Auf den Kanarischen Inseln ist in den letzten Jahren viel in Infrastrukturverbesserungen investiert worden, sei es in Parks, Schulen, Seniorenzentren, Straßen, Plätze oder in neuen, gediegenen Hotel- und Appartementanlagen.
Dies traf insbesondere für die Touristenhochburgen zu. Immer mehr Menschen sicherten sich ihren Platz an der Sonne, koste es was es wolle - vor allem Ausländer. Das wird am Ausländeranteil von bis zu 47 % evident (siehe Sonderbericht in unserer Ausgabe Nr. 174 vom 1.4.2021)
Dieser ‚Ausverkauf‘ trieb die Wohnungspreise sukzessive in die Höhe, die sich die hiesigen EinwohnerInnen durch das niedrige Einkommensniveau schlicht nicht leisten konnten und können. Denn bei all den Investitionen haben es die Behörden der meisten Gemeinden in den letzten Jahrzehnten verabsäumt, auch in sozial leistbares Wohnen zu investieren. Die Einheimischen, vor allem Jungfamilien, sind gezwungen im größeren Familienverbund auf kleinem Raum zu leben oder als PendlerInnen lange Anfahrten in Kauf zu nehmen. Doch es gibt eine Gemeinde auf Gran Canaria, die in den letzten sechs Jahren als Mekka für normales, leistbares Wohnen avanciert ist und das nicht nur wegen der vergleichbar niedrigen Wohnungspreise. Die Rede ist von Santa Lucía, wo die Einwohnerzahl seit 2006 um 30 Prozent gestiegen ist und damit den ersten Rang hinsichtlich Wachstum einnimmt. Doch womit punktet diese Gemeinde außerdem? Erst im Juli dieses Jahres wurde die neue strategische Positionierung sowie die neue Marke als Touristendestination präsentiert.
Santa Lucía - Mekka für Wohnungssuchende
Das vergleichsweise kleine Gemeindegebiet zieht sich als schmaler Streifen von den bergigen Höhen im Herzen der Insel, wo sich die historische gleichnamige Hauptstadt befindet, hinab zur Küste von Pozo Izquierdo, dem Mekka der Wind- und Kitesurfer. Die Schlucht von Tirajana trennt das Gebiet südwestlich von der Gemeinde San Bartolomé de Tirajana und nördlich durch den Barranco de Balos von Agüimes.
... alte Geschichte und junge Trends
Einer alten Volkslegende nach geht der Name auf die zwei Riesen Tira und Jana zurück. Jana tötete Tira mit einem Stein und als sie der Tat gewahr wurde, entkam ihr ein schrecklicher Schmerzensschrei, wonach Felsen beide begruben und das heute als „Sepultura del gigante“ bekannt ist.
Wasserreichtum in den höheren Gebieten eigneten sich für die Landwirtschaft, die auch heute ein wichtiger Wirtschaftszweig ist. Bekannt ist Santa Lucía vor allem für den Weinanbau, Käse und Oliven. Einst spielte zudem der Tabakanbau, die Salzgewinnung und später der Tomatenanbau eine wichtige Rolle.
Heute ist Santa Lucía die schnellst wachsende Gemeinde der Insel und belegt mit knapp 80.000 EinwohnerInnen den dritten Platz, Tendenz steigend (siehe Tabelle Einwohner auf Seite 24). Wieso ist das so? Aus diesem Anlass trafen wir uns mit Bürgermeister Santiago Rodríguez und der Tourismusverantwortlichen Ana Mayor, um ein höchst aufschlussreiches und interessantes Interview zu führen.
Treffpunkt: Sardinas bei Vecindario
Wir treffen uns in der Ermita de San Nicolás in einem alten Wohnviertel Sardinas bei Vecindario (alias Sardinas del Sur), ein historisches Juwel inmitten dieser wenig bekannten Zone, wo das authentische kanarische Leben vibriert. Eine Wasserfontäne bildet das Zentrum des Kirchplatzes nebenan, der zudem von einer Bibliothek und anderen Gebäuden umgeben ist, wie beispielsweise diesem neuen ‚alten‘ Kulturzentrum. SeniorInnen frönen gut gelaunt dem Leben und genießen einen Plausch im Schatten der riesigen Bäume auf diesem Platz. Herrlich unprätentiös, offen und volksnah ist der Bürgermeister Santiago Rodríguez (siehe Foto o.) sowie sein ganzes Team und es scheint, als ob sie alle kennen und begrüßen die Passanten herzlich. Wir führen das Interview mit dem Alcalde und der Tourismusgemeinderätin Ana Mayor, für welches drei Stühle auf einem kleinen Podest inmitten dieser historischen Wände errichtet wurde.
