qualitäten und später auch die erzielbaren Preise angeeignet. Heute, nach zwanzig Jahren, ist er ein absoluter Kenner der Materie. Das kommt gut an, denn die spanischen Fischverkäufer lieben ihre Ware und wissen genau, was wie schmeckt und vor allem auch, wie man diese am besten zubereitet. „Manchmal benötige ich mehr Zeit für die Kochrezepte als für das eigentliche Beratungsgespräch“ erklärt mir Julio schmunzelnd. Wie gut, dass er ein leidenschaftlicher Hobbykoch ist und das wird von seinem Stammklientel sehr geschätzt, besonders bei Fischraritäten.

Das A und O um heute zu überleben ...

Das A und O, um heutzutage überleben zu können, ist der Einkauf. Dort liegt die Gewinnspanne und daher ist es wichtig, zum richtigen Preis einzukaufen - sonst bleibt nichts übrig, außer der Ware. Julio kennt seine Kunden ganz genau, ihre Vorlieben hinsichtlich Fischsorten und an welchen Tagen mehr und an welchen weniger nachgefragt wird ...

Bonanza - Fischbörse 'incognito'

Julio nahm mich an einem Tag im Juni mit zu dieser Fischbörse und so konnte ich incognito einen Blick hinter die Kulissen werfen. Zutritt ist normalerweise nur für Befugte, sprich lizenzierte Händler und Fischer. Er ‚schmuggelte‘ mich quasi als seine Freundin ein und ich machte die Fotos mit meinem iPhone (und bitte um Nachsicht, dass sie den gewöhnlich hohen fotografischen Ansprüchen nicht ganz gerecht werden).

Am laufenden Band: Vom Dock in die Versteigerungshalle

Es ist etwa 17.00 Uhr. An den Docks reiht sich ein Fischerboot an das andere. Routiniert und schnell wird die Ware gelöscht und gelangt direkt in entsprechende Kisten. Sortiert und vorbereitet wird alles bereits auf See.

Am Kai nehmen die Arbeiter die Kisten entgegen, etikettieren die Herkunft mit dem Namen des Fischerbootes und wiegen die Ware. Danach gelangen sie unmittelbar auf ein Laufband und starten ihre Route zur Ersteigerung.

Auf der anderen Seite

In einer Halle sitzen um die hundert Männer in Reihen - ähnlich wie in einem Kino. (Als einzige Frau in diesem Raum fühle ich mich, ehrlich gesagt, ein wenig deplatziert und die neugierigen Blicke sind meinem Wohlgefühl nicht zuträglich … aber was tut man/frau nicht alles für seine Leser)

An der Stirnseite sind zwei Bildschirme montiert. Auf einem sieht man ein Foto der jeweiligen Ware, die auf dem Laufband darunter vorbeizieht. Der andere zeigt die jeweiligen Eckdaten: Name des Fischerbootes, Name des Fisches bzw. der Ware, das Gewicht dieser Kiste und den Preis pro Kilogramm. 

Versteigerung - Nerven bewahren

Während die beladenen Kisten also ihren Rundgang auf dem Laufband absolvieren, wandert der jeweilige Preis auf dem Bildschirm sukzessive hinunter. Das passiert solange, bis sie jemand ersteigert. Die Bieter haben eine Fernbedienung in der Hand und drücken, sofern sie den Zuschlag möchten, auf die Taste. Allerdings sind Nerven gefragt, denn man darf nicht zu früh und somit zu teuer einkaufen. Genau dort liegt die knapp bemessene Gewinnspanne im Fischhandel dieser Tage.

Auf der anderen Seite darf man auch nicht zu lange warten, denn sonst ist das Objekt der Begierde weg. Sobald jemand auf den Knopf drückt, erscheint dessen Name sofort auf dem Bildschirm, in unserem Fall „Don Rocio“. Vertreten sind nicht nur die Fachgeschäfte und Köche renommierter Restaurants, sondern Einzelhandelsketten wie z. B. Mercadona (seit 2013). Wer allerdings zu lange mit dem Bieten wartet, der hat mitunter Pech und das begehrte Stück wird einem vor der Nase weggeschnappt.

Von der Markthalle - sofort auf Reise

Nach Beendigung der Einkaufstour gehen die jeweiligen Bieter zu Automaten, wo sie sich mit ihrer Mitgliedsnummer anmelden und ihren Lieferschein ausdrucken. Darauf sind alle Fischsorten, Mengen und Preise der erworbenen Ware an diesem Tag vermerkt. Nur mit diesem Papier werden die Fische und Meeresfrüchte herausgegeben. Das erfolgt im Nebenraum, wo die Ersteigerungen vom Laufband gleich auf einer Palette für den jeweiligen Bieter gestapelt werden. Alles ist Nass, denn hier wird unentwegt gereinigt und abgespritzt - Hygiene is oberstes Gebot. Es riecht intensiv nach Fisch. Von hier aus geht es unmittelbar in einen Kühltransporter und sicherheitshalber werden zusätzlich noch dicke Schichten Eis auf die Fische und Meeresfrüchte geschichtet.

