Die Gemeinde Mogán ist nach San Bartolomé de Tirajana die bedeutendste Touristendestination auf Gran Canaria und rangiert unter den Top 10 Spaniens. Im Jahr 2017 nächtigten immerhin 8,6 Millionen Urlauber hier und der Großteil davon, nämlich 7,6 Millionen, waren Ausländer. Mogán ist ein Aushängeschild der Insel und vor allem lockt das pittoreske Hafenstädtchen Puerto de Mogán, das in vielen Reiseführern als ‚Kleinvenedig‘ tituliert wird, Besucher an. Schon die Altkanarier schätzten diese fruchtbare Gegend am Ausgang des Tals, wie Fundstücke alter Steinsiedlungen belegen.1)
Die romantischen weißen Gebäude mit den hübschen Fassaden am Hafenbecken, die mit leuchtend blühenden Bougainvillea reich geschmückt und so typisch für Puerto de Mogán sind, sind erst in den 1970-er Jahren von Rafael Neville erbaut worden.2)
Neue Ära für Mogán
Hier im Südwesten der Insel strahlt die Sonne noch ein wenig mehr und länger. Selbst im seltenen Fall, dass es in Maspalomas wolkenverhangen ist, herrscht in Mogán zumeist strahlender Sonnenschein und die Temperaturen sind daher noch milder. Dabei hat die Gemeinde mehr zu bieten als ‚nur‘ Sonne und schöne (Kunst)Strände. Wir trafen uns mit der Bürgermeisterin Onalia Bueno, die im Jahr 2015 mit der von ihr gegründeten Partei Ciuca die Wahlen mit absoluter Mehrheit gewann und nun das ‚Zepter‘ in der Gemeinde Mogán übernommen hat. Mit ihr kam neuer Schwung in die Gemeinde und ihre ‚Handschrift‘ ist in den letzten Jahren anhand vieler Projekte nicht zu übersehen (siehe Kasten am Ende dieses Berichts) - falls Sie die hiesige Berichterstattung verfolgt haben.
Formal ist das Rathaus in dem kleinen Hauptstädtchen Mogán Pueblo untergebracht. Doch wie in San Bartolomé de Tirajana gibt es ein für die Bevölkerung schneller erreichbares Bürgerbüro, die „Oficinas Municipales“ in Arguineguín. Ich kam etwas überpünktlich und das bot mir die Gelegenheit das rege Treiben zu beobachten und die Stimmung wahrzunehmen. Gleich vorweg: Man spürt die Bürgernähe und die Freundlichkeit gegenüber den Besuchern. Uns empfängt die junge Dame mit scharfem Blick und noch schärferem Verstand. Bueno vereinnahmt uns „chicas“ von Anfang an mit ihrer unkonventionellen, unkomplizierten und offenen Art sowie ihrer Dynamik.
Die „Alcaldesa“ hat im Jahr 2015 das Amt der Bürgermeisterin von Mogán übernommen und scheint dieser Aufgabe gewachsen zu sein. Dafür sorgt mitunter ihr profunde Ausbildung. Sie studierte Politikwissenschaften in Granada und machte anschließend ihren Master in Politikmarketing. Sprachen und Know-How sind heute die Basis für einen erfolgreichen Politiker, sonst erreicht man nichts und vor allem gibt es Sicherheit im Beruf.
‚Anamnese‘ & Action
Mit ihrer Kompetenz und ihren analytischen Fähigkeiten hat die ‚Macherin‘ schnell den großen Handlungsbedarf identifiziert, den sie vor vier Jahren in einem Interview mit Canarias Ahoro wie folgt beschrieb: „Zuerst muss man sich ein Bild von der aktuellen Situation machen, denn das Rathaus war sehr desorganisiert und es herrschte keine Kommunikation zwischen den einzelnen Abteilungen. Wir müssen unsere Arbeit bei Minus eins beginnen.“
Heute beschreibt sie die Situation der Gemeinde bei unserem Gespräch wie folgt: „Es ist wichtig die Ausgangssituation zu kennen, ähnlich eines Arztbesuchs. Dann kann man ‚die Krankheit heilen‘. Es ist wie bei einem Hausbau. Man benötigt ein gutes Fundament, um darauf aufbauen zu können. Ich möchte gerne zwei Schwerpunktbereiche kategorisieren: Bürger und ihre Belange auf der einen Seite und Infrastrukturen auf der anderen.“
Basis bei den Bürgen schaffen
„Wie kann es sein, dass wir zwar eine der wichtigsten Tourismuskernzonen Spaniens und ein bedeutender Arbeitgeber sind und gleichzeitig in unserer knapp 20.000 Einwohner zählenden Gemeinde so viele Arbeitslose haben? Wir erkannten, dass wir ein Qualifikationsproblem haben. Viele, besonders in ländlichen Regionen, hatten nur die Grundschule besucht oder gar keine Berufsausbildung. Früher schickte man die Bürger in irgendwelche Kurse, vorbei am Bedarf der Wirtschaft. Wir haben daraufhin ein spanienweites Pionierprojekt ins Leben gerufen und uns mit den größten Arbeitgebern eng abgestimmt. Welche Berufe und Qualifikationen benötigen sie? Darauf basierend haben wir, um dem professionellen Anspruch gerecht werden zu können, Ausbildungs- und Schulungsmaßnahmen initiiert und umgesetzt. Kellner, Köche und Reinigungspersonal waren gefordert.
