Unauslöschliche Spuren hat der facettenreiche Künstler César Manrique, der “Zeitgenosse der Zukunft”, wie er selbst sagt, auf Lanzarote hinterlassen. 2019 jährte sich sein 100. Geburtstag und aus diesem Grund war sein Wirken Gegenstand vieler Veranstaltungen und Expositionen, wie beispielsweise die Sonderausstellung anlässlich des Jubiläums im CAAM Museum auf Gran Canaria im Vorjahr.
Doch schwenken wir auf seine Geburtsinsel Lanzarote, die er so tief prägte und mit seiner ganzen Leidenschaft vor touristischen Bausünden bewahrte.
Geboren wurde er am 24. April 1919 als Sohn eines Handelsreisenden in Arrecife, der viel von seinen Auslandsaufenthalten zu berichten wußte und vielleicht die Saat für Manriques Fernweh pflanzte. Während des Spanischen Bürgerkriegs (1936 bis 1939) schloss er sich den Putschisten von Franciso Franco an.
Der Beginn - ‚normale‘ Künstlerkarriere
Sein Werdegang deutet auf eine “normale” Künstlerkarriere hin. 1943 studierte er Bauingenieurswesen an der Universität La Laguna auf Teneriffa. Mit 23 zeigte er seine erste Einzelausstellung in Arrecife. Er folgt der Tradition der damals bahnbrechenden informellen Kunst. Danach zog es ihn nach Madrid, wo er an der Akademie für Schöne Künste San Fernando studierte. Nach seinem Abschluss tourten seine Werke durch Europa, Südamerika und die USA. 1965 kam er mit einem Stipendium nach New York und hielt Kontakt zu Künstlern aus der Szene der Op- und Pop Art, kybernetischer Kunst, der Bildhauerei sowie des Abstrakten Expressionismus. Er verehrte Maler wie Picasso, Matisse oder Braque und blieb mit vielen von ihnen zeitlebens verbunden.
In der ersten Hälfte der 1950-er Jahre vertiefte er sich in die nicht-figurative Kunst und erforschte die Qualität der Materie so lange, bis sie begann, die Hauptrolle in seinen künstlerischen Kompositionen zu spielen und er sich auf diese Weise der Bewegung des spanischen ‚Informalismus‘ anschloss. Trotz seiner intensiven Beschäftigung mit der Materie der Felsen und der Abstraktion, wird die Formensprache seiner bildnerischen Produktion dennoch von den Eindrücken der vulkanischen Landschaft Lanzarotes geprägt, die der Künstler in eine Art abstrakten Naturalismus verwandelte, der nicht der Kopie des Natürlichen, sondern einem emotionellen Verständnis entspringt. Er schrieb „Ich versuche, die freie Hand zu sein, die die Geologie formt“.
Im Jahr 1964 zog er nach New York um, wo er drei Mal in der Galerie Catherine Viviano ausstellte. Die direkte Kenntnis des amerikanischen abstrakten Expressionismus, der Pop Art, der Neuen Bildhauerei sowie der kinetischen Kunst übermittelten ihm für seine spätere kreative Laufbahn ein grundlegendes visuelles Allgemeinwissen.
Mit 47 Jahren zog es ihn zurück in seine Heimat – für ihn der „schönste Platz des Planeten”. Ihn treibt ein Gedanke: aufzuzeigen, dass dies seine Heimatinsel ist bzw. sie dazu zu verwandeln. Die Zeit beweist, dass es sich nie an seinen Worten zweifeln ließ ...
Damals steckte der Tourismus auf den Kanaren noch in den Kinderschuhen. Es zeichneten sich allerdings erste Bausünden ab und kaum jemand ahnte, wie sehr der Massentourismus den kanarischen Archipel überrollen würde. Lanzarote wollte auch einen Teil vom Tourismus-Kuchen, wurde aber stiefmütterlich behandelt. Die „Konkurrenz“ hatte mehr zu bieten. Mit der Vegetation auf La Gomera, El Hierro oder La Palma, den Sandstränden Fuerteventuras und dem Miniaturkontinent Gran Canarias oder dem höchsten Berg Spaniens, dem Teide auf Teneriffa, konnte die ‚Feuerinsel‘ nicht mithalten. Sie galt als das kargste kanarische Eiland mit bizarrem Lavagestein. Welcher Gedanke lag näher, als sich dieses „Manko” zunutze zu machen?
Sein Credo: Kunst-Natur/Natur-Kunst
Manrique erfand sich neu und entwickelte eine Ideologie, mit der Lanzarote zu einem attraktiven Urlaubsziel wurde. Zur Verwirklichung seiner Vision gewann er Manrique José Ramirez für seine Ideen. Ein kluger Schachzug: Ramirez ist nicht nur ein Freund der Familie, er war auch Inselpräsident. Manrique unternahm alles, um die kulturelle Identität zu erhalten und mit möglichst wenig Eingriffen in die Naturschönheit diese gleichzeitig künstlerisch hervorzuheben. Er zelebrierte einen respektvollen Dialog mit der Natur, die sich in seinen Werken auch als Werkmaterial widerspiegelte. Erde, Ton etc. fanden in seinen überdimensionalen dramatischen Gemälden ihren Platz. Manrique war auch als Designer von Tapeten, Stoffen und Labels tätig und versuchte sich auch bei Keramiken (siehe Fotos aus der Sonderausstellung CAAM).
