Wie schnell das ökologische Gleichgewicht aus den Fugen gerät und wie dramatisch sich die Biodiversität in nur 25 Jahren verändern kann, das veranschaulichen die Bioinvasoren - Kalifornische Kettennatter (Culebra Real).
Ihr eigentliches Habitat ist Mexiko bzw. die öden Wüstengegenden Mittelamerikas und bis Ende der 1990-er gab es keine Nattern bzw. überhaupt keine Schlangen auf den Kanaren.
Chronologie eines Dramas
• Im Jahr 1998 wurde erstmals im Barranco de Telde eine Kalifornische Kettennatter (Lampropeltis getula californiae) gesichtet1) und die Aufregung unter der Bevölkerung war groß. Die Behörden vermuteten, dass sie aus einem illegalen Terrarium eines verantwortungslosen Halters entflohen oder gar absichtlich in die freie Natur entlassen wurden.
Leider fand dieses Kriechtier auf Gran Canaria geradezu paradiesische Lebensbedingungen vor: Fehlende natürliche Fressfeinde, ein ideales Klima zur mehrmaligen Reproduktion während dem Jahr und zudem überaus reichlich Nahrung. Das alles führte zu einer explosionsartigen Vermehrung.
• Obwohl schon bald ein speziell eingesetztes Team begann, die scheuen und ungiftigen Schlangen zu suchen und einzufangen, verbreiteten sie sich unaufhörlich.
• Das Jahr 2007 wurde schließlich offiziell als Einbürgerungsjahr erklärt. Ergo: Die Chancen sie aus der heimischen Natur zu entfernen sind nicht mehr gegeben.
• Im Jahr 2011 wurde die EU zu Hilfe vor diesen Bioinvasoren gebeten und das Projekt Life+ Lampropeltis wurde initiiert, ein grenzübergreifendes Biokollegium.
• Leider gelten inzwischen die endemischen Echsen auf Gran Canaria als ausgerottet. Der Grund dafür ist, dass sie und ihre Eier von Schlangen gefressen werden und sie gegen die Kalifornische Kettennatter über keinerlei natürliche Abwehrmechanismen verfügen.
• Eine im Dezember 2021 veröffentlichte entsprechende Studie3) über die Situation der endemischen Reptilien bestätigt, dass deren Bestand durch die Bioinvasoren dramatisch zurückgegangen ist.
Konkret angeführt wurden:
- Gestreifter Kanarengecko (Tarentola boettgeri): Bestand auf - 52,2 % mehr als halbiert;
- Gran Canaria Kanarenskink (Chalcides sexlineatus): Rückgang um -88,6 % und somit stark gefährdet;
- Gran Canaria Rieseneidechse (Gallotia stehlini): -99,6 % und damit fast ausgerottet
Das alarmierende Ergebnis: Wo die Kettennatter auftritt, verschwinden die Echsen und inzwischen gelten sie auf Gran Canaria als ausgerottet.
• Mit dem Projekt #stopculebrareal wurden auf Gran Canaria im Vorjahr 2.675 Schlangen, nicht zuletzt dank den Hinweisen aus der Bevölkerung, gefangen.
Schlangenjagd mithilfe Hunden
Mit dem im Vorjahr initiierten Projekt Mercalaspalmas versuchen die Behörden zu verhindern, dass sich die Kalifornische Kettennatter auch auf andere Inseln ausbreitet, indem sie beispielsweise als ‚blinde Passagiere‘ mit Warenlieferungen auf Fähren oder mit dem Flugzeug ‚verreisen‘. Die Hunde sollen die exotischen Tiere aufspüren, insbesondere beim Personen- und Warenverkehr (z. B. während der Einfahrt von LKWs auf Fähren).
Mit der Ausbildung von zwei Hunden wurde vor einem Jahr begonnen. Es handelt sich um Russel, einen belgischen Schäferhund, und Mamba, eine Mischung aus Golden Retriever und Labrador.
Außerdem sollen Doppeltrichterfallen als ergänzende Maßnahme in bestimmten Bereichen installiert werden.
Meldung bei Schlangensichtungen
können telefonisch über die Rufnummer 608 098 296 oder 112 gemeldet werden und über die mobile App #STOPCULEBRAREAL sowie über die Internetseite
www.stopculebrareal.com
Steckbrief:
Kalifornische Kettennatter
Bei der Culebra real de California (Lampropeltis getula californiae) handelt es sich um die am weitesten verbreitete Art der kalifornischen Schlangen. Bei uns wird sie als Kalifornische Kettennatter bezeichnet. Sie erreicht eine Länge von 120 bis 180 Zentimetern. Der Kopf ist vom Hals kaum abgesetzt. Die Grundfarbe ist dunkelbraun bis schwarz mit weißen oder gelben Querbinden. Es gibt bis zu 70 verschiedene Färbungsvarianten der Längsbänder und Querbinden. Allerdings gibt es auch häufig natürliche Mutationen als Albinos, die auf Gran Canaria sehr häufig vertreten sind.
Ihr bevorzugter Lebensraum ist sehr weitschichtig und reicht von Wiesen, Gestrüpp, Wäldern und feuchten Zonen, wie z. B. Flussbett, bis hin zu felsigen und wüstenähnlichen Gegenden. Hauptsächlich wurden die Nattern auf Gran Canaria unterhalb von 900 Metern gesichtet, kommen aber sonst in Höhen bis zu 1.800 Metern vor. Vermehrung: Sie legen zwischen drei und 24 Eier.
Normalerweise sind es scheue und zahme Tiere. Wenn sie sich bedroht fühlen und nicht fliehen können, dann verspritzen sie eine Flüssigkeit. Sie beißen nicht und sind nicht giftig!
Sie ernähren sich vorwiegend von Reptilien, kleinen Vögeln, deren Eier und kleinen Säugetieren. Ihre Beute nehmen sie anhand deren Bewegungen und mit ihrem Geruchssinn wahr, die sie entweder an Steinen oder an Wänden erdrücken oder sich um sie schlängeln und erdrosseln. Nach zwei Jahren sind die Nattern geschlechtsreif.
Noch mehr Infos über die Kalifornische Kettennatter auf Gran Canaria:
www.lifeampropeltis.es
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Verweise (siehe www.viva-canarias.es)
1)Viva Canarias Nr. 50 vom 5.8.20218 - Schlangen? Bioinvasoren gefährden heimische Tierarten
2)Viva Canarias Nr. 192 vom 1.10.2022 - Schlangenexplosion auf Gran Canaria
3)Viva Canarias Nr. 184 vom 1.2.2022 - Bioinvasoren gefährden Endemismen
4)Viva Canarias Nr. 187 vom 1.5.2022 - El Hierro: Rettung eines Urzeitbewohners: Lagarto Gigante