Ausgabe Nr.
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J M upload 01.10.2022, Viva Edition 192 | Print article

Wandern zwischen Vulkanen und Weinbergen mit Profi Sofie Hendrikx

Der Herbst ist im Land! Auf Gran Canaria manifestiert sich der ‚Indian Summer‘ ab Oktober, allerdings ganz anders als in Mittel- oder Nordeuropa. Der Sommer ist staubig und färbt die Landschaft in allen möglichen Gelb-, Orange- und Brauntöne. Doch mit den ersten Regenfällen im Herbst saugt der fruchtbare Vulkanboden das „flüssige Gold’ – wie Wasser landläufig genannt wird – auf und hüllt die Insel in einen grünen Mantel.

Pflanzen, die im Sommer Laub abgeworfen haben, um ihn zu überstehen, haben saftig grüne Blätter und die ersten Endemiten beginnen zu blühen. Fast alle einheimischen Bäume sind immergrün. Der erste Regen wäscht den Sommerstaub von ihren Kronen und sie erhalten ihren gesunden Glanz zurück.

Auf Gran Canaria findet sich die typische Herbstlandschaft, wie sie in Nordeuropa bekannt ist, nur in den Kastanienwäldern und zwischen den Weinbergen! Wenn Sie mit dem Rhythmus der Natur wandern, ist der Oktober die ideale Zeit für eine Tour durch die Weinberge.

Herbst ist im Land! Die kanarische Weinproduktion

Die kanarischen Weinbauern geben den Startschuss für die europäische Ernte, die normalerweise ab Ende Juli gelesen wird. In höher gelegenen Regionen, wie z. B. San Mateo auf Gran Canaria oder Villaflor auf Teneriffa, findet die Ernte erst im Oktober statt.

Pflücker kleben wie Herzmuscheln an Kraterrändern, ihre Schuhe begraben unter den vulkanischen kleinen schwarzen Steinen. Die Lese erfolgt meist nachts, um der Hitze zu entgehen und die wertvollen Trauben so frisch wie möglich einzubringen.

Die kanarische Weinernte ist sehr klein, dafür mannigfaltig. Der Archipel produziert jährlich ungefähr 5.000 Hektoliter Wein, wobei Teneriffa den Löwenanteil hat, nämlich mehr als 4.000 Hektoliter. Im Vorjahr hat Gran Canaria 161 Hektoliter produziert, aber das sind Peanuts im Vergleich zu europäischen Weingiganten, wie Italien und Frankreich, die jährlich 4 Millionen Hektoliter in einem Kopf-an-Kopf-Rennen produzieren.

Eine große Vielfalt an Rebsorten

Nach der Eroberung durch die Spanier und mit den ersten Siedlern wurde ein umfangreiches Sortiment europäischer Rebsorten eingeführt. Ihre Produktion diente zunächst dem Eigenbedarf. In der Folge begannen die Kanaren, den Überschuss ihres eigenen Weines zu exportieren, um sich ab Mitte des 16. Jahrhunderts voll und ganz dem Weinbau zu widmen. Die Engländer kauften gierig kanarische Weine, bis der englisch-spanische Krieg die Nachfrage reduzierte und die kanarischen Winzer in die Armut trieb. Mittlerweile waren die portugiesischen Weine wie der Oporto Wein, beliebter als die kanarischen Weine. Darüber hinaus hielt La Casa de Contratación de Sevilla, die auch die Weinexporte nach Amerika kontrollierte, den Archipel im Würgegriff und schränkte den Export sukzessive ein. Ein weiterer Wermutstropfen! Dadurch waren die kanarischen Weinexporte wieder bei null angekommen - ergo: zurück zum Eigenverbrauch.

Als im 19. Jahrhundert die Reblaus die europäischen Weingärten befiel und die Weinstöcke gnadenlos zerstörte, blieben allerdings die kanarischen Weingärten verschont. Halleluja! Auf den Inseln gibt es noch die originalen uralten Rebstämme, während sie in Europa auf einen amerikanischen Rebstamm veredelt wurden, da diese Varianten sich resistenter gegenüber der Laus zeigten.

