Wir besuchten Vicente Santana Sánchez (Foto links) auf seiner Finca, um dem Geheimnis des Anbaus ein wenig auf die Spur zu kommen. Die Fahrt führt uns durch die Fataga-Schlucht und auf sehr gut ausgebauten Straßen in sanften Kurven hoch bis zur Gemeindehauptstadt San Bartolomé, die von den Einheimischen nach wie vor Tunte genannt wird.
Die Fahrt ist wie immer in dieser Gegend ein wahres Vergnügen und bietet viele abwechslungsreiche und wunderbare Ausblicke auf die umliegenden Dörfer, Schluchten, Kiefernwälder und zerklüfteten Berghänge. Angekommen heißt uns schließlich der 76-Jährige willkommen und bittet uns „Niñas“ ihm zu folgen. (Anm.: Fast fühle ich mich in Anbetracht meines Alters bei diesen Worten verlegen und muss schmunzeln.) Er reicht uns seine riesige Hand, die ich nicht annähernd umfassen kann. Viel harte Arbeit haben diese Hände im Laufe seines Lebens leisten müssen, doch seinem lustigen Gemüt ist das nicht anzumerken. Ohne Umschweife beginnt er die Tour durch sein Anwesen, auf dem er über 1.500 Aprikosenbäume gepflanzt hat und schon seit jeher sich mit den „Albaricoques“, wie die Aprikosen in Spanien genannt werden, beschäftigt.
Wir sind gerade rechtzeitig gekommen, denn die meisten Aprikosensorten sind schon geerntet und die letzten Bäume stehen in den kommenden zwei Wochen an.
Die Ernte liegt in Gottes Hand - und der des Klimas
Wir blicken durch die endlos erscheinenden Baumreihen. 1.500 davon hat der Aprikosenbauer. Viele Äste biegen sich geradezu unter der Last der vielen Früchte. „Dieses Jahr wird ein gutes Jahr“, erläutert Vicente, als ob er meine Gedanken lesen kann. Jene, die von alleine runterfallen, bleiben liegen. Der Landwirt führt aus: „Die können nicht mehr für den Markt angeboten werden. Fast 100 Prozent der Ernte geht an die lokale Agrikulturgenossenschaft (Cooperativa Agricultura) und von dort geht es zum zentralen „Mercado de Gobierno de Canario“ (GMR) wo die weitere Verteilung erfolgt. Die Bauern erhalten um die 80 Cent pro Kilogramm und wenn man die Preise im Supermarkt bedenkt, dann kann man seinen wehmütigen Blick an dieser Stelle nachvollziehen, zumal viel Arbeit dahintersteckt.
Erntezeit ... alle müssen anpacken
Die Ernte ist die härteste Arbeit, wie er uns erklärt. „Denn wenn es soweit ist, dann muss es sehr schnell gehen“, und führt fort: „Dann helfen alle mit, Tag und Nacht. Gott sei Dank helfen ihm auch seine vier Kinder, denn ohne ihre Hilfe wäre das nicht zu schaffen. Ansonsten gehen sie anderen Berufen nach, denn „die Jugend will heutzutage nicht mehr in der Landwirtschaft arbeiten“.
Jede Aprikose wird, solange sie am Baum hängt, von Hand geerntet und quasi manuell überprüft. Die Früchte werden in der Garage vorsortiert und dann in den seit zwei Jahren von der Inselregierung gesponserten Kartons verpackt. Bei einer Menge von um die 20.000 Kilogramm pro Jahr eine mühsame Arbeit, wie man sich vorstellen kann. Wie die Ernte letztendlich ausfällt, ist immer ein gewisses Lotteriespiel. Der Aprikosenanbau ist aufwändig (Anm.: Man schätzt dass fünf bis zehn Prozent der Pflanzen ausfallen). Es kommt auf die richtige Mischung aus Wasser und Klima an, damit die Bäume Früchte tragen. Wir wollen noch mehr Fakten über den Aprikosenanbau und besuchen Juan Carlos Goméz (Foto rechts), den Ingeniero Agrícola für die Gemeinde San Bartolomé. Sein Büro liegt im ersten Stock des Mercado Municipal San Fernando de Maspalomas und quillt über mit Stapeln von Papieren, Postern, Schulungspläne sowie Agrarprodukten (Olivenöl, Weine etc.).
Viel Sonne, Kälte und optimal Wasser
Die demografischen Gegebenheit im Gemeindegebiet sind für die große Vielfalt an landwirtschaftlichen Produkten verantwortlich. In den unteren Lagen „Baja“ im Süden herrschen subtropische Bedingungen, die ideal für den Anbau von Mangas, Avocados, Papayas und Bananen sind. Bei den Zitrusfrüchten sind es vorwiegend Limonen, Orangen und Mandarinen, die gepflanzt werden. In den mittleren Regionen dominieren Olivenbäume.
Die Aprikosen benötigen besonderer klimatischer Bedingungen. Sie lieben sandigen Boden, feucht, aber es darf nicht zu nass sein. Am wichtigsten ist jedoch neben viel Sonne, dass es gleichzeitig kalt ist. Das ist ein kritischer Faktor in der frühen Wachstumsphase im Winter. Nur dann entwickeln sich im Frühjahr die Blüten voll aus, ohne zu verkümmern. San Bartolomé verfügt über die besonderen klimatischen und demografischen Gegebenheiten auf den Kanaren, die den Anbau hier ermöglichen. Der Grund liegt u. a. in der Höhenlage auf 800 Metern, viel Sonne und gleichzeitig niedrigen Temperaturen im Winter.
Diese benötigen sie einige Stunden am Tag. Diese Umstände erklären, warum auf den Kanaren gerade (bzw. fast ausschließlich) hier Aprikosen angebaut werden. Die jährliche Erntemenge liegt bei 350 Tonnen und auch Juan Carlos erwartet ein gutes Erntejahr 2013.
Die Gemeinde arbeitet intensiv an einer gemeinsamen Vermarktungsstrategie sowie der Sicherstellung der hohen Qualität. Dies erfolgt durch regelmäßige Besuche der Fincas durch die Agrarexperten, die den Landwirten mit Rat und Tat zur Seite stehen.
Schulungskonzepte für eine hohe Qualität
Andererseits sind es Schulungen, die im Verantwortungsbereich von Juan Carlos Gomez Aranda liegen. „San Bartolomé de Tirajana ist die Gemeinde mit den meisten Schulungen in den letzten beiden Jahren“, erfahren wir nicht ohne Stolz.
Er entwirft die Kurse, kümmert sich um die entsprechenden Gastredner und Schulungsleiter (falls erforderlich). Juan Carlos koordiniert alles mit den Bauern und das mit akribischer Geduld. Natürlich verfügt man über eine Webseite, doch die meisten Landwirte sind mit der Verwendung des Internets nicht so sehr vertraut. Da heißt es dann tagelang den einen nach dem anderen anzurufen, von Hand.
Während uns das Juan Carlos schmunzelnd erzählt, zeigt er uns sein „Nummernheft“, dass Namen