Der Zahn der Zeit

Heute läuft die Fischbörse zwar stiller aus Sicht des Geräuschpegels ab, aber nichtsdestotrotz rasant. Heute ist alles bürokratischer geworden, von der Hygiene bis hin zu den Vorschriften und Einschränkungen hinsichtlich der geschützten Fischarten, der Kontingente etc. Das wird laut Julio auch laufend überprüft und es stehen hohe Geldstrafen an. Wer mit verbotenen Fischarten handelt, der muss mit bis zu 1.000 Euro Strafe PRO Kilogramm rechnen2).

Wie überall gibt es leider auch in dieser Branche schwarze Schafe. Falls - aus Versehen/oder auch nicht - geschützte Arten im Netz landen ,müssten diese wieder ins Meer geschmissen werden, was aber mitunter nicht immer passiert. Sie landen dann „offline“ in einem Schwarzmarkt. Ergo: Vom Fischerboot, unter der Hand, direkt zu den geheimen Abnehmern, die hinter vorgehaltener Hand Endabnehmer für diese Ware finden.

Julio ist jeden Tag in Bonanza auf der Jagd nach seiner fangfrischen Ware. Sein Partner Manuel hält tagsüber die Stellung im Fischgeschäft und dort landet dann die fangfrische Ware direkt vom Meer auf der Theke (Pescadores Purry - siehe Fotos). Es war ein sehr interessanter Ausflug in die Welt der Fischerei, hoffentlich auch für Sie!

Die Fischereigenossenschaft von Sanlúcar de Barrameda

Die Genossenschaft der Fischer „Cofradia de Pescadores de Sanlúcar“ wurde in den 1940-ern gegründet (Siehe Foto 01 - 04 auf der vorangegangenen Seite). Sie umfasst heute eine Flotte von ca. 100 Schiffen (36 Schlepper und weitere 41 kleinere Boote). Gefischt wird in den Gewässern des Golfes von Cádiz (bis zu Portugals Hoheitsgewässer sowie bis nach Gibraltar), im Flussdelta des Guadalquivir. 2014 wurden 100 verschiedene Spezies mit einem Gesamtvolumen von 4.232.131 Tonnen (!) gehandelt. Es ist einer der größten Fischhandelsplätze Spaniens, wobei 21 Spezies davon etwa 92 Prozent des Gesamtvolumens ausmachen.

Die fangfrische Ware wird täglich zur Fischhandelsbörse Bonanza gebracht und dort ab ca. 17.00 Uhr gehandelt. Von dort geht es direkt in die Geschäfte, Restaurants, lokalen Fischmärkte oder zum Flughafen für den Versand in das Ausland. Seit 2013 kauft die Einzelhandelskette  Mercadona dort ein.

Anmerkung: Seit 2013 wird die regionale Spezialität „Langustino de Sanlúcar“ unter einer Dachmarke vermarktet. Seit 2017 gibt es sogar Ende Juni die „Fiesta de Langustinos de Sanlúcar“, die nunmehr jedes Jahr über die Bühne gehen wird.

Die häufigsten Fänge sind (Anm.: Diese Information stammt von der Webseite „Cofradia de Pescadores“)

Krustentiere

- Langustino (Langostinos, sie brüten im Fluss Guadalquivir)
- Gamba (berühmt für die Gambas, es gibt sogar eine jährliche Gamba-Fiesta im Sommer)
- Galera (Heuschreckenkrebs)
- Bogavante (Europäischer Hummer)

Weichtiere

- Chirla (Herzmuscheln)
- Calamar (Kalamar)
- Puntillitas (Kalamar)
- Pulpo de Roca und Pulpo Almizclado (Kraken)
- Choco/Jibia oder Sepia (Tintenfisch)

Fische

- Acemas choco
- Rapena (typisches Gericht „Rapel al coquina fina“)
- Sargo (Geissbrasse)
- Corvina (Adlerfisch)
- Merluza (Seehecht)
- Sardina (Sardinen)
- Boquerón (Sardelle)
- Acedia (Scholle)
- Jurel (Bastardmakrele)
- Chova (Blaubarsch)
- Garapello (Meerbrassen)
- Bacaladilla (Blaue Wittling, Fam. der Dorsche)
- Caballa del Sur
- Gata (Kleingefleckter Katzenhai)
- Tapaculo

Kontakt:

Muelle Pesquero de Bonanza, Edificio Nave JPS in Sanlúcar de Barrameda, Cádiz, Spanien.

www.cofradiapescadoresdesanlucar.com