Landschaft ‚in einer Flasche‘

Die kanarischen Rebsorten sind wie Juwelen aus einer alten Schatztruhe und werden mit Samthandschuhen behandelt. Ihre Namen klinken so alt wie sie sind: Malvasía, Sabro, Bujariego, Gual, Almuñeco, Verdello, Albillo, Negramoll, Listán Prieto, Listán Blanco, … ihr aromatischer Reichtum wird durch den vulkanischen Untergrund noch verstärkt, da dieser dem Wein eine besondere Geschmacksnote verleiht. Pyroklastenströme bedecken den fruchtbaren Boden mit einer Schicht Lapilli. Dies sind schwarze Tefra-Partikel mit einer Größe zwischen 2 mm bis 64 mm. Diese entziehen dem Tau die Feuchtigkeit, behalten diese und vermengt mit einer Fülle an Mineralien werden die Reben sukzessive mit Feuchtigkeit und Nährstoffen versorgt. Die Reben werden in der „tierra madre“ unter den Lapilli gepflanzt, auf Gran Canaria direkt im Boden in „hoyas“ oder „vasos“ und auf Lanzarote in bis zu drei Meter tiefen Gruben „hoyos“.

Die kanarische Weinlandschaft ist aufgrund der geologischen Gegebenheiten ein Fleckenteppich und 45 Prozent der Parzellen auf den Kanarischen Inseln sind kleiner als 0,1 Hektar.

Gran Canaria produziert nicht einfach nur Wein - es bringt die Landschaft in eine Flasche! „Hacemos vinos y embotellamos paisaje“ lautet dieser Slogan auf Spanisch. Während der Wein im Glas tanzt, ist der spanische Slogan Musik in Ihren Ohren. Hier konzentrieren sich die Weinberge um und in Vulkankratern der letzten Eruptionen: Bandama, Monte Lentiscal, Hoya del Gamonal etc. Sie bedecken magere 183,46 Hektar. Fast die Hälfte der Weinberge befindet sich in Naturschutzgebieten. Diesen Trumpf spielen wir bei unseren „Wanderungen zwischen Vulkanen und Weinbergen“ aus.

Auf den Spuren der Ruta del Vino

Die Weinbranche befindet sich im Aufschwung. Mehrere Projekte sind im Gange, um kanarische Weine auf die internationale Weinkarte zu setzen. Das schönste Projekt auf Gran Canaria ist sicherlich „la ruta del vino“; die Gran Canaria Variante der deutschen Weinstraße. Treibende Kraft hinter dem Projekt ist der Kanarier Álvaro González, staatlich geprüfter Reiseleiter und Connaisseur mit starkem Bezug zum Primärsektor. Das Projekt vereint, Winzer, Bodegas, Restaurants mit einer Weinkarte von Kilometer Null, Guides, Beherbergungsbetriebe in den Weinregionen und Bochinches – kleine einfache Restaurants oft ohne Speisekarte, in denen man isst was es halt gibt und wo der Wein in Strömen fließt.

Wanderung zwischen Vulkanen & Weinbergen

Wir beginnen unsere Tour im schönen Dorf Cueva Grande (span. Große Höhle). Es liegt auf einer Höhe von 1350 m und verdankt seinen Namen den vielen Höhlen-Wasserreservoirs. Einige sind unheimlich groß und leer. Gran Canarias höchste Gipfel schützen das kleine Dorf und seine fruchtbaren Lavahänge. Unser Weg beginnt bei der kleinen Kirche in Cueva Grande und führt uns nach La Hoya del Gamonal; ein geschlossenes natürliches Amphitheater mit über 400 Meter hohen Felswänden wo Pinienwälder und Ginster die Flanken bedecken.

Nach dem Besuch von La Hoya folgt der Krater von Camaretas, wo die Wälder sich mit den Weinbergen abtauschen. Erst wenn wir die vertikale Vulkanlandschaft zu unseren Füßen genießen, verstehen wir die harte Arbeit, die die kanarischen Winzer jedes Mal leisten, wenn sie ihre uralten Rebsorten von Hand pflegen und ernten - ganz wie die Vorfahren vor 500 Jahren.          

Sofie Hendrikx

PS. Das komplette Wanderprogramm von Mogán Verde mit Sofie Hendrikx finden Sie als PDF im Anhang zum Download.

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Siehe auch Weinmacher Gabriel Morales Francés über den Boom bei kanarischen Weinen

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