Gute Argumente für die Gemeinde
Der Alcalde beginnt mit seinen Erläuterungen: „Wir sind eine sehr dynamische Gemeinde und auch stolz darauf, dass wir in den letzten Jahren so viele neue Einwohnerinnen in unserer multikulturellen Gemeinschaft begrüßen konnten. In Santa Lucía leben 108 Nationalitäten in friedlicher Koexistenz, wie beispielsweise aus Argentinien, Kuba, Marokko, und in den letzten Jahren beobachten wir einen starken Zuwachs bei ItalienerInnen. Leistbare Wohnungen zu bieten ist nur ein Teil der Argumente für die Wahl des Wohnsitzes. Viele der Menschen, die in den Touristenhochburgen in Mogán oder San Bartolomé de Tirajana arbeiten oder in den angrenzenden Industriezonen wählen Santa Lucia zum Leben.“
Der Bürgermeister hat Fahrt aufgenommen und geht noch detaillierter in seine Argumente für Santa Lucía ein: „Wir bieten alles, was man zum Leben benötigt. Das Service und Angebot muss proportional mit der Bevölkerung mitwachsen, damit es spannungsfrei bleibt. Wir achten darauf, dass sich in jedem Wohnviertel Kinderspielplätze und Schulen in der Nähe befinden und berücksichtigen sogar unscheinbar wirkende Details. Gibt es Parkbänke zum Ausruhen, Grünzonen zum Erholen, Bibliotheken, Bürgerzentren, Kultureinrichtungen und Ärzte in der Nähe? Unsere geografische Lage ist optimal, nur 10 Minuten zum Flughafen, 20 Minuten in die Hauptstadt oder südwärts nach Maspalomas. Das macht uns auch für Firmen und UnternehmerInnen höchst attraktiv. Zusätzlich betreiben wir für den innerstädtischen Verkehr ein eigenes Busverkehrsnetz mit kurzen Intervallen. Ergo: Wir haben eine ausgezeichnete Infrastruktur und zudem viele Ärzte hier angesiedelt, Tendenz steigend.“
Shoppen bis zum umfallen - hier möglich
Im Einzugsgebiet von Vecindario leben auf knapp acht Quadratkilometer fast 90 Prozent der Bevölkerung und der Bürgermeister fährt fort: „Hervorheben möchte ich die Einkaufsmöglichkeiten, zusätzlich zum C. C. Atlántico. Auf der Einkaufsstraße Avenida de Canarias ist wirklich eine große Vielfalt an Geschäften zu finden. Wir beobachten, dass sich in der letzten Zeit auch in den Seitenstraßen das Angebot dynamisch entwickelt und immer mehr kleine Gewerbetreibende ihr Geschäft eröffnen, was enorm wichtig ist für eine Gemeinde.“
Wir müssen zugeben, dass wir uns selbst vom vibrierenden Leben in dieser Gegend überzeugen konnten, wo uns die Menschen offenherzig gegenüber treten und der Bürgermeister führt aus: „Obwohl wir unterschiedliche Nationalitäten vereinen hatten wir nie ein Integrationsproblem, denn mit Kindern in der Familie geschieht dies quasi von selbst, indem sich die Eltern bei den Schul- oder Sportveranstaltungen ihres Nachwuchses mit anderen unterhalten oder an kulturellen Veranstaltungen teilnehmen. Santiago Rodríguez ist entflammt uns die schönsten Ecken zu zeigen und fährt uns spontan persönlich durch die Gegend, was mich sprachlos macht und so lasse ich mir einige Viertel und Highlights zeigen, wie z. B. die Pferderennbahn, den Barranco, das Drogenentzugszentrum etc.
Strategien für die Zukunft
Landwirtschaft und Viehzucht verliert in den letzten Jahren an Bedeutung, während der Handel enorm zunimmt und zwar sowohl bei Großhandels- als auch Einzelhandelsgeschäften. Wir haben für die Gewerbetreibenden eine Plattform geschaffen, wo sie sich und ihre Produkte selbst platzieren können. Damit wollen wir die Unternehmer bei der Vermarktung bzw. im Vertrieb unterstützen.
Weniger bekannt ist beispielsweise die Algenforschung an der Küste oder die Segelschule an der Muelle von Arinaga. Selbiges gilt für die Entsalzungsanlage bei Pozo Izquierdo.
Unter der Dachmarke „Mancomunidad Ingenio, Agüimes und Santa Lucía“ unterstützen wir uns gegenseitig wirtschaftlich und positionieren uns gemeinsam.
In der Zukunft sehen wir im Ausbau der erneuerbaren Energien durch Windkraftparks und Solarenergieanlagen. Derzeit arbeiten wir an Lösungen für die Stromverteilung.“
Tourismus „neu!“
Santa Lucía ist keine traditionelle Destination für einen Strand- und Badeurlaub und ist eher als Ausflugsziel oder in Nischensegmenten bekannt, wie z. B. beim Landhaustourismus oder für Wanderer. Vermehrt zieht es Sportler an, die sich beispielsweise für sportliche Wettkämpfe oder Veranstaltungen vorbereiten wollen und dies im Winter sogar im Freien tun können. Wir verfügen über optimale Sportzentren In- und Outdoor, die für professionelle Trainings ideal geeignet sind.
Touristen von heute informieren sich bereits vor der Reise gründlich über ihre Destination, was im Sinne einer digitalen Transformation ein Mitgrund für die neue Tourismuswebseite war, die mehrsprachig gelauncht wurde.
Fortsetzung folgt ...
Jedenfalls setzt Santa Lucía auf Nachhaltigkeit im Tourismus. Dementsprechende Konzepte wird uns Ana Mayor in unserem zweiten Teil über Santa Lucía präsentieren, den wir in der nächsten Ausgabe publizieren.
Julija Major
Siehe - Santa Lucía Sehenswertes