Ausgabe Nr.
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J M upload 27.02.2019, | Print article

Presa de Las Cuevas Blancas

Eine ikonische Talsperre inmitten eines pyroklastischen Terrains: Gran Canaria und seine Talsperren und Stauseen, eine beständige kraftstrotzende Ménage à trois aus Beton, Wasser und Menschenhand. Und eine furiose Erfolgsgeschichte: An keinem anderen Ort weltweit gibt es eine größere Ansammlung von Stauanlagen. Bei einer Fläche von 1500 Quadratkilometern kann Gran Canaria die stolze Anzahl von 166 aufweisen. Darunter 69 sogenannte „große Talsperren“, die entweder einen mindestens fünfzehn Meter hohen Staudamm vorweisen, sprich eine Kronenhöhe haben, also eine Höhe des Absperrbauwerks über der Gründungssohle von mindestens fünfzehn Metern, oder mehr als 100.000 m³ fassen, sprich eine Stauseefläche besitzen, also eine entsprechende Wasseroberfläche bei Vollstau. Bei so einer immensen Anzahl, ist es nicht verwunderlich, dass nahezu alle Talsperren-Arten vorzufinden sind: aus Bruchstein, aus Beton, aus losem Gestein, aus gemischten Materialien, es gibt massive und schlanke Talsperren, mit Gewichtsstaumauer, Bogenstaumauer, Pfeilerstaumauer, klassischem Staudamm und viele/s mehr.

Mensch und Natur im Versuch des Einklangs

Die Erbauung der ersten Staudämme auf der Insel datiert man zurück ins 15te Jahrhundert. Die Versorgung mit Trinkwasser und später dann Wasser für Vieh und Ackerland wurde aber auch mit Hilfe von Brunnen erzielt. Seit jeher wurden quer über die Insel Erdbohrungen unternommen, um an die genuine Flüssigkeit des Lebens zu kommen. Neusten Zählungen zufolge ist Gran Canaria der einzige Ort weltweit, der so viele Bohrungen und Brunnen mit einer Tiefe von 15 bis 400 Metern auf entsprechend kleiner Fläche vorzuweisen hat. Es lassen sich in etwa 3000 auf der gesamten Insel vorfinden.

Ob mit viel oder wenig Niederschlagswasser, sprich leer, voll oder wie aktuell gut gefüllt, ob klein, groß oder riesig, Stauanlagen sind von jeher eindrucksvolle Bauwerke, die durchaus mit Eleganz in ein natürliches Terrain eingegliedert werden können. Wobei solche Bauunternehmungen immer ein gewaltiger Eingriff in die Natur sind und ökologische Auswirkungen unvermeidbar sind.

Jetzt sind wir auf Gran Canaria meilenweit davon entfernt eine Talsperre errichtet zu haben wie China in Jangtsekiang die Drei-Schluchten-Talsperre, das größte Wasserbauprojekt in der Geschichte der Menschheit, nichtsdestotrotz ist eine Stauanlage ausnahmslos eine drastische Intervention in ein funktionierendes Ökosystem. Auf Gran Canaria aber sicherlich alternativlos, zumindest aus heutiger Sicht im Kontext der Bevölkerungsexplosion, der Agrarwirtschaft und dem Energiebedarf.

Eigentlich müsste die Erde ‚Wasser‘ heißen

Der farblosen, geruchlosen und geschmacklosen Hochleistungssubtanz Wasser hat kein anderer Stoff – zumindest auf diesem Planeten – etwas entgegenzusetzen. Wasser ist mit schier unendlichem Abstand sowohl in der Qualität als auch in der Quantität der ultimative Stoff und das wichtigste Lösungsmittel auf der Erde. Es transportiert alles Lebensnotwendige sowohl durch Pflanzen, Tiere und unseren Körper als auch durch Ozeane, Flüsse und Seen.

