Ausgabe Nr.
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J M upload 20.08.2018, Viva Edition 132 | Print article

500 Meter faszinierendes Urgestein im Barranco de las Vacas

Eigentlich freuten wir uns auf einen entspannten Sonntag in unserem gemütlichen Bungalow im Campo International, als kurz nach dem Frühstück unser Telefon klingelte. Eine liebe und langjährige Freundin unserer Familie, fragte, ob wir an diesem, von Wolken durchwachsenen Januarsonntag, nicht doch Lust auf einen kleinen naturgeschichtlichen Ausflug hätten. Nach kurzer Rücksprache mit meiner Frau Birgitta haben wir uns kurzentschlossen auf den Weg zu Juanalina und ihrem Mann Alfonso nach Ingenio gemacht. „…und vergesst bloß nicht festes Schuhwerk und eine Regenjacke!“ ermahnte uns Juanalina noch. 

Ordnungsgemäß ausgestattet, machten wir uns auf den Weg nach Ingenio. Natürlich einschließlich Kameras, verschiedener Objektive und einem Stativ, denn mit Juanalina, einer pensionierten Schuldirektorin, auf Gran Canaria unterwegs zu sein, heisst in der Regel, Orte zu besuchen oder Dinge zu sehen, die nicht jeder Tourist zu sehen bekommt. Und das wollte ich natürlich fotografisch dokumentieren.

Kaum in Ingenio angekommen, stiegen Junanalina und ihr Mann sogleich zu uns in den Wagen und dirigierten uns weiter nach Agüimes. Kurz bevor die Hauptstraße dort im Zentrum wieder links bergab führt, wiesen sie uns an, rechts der GC 550 Richtung Santa Lucia zu folgen. Eine Straße, die wir trotz 20-jähriger Inselkenntnis tatsächlich noch nie befahren haben. In den für die Insel so typischen Serpentinen schlängelt sie sich stetig ansteigend in die beeindruckende Gebirgswelt Gran Canarias. Nach ungefähr 5 Kilometern, bei Kilometer 14 und rund 500 Metern ü.N.N., steuerte ich unseren Wagen nach einer spitzen Rechtskurve weisungsgemäß auf einen kleinen Parkplatz, der sich gleich links hinter dieser Kurve befindet. 

Allein das Parken dort war schon ein abenteuerlicher Einstieg in das, was noch kommen sollte. Die steinige und leitplankenlose Fläche bot staubigen Platz für gerade einmal vier Fahrzeuge - und dahinter ging es gleich steil bergab in den Barranco de Las Vacas. Von diesem „Parkplatz“ aus führte uns Juanalina nun flinken Schrittes rund 50 Meter bergab in das trockene Bett des Barrancos, der bei stärkerem Regen wohl auch richtig Wasser führen soll. „Naja…“ dachte ich still bei mir, „..auf den ersten Blick sieht es hier ja aus, wie in jedem anderen Barranco der Insel. Wozu habe ich bloß meinen ganzen Kamerakram mitgenommen?“ - stapfte aber weiter brav Juanalina, Alfonso und meiner Frau hinterher.

Doch als wir uns nach wenigen hundert Metern einem kleinen Tunnel näherten und diesen durchquerten, spürte ich, dass es langsam spannend werden würde. Rund 20 Meter über uns verläuft die GC 550 weiter Richtung Temisas und links und rechts von uns veränderten sich die Felswände zusehends. Immer glatter werdende, in tausenden von Jahren ausgewaschene Gesteinsformationen verdrängten die sonst so typischen Geröll- und Felshänge. Auch wurde dieses Tal immer schmaler, die steilen Seitenwände dafür höher und höher. Es fühlte sich an, als wenn wir in einen steinernen Trichter hineinklettern würden, der sich langsam über uns schließt. 

Mit Blick auf den schmalen Streifen Himmel, den wir so gerade noch über uns erkennen konnten, mussten wir zudem feststellen, wie sich langsam dunkelgraue Wolken zusammen zogen. Kurz darauf fielen schon die ersten Tropfen - nicht gerade ideal, um schöne Fotos zu machen. Auch mussten wir nun verstärkt aufpassen, beim Klettern und Überwinden der zum Teil wirklich großen Felsbrocken auf dem nassen Gestein nicht auszurutschen. Es wurde eine zunehmend anspruchsvollere Wanderung, auf leider immer nasser werdendem Untergrund. Doch das geradezu surrealistisch wirkende Szenario ließ uns das nicht so gute Wetter völlig vergessen. 

Es wird enger und die Felswände höher

Nach rund 500 beeindruckenden Metern war unser Weg dann leider zu Ende. Hinter einer letzten ‚Rechtskurve‘ erreichten wir den höchsten Punkt dieser kurzen aber faszinierenden Wanderung. „Wie ein trockengelegter Meeresboden in der Tiefsee, mit einem Hauch von ‚Dschungel-Camp-Atmosphäre.“ sprach meine Frau gleichermaßen schmunzelnd wie beeindruckt. Wenige Schritte vor uns liefen die seitlich Felswände zu einem Halbrund zusammen, über das bei Regen an dieser Stelle ein rund 15 Meter hoher Wasserfall in den Barranco nieder stürzt. 

Faszinierend, dass alleine durch Wasserkraft diese wunderschönen und geologisch höchst spannenden höhlenartigen Auswaschungen entstanden sind. In Jahrtausenden hat hier die Wasserkraft das Urgestein vulkanischen Ursprungs glatt gewaschen und diese farbenprächtigen Tuffsteinformationen entstehen lassen. Der Barranco de Las Vacas im Westen Gran Canarias ist sogar bei nicht so gutem Wetter unbedingt einen Ausflug wert!

Dirk Holst
(Text und Fotos)

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Anm. d. Red.: Dirk Holst ist ein professioneller Fotograf und Gran Canaria Fan, der uns diesen wunderbaren Artikel zur Verfügung gestellt hat. 

www.grancanariafoto.com