Seine Mission: Soziales Gewissen, Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein
Manrique insistierte, dass nur noch die traditionelle Bauweise zugelassen wurde und auf mehr als zweistöckige Bauten zu verzichten. 1968 geht der Plan auf. Bausünden und Reklametafeln auf Lanzarote gehörten der Vergangenheit an. Manrique
galt nicht nur als angesehener Künstler, er konvertierte zum Umweltaktivis
ten und besuchte Demonstrationen, u. a. 1988, als ein Hotelkomplex am Pocillos-Strand entstehen sollte, mit dem Banner ”Der Strand gehört uns“.
Manrique lebte in einer eigenen Welt und empfing regelmäßig Studien- und Künstlerkollegen in seinem Domizil. Inspiration und Kraft tankte er bei ausgedehnten Spaziergängen auf der Insel mit der bizarren Vulkanlandschaft und immer dabei sein getreuer Hund.
Über sein Privatleben weiß man wenig. Es gibt nur eine Fotografie (siehe Foto sw vorige Seite) mit seiner langjährigen Lebensgefährtin, die aufgrund schwerer Krankheit zu früh verstarb und er sollte danach keine Beziehung mehr eingehen. Auch Manrique sollte ein tragisches Ende finden.
Bewegtes Leben - dramatischer Tod
Sein Tod bei einem Verkehrsunfall mit seinem Jaguar bei der berüchtigten Kreuzung von Arrieta am 25. September 1992 erschütterte die Insel. Heute erinnert ein Kreisverkehr mit dem Windspiel «Veleta» an den Universalkünstler und weist den Weg zu seiner Stiftung. Manrique ist auf dem Friedhof von Haría ganz unspektakulär und in aller Bescheidenheit beigesetzt: ein Lavastein mit Inschrift, ein Kaktus und eine Palme.
Sein Nachlass: Ethische Umweltplanung
Auf Lanzarote kommt man um César Manrique nicht herum. Der Facettenreichtum seines Schaffens manifestiert sich vielerorts. Windspiele, Skulpturen, Gebäude, Ortschaften bis hin zu Labels bzw. Corporate Designs für Bodegas. Er wollte sozusagen alles aus einem Guß.
Sein Timanfaya-Teufel vor dem von ihm entworfenen Timanfaya-Restaurant in den Feuerbergen ist das inoffizielle Wahrzeichen der Insel geworden. Seinem architektonischen Nachlass kann man am ehesten so beschreiben, dass er Vorhandenes nutzt und ästhetisch bereicherte ohne die Substanz grundlegend zu verändern. Dies ist beispielsweise bei seinen Domizilen der Fall, in der Vulkanschlote, Lagunen, Felswände etc. gekonnt in Szene gesetzt sind.
Belohntes Engagement und UNESCO
Zu Lebzeiten erhielt Manrique zahllose Auszeichnungen, u. a. 1978 den Weltpreis für Ökologie und Tourismus in Berlin. Er ist Ehrenbürger von Lanzarote und Gran Canaria. Manrique konnte seinen grössten Erfolg nicht mehr erleben: 1993 die Ernennung Lanzarotes von der UNESCO zum Biosphären-Reservat. 2015 wurde Lanzarote mit den Chinijo-Inseln (La Graciosa, Montaña Clara, Roque del Oeste, Alegranza) das Prädikat „UNESCO Global Geopark” gewürdigt.
Posthum zum 100. Jahrestag erfuhr er einen Ritterschlag. Das spanische Ministerium ordnete im März 2019 die Umbenennung des Flughafens Lanzarote von Guacimeta auf César Manrique an.
Unauslöschbare Spuren
Manrique hinterließ nicht nur auf Lanzarote Spuren, u. a. auch im Shoppingcenter Vaguada in Madrid, dem Meeresschwimmbad Lago Martiánez in Puerto de la Cruz auf Teneriffa oder den Aussichtspunkten Palmarejo auf La Gomera und La Peña auf El Hierro. Sein Nachlass beinhaltet ”La Mareta”, ein für die Öffentlichkeit nicht zugängliches Anwesen in Costa Teguise. ES wurde Ende der 70er Jahre für den jordanischen König Hussein erbaut und von Manrique modelliert. Ende der 80er Jahre wurde es an König Juan Carlos I übergeben. Heute befindet sich die Königliche Residenz in der Verwaltung des spanischen Staats als nationales Kulturerbe.
Wer alles über Manrique, seine Werke und sein Leben erfahren möchte: bis zum 26. April 2020 läuft eine große Austellung in der „Fundación César Manrique“ (siehe Ausstellungen)
Top 10 Manrique Erbe auf Lanzarote
• Jameos del Agua (1966 - 1968): Vulkanröhre mit Kulturzentrum und Auditorium (1977). Im Lavasee sind die endemischen, blinden Albino-Krebse zuhause.
• Casa Museo del Campesino (1968): Bauernmuseum und ehemaliger Wohnsitz in Mozaga, mit der Fruchtbarkeitsskulptur ”Fecundidad”.
• Taro de Tahíche (1968): Ehemaliges Wohnhaus in Tahíche, heute Stiftungssitz.
• El Diablo (1970): «Teufels»-Restaurant im Timanfaya-Nationalpark.
• Mirador del Río (1973): Aussichtspunkt mit Restaurant auf dem Kliff von Fámara mit Panoramablick auf das Chinijo-Archipel.
• El Almacén (1974): Kulturzentrum in Arrecife
• Castillo de San José (1976): Burg in Puerto Naos in Arrecife, auf Initiative von Manrique restauriert und mit dem Museum für zeitgenössische Kunst (MIAC) ausgestattet.
• Las Salinas (1977): Hotel in Costa Teguise mit von Manrique gestalteten Außenanlagen und Lava-Wandbild.
• Casa-Museo César Manrique (1986) - Wohnhaus mit Palmengarten in Haría
• Jardín de Cáctus (1991): Kakteengarten bei Guatiza mit Windmühle