In vier Jahren konnten dadurch 90 Prozent der Beschäftigungslosen wieder in die Arbeitswelt integriert werden. Im Rahmen des „Servicio de Empleo“ haben wir auch Gärtner, Maler oder Tischler geschult. Jeder dieser Berufe dient, falls jemand keine Arbeit in einem Betrieb findet, dann auch der Gemeinde, in der wir sie einsetzen können. In sechs Monaten haben 73 Personen so eine Schulungsmaßnahme absolviert.“
Bueno fährt fort: „Fehlende Sprachkenntnisse waren eine weitere Herausforderung. Wie kann es sein, dass wir bei diesem enormen Urlauberaufkommen aus dem Ausland keine einzige Sprachschule in der Gemeinde haben? Auch das änderten wir vor zweieinhalb Jahren und haben endlich eine eigene Sprachschule. Wir investierten bisher drei Millionen Euro in sinnvolle Schulungsmaßnahmen. Investitionen in die Ausbildung ist das Beste, das man tun kann. Die Auszubildenden erlernen Berufe und machen ihren Abschluss mit einem anerkannten EU-Zertifikat, das ihnen auch für die Zukunft etwas bringt.
Eine gute Ausbildung beginnt schon in früher Kindheit und daher benötigt man auch gute Schulen mit moderner und vor allem zeitgemäßer Technologie, sonst kann man nicht mithalten. Wir haben die Schule, just hier in Arguineguín, genau nach diesen Anforderungen umstrukturiert und neu eröffnet. Man muss die Belange der Bürger kennen, verfügbar und ansprechbar sein. Wir kommunizieren von Bürger zu Bürger und nicht von Politiker zu Überger und schon gar nicht verstecken wir uns hinter Mauern. Wir wissen, was im Alltagsleben zählt und welche Herausforderungen zu meistern sind. Es macht keinen Sinn über irgendwelche Kulturzentren zu sinnieren, wenn es an der Basis mangelt, wenn z. B. Kindergärten oder Spielplätze und Parks fehlen, wenn Straßen marode sind, die Telefone nicht funktionieren oder es keine Straßenbeleuchtung oder Müllbehältnisse gibt.“
Gute Infrastrukturen sind enorm wichtig
Damit schwenken wir zum Thema Infrastruktur, die in dieser durch unzählige gegründete Tourismusbetriebe nicht Schritt hielt. Bueno erklärt uns: „Abwasserkanäle und -leitungen haben praktisch gar nicht existiert, doch die Hotels und Gaststättenbetriebe benötigen diese. Nach der Evaluierung sind gerade dabei diese längst notwendigen Infrastrukturen zu schaffen. Das ist auch für unsere Umwelt enorm wichtig. Es gab nicht einmal Papierkörbe und Müllbehältnisse. Wie sollen die Menschen ihren Abfall entsorgen, wenn es dazu gar keine Möglichkeit gibt. Wir haben zudem begonnen Straßenbeleuchtungen zu installieren, natürlich mit energiesparenden LED-Lampen. Eine Gemeinde zu führen ist ähnlich wie einen Haushalt zu führen. Wenn die Waschmaschine kaputt ist oder ein Wasserhahn leckt, dann repariert man es. Eine Wartung ist wichtig, sonst geht es schnell bergab.“
Als Bürgermeisterin trägt man eine große Verantwortung und Bueno sagt mit einem Augenzwinkern: „Als Bürgermeister ist man immer schuld, an allem. Sogar als wir vor zwei Jahren ein durch Umweltveränderungen und Temperaturschwankungen verursachtes Algenproblem hatten, war ich schuld. Man muss darüber stehen und kommunizieren. Die Bürger haben kein Problem, wenn man zu einem Thema „nein“ sagt, solange man ihnen erklärt, warum das so ist.