Im Laufe des Lebens nehmen wir zwischen 55.000 und 65.000 Liter Wasser zu uns, pro Tag über zwei Liter. Wir bestehen zu zwei Drittel aus Wasser. Dreiviertel der Erdoberfläche ist mit Wasser bedeckt. Permanent schweben über 10.000 Kubikkilometer Wasser in der Luft. Tag für Tag nutzen die Pflanzen rund 300 Millionen Tonnen Wasser zur Verdunstung und als Rohstoff bei der Energiegewinnung durch Photosynthese. Wie einst Thales von Milet nach Aristoteles sagte: Das Prinzip aller Dinge ist Wasser; aus Wasser ist alles, und ins Wasser kehrt alles zurück.

Talsperren als wichtigste Bauwerke Gran Canarias

Gran Canaria ist von Wasser umgeben und doch fehlt es oft an allen Ecken und Kanten. Vor allem seit Mitte des letzten Jahrhunderts sahen sich die Insulaner gezwungen das Talsperren-Netz signifikant zu vergrößern, um den steigenden Bevölkerungszahlen und den touristischen Ambitionen Tribut zollen zu können. Ebenso wie die Agrikultur, die damals noch der Wirtschaftsektor Nummer Eins war.

Über die Jahre entstanden quer über die Insel verteilt Talsperren unterschiedlicher Größen und entsprechende Stauseen mit abweichendem Fassungsvolumen. Die erste Talsperre des 19ten Jahrhunderts war die Presa de Pinto in der nördlichen Gemeinde Arucas. Die größte der Kanaren ist die Presa de Soria. Und die erste aus öffentlichen Geldern erbaute war die Presa de las Cuevas Blancas in der zentral gelegenen Gemeinde Valsequillo.

Ein Prachtstück an Staudamm

Letztere Talsperre ist ein wahres weitestgehend unbekanntes Schmuckstück, das sowohl mit aber auch ohne Wasser zu beeindrucken weiß. Obendrein ist das Terrain auf dem sie erbaut wurde gut zu finden und leicht zugänglich. Es ist vor allem auch das Gelände, das diese Talsperre zu einem hinreißenden Ort macht.

La Presa de las Cuevas Blancas liegt auf 1700 Metern und ist damit auf den gesamten Kanaren eine der höchstgelegenen Talsperren. Außerdem ist sie die Einzige auf ganz Gran Canaria, die in eine geschlossene Talsenke konstruiert wurde. Zusätzlich gehört der Staudamm inselweit zu den stämmigsten. Das Fundament ragt über 15 Meter in den Boden hinein und ist somit beinahe so hoch wie der Staudamm an sich, der gute 16 Meter misst. Breit ist das Fundament ganze 20 Meter. Und so kommt es, dass man diesem Staudamm das Prädikat „unkaputtbar“ gegeben hat und archipelweit als stabilstes seiner Art einstuft.

und man bekommt mittendrin (statt nur dabei) den Eindruck in einem ganz eigenen Mikrokosmos zu sein, mit eigener Flora und Fauna, eigener Temperatur, eigenem Klima und eigenen Regeln.

Hier befindet sich einer dieser magischen Orte unseres Miniaturkontinentes Gran Canaria, den man nie und nimmer erwarten würde. Selbst wenn man mit mundpfeifender Wanderslust und dem österreichischen Sprichwort „Ist der Berg auch noch so steil, a bisserl was geht allerweil“ im Ohr, im Zuge einer beherzten (Seelen)Wanderung – stets im Inneren liegt die Kraft - diesen Ort überquert oder umläuft, wird man nicht automatisch die Energie aufsaugen können, die dieser Ort ausstrahlt.

Man muss schon eine Weile innehalten, den Staudamm mutig und ohne Angst überqueren, sich von der Szenerie verzaubern lassen und den Gedanken zulassen, dass man für einen Wimpernschlag der Zeit ganz allein für sich auf diesem faszinierenden Wasserrund ist. Nur für einen Moment. Für einen kurzen Moment der Ewigkeit. Der sogleich wieder verfliegt. Aber nachhallt. Mitunter sogar ein ganzes Leben lang.

Wo befindet sich das Prachtstück?

In der Talsenke neben der GC-130 bei Kilometer 6 versteckt und flankiert von stelzigen Riesen und umgeben von saftigem sprießendem Grün. Mitten im Nirgendwo, weit weg von Strandliegen, (Traum)Schlössern aus Sand und der nächsten Tapas-Bar.    

Rolando G. Suarez