Klare Visionen und Zukunftsstrategien
Es wurden in den letzten Jahren viele Projekte realisiert und weitere sind in der Pipeline, wie beispielsweise das große Parkhaus in Arguineguín oder der neue große Freizeit- und Erholungspark in Puerto Rico, der mit einem Investitionsvolumen von 1,2 Millionen Euro zu hundert Prozent von der Gemeinde Mogán finanziert wurde und kurz vor der Fertigstellung steht. Bueno listet einige Punkte auf: „Die Phase 1 der Renovierung und Revitalisierung der Promenade beginnend in Arguineguín wurde fertiggestellt und die zweite, mit einem Investitionsvolumen von etwa 2 Millionen Euro wartet auf die Genehmigung.
Das ist ein weiterer Punkt, denn viele Bürger sind der Meinung, dass alle Entscheidungen in den Kompetenzbereich der Bürgermeister fallen. Doch dem ist nicht so. Hier warten wir noch immer auf das OK von der zuständigen Küstenbehörde, die paradoxerweise ihren Sitz in Madrid hat, wo es gar keine Küsten und Strände gibt. Aber, es ist unsere Aufgabe alle Möglichkeiten auszuschöpfen und unser Bestes zu geben, damit wir notwendige Projekte durchkriegen. Wir haben das Know-How dafür und es geht nun auch voran.“ (Anm.: Auflistung der wichtigsten Projekte im Kasten).
Stärker vermarkten - auch neue Wege gehen
Mogán soll mehr sein als nur „Sol & Playa“, Diversifizierung und Ecotourismus sind neue Tourismusideen der Alcaldesa: „Wir haben eine so wunderbare Landschaft und besonders die Skandinavier lieben das Wandern hier. Das wollen wir ausbauen, ebenso wie die Vermarktung unserer Produkte ähnlich der Konzepte von Valsequillo mit den Erdbeeren oder Valleseco mit den Äpfeln.
Avocados & Co
Durch das hier vorherrschende Klima wachsen in unserem Gemeindegebiet besonders subtropische Pflanzen, wie z. B. Zitrusfrüchte, Orangen, Mango und Mangas und vor allem Avocados. Sie sind von besonders hoher Qualität. 22 Sorten „Aguacates“ werden in unserer Gemeinde angebaut und zwei Mal im Jahr geerntet. Auch die Fischerei und hier vor allem der Thunfisch hat eine enorme Bedeutung. Mit unseren Avocado- und Thunfischtagen wollen wir diesen Nahrungsmitteln zu einem höheren Bekanntheitsgrad verhelfen.“
Zwischen Beruf und Familie - viele Opfer
Wie sieht ein Arbeitstag im Leben der Bürgermeisterin aus, die Mama einer eineinhalbjährigen Tochter ist? „Wir arbeiten sehr, sehr lange. Manchmal kommuniziere ich schon um sechs Uhr morgens, beispielsweise mit dem Bürgermeister von San Bartolomé de Tirajana. Wir haben den gleichen Job und arbeiten sehr gut zusammen, auch mit Elena, der Vizebürgermeisterin. Nach der Geburt meiner Tochter war ich nur vier Wochen in der Babypause und zum Glück konnte mein Lebensgefährte Vaterschaftsurlaub nehmen. Es ist ein wahres Opfer, das ich hier erbringe. Oft sehe ich mein Mädchen nur morgens und deshalb ist es mir sehr wichtig, dass ich sie in der Früh selbst in die Kinderkrippe bringe.“
Ein sanftmütiges und auch stolzes Lächeln breitet sich in ihrem Gesicht aus, als Bueno ihr Handy hervor nimmt und uns Fotos von ihrer entzückenden Tochter zeigt.
Hat sie in ihrem Job als Frau dieses Amt auszuführen Nachteile gehabt? Die Bürgermeisterin erklärt mir: „Nein, ich wurde damit nie in meinem Leben konfrontiert, vielleicht weil ich das Thema von Anfang an gar nicht zugelassen habe. Man muss das geschäftliche Umfeld und den professionellen Zugang einfordern. Vielleicht hilft meine Ausbildung dabei ...“
Kritik ja, aber konstruktiv
Wenn sie einen Wunsch frei hätte? Bueno erläutert: „Die beste Art und Weise Kritikern entgegenzutreten ist, gut zu arbeiten und die Dinge zu bewegen. Die Bevölkerung sieht die Ergebnisse und da führt kein an den Haaren herbeigezogenes Argument daran vorbei. Es wäre schön, wenn alle, ungeachtet ihrer Parteizusammengehörigkeit, konstruktiv zusammenarbeiten würden und an einem Strang ziehen, der dem Wohle aller dient.“
Mit diesen hoffnungsvollen Worten beenden wir unser Gespräch und wünschen der Bürgermeisterin weiterhin viel Erfolg auf ihrem spannenden politischen Weg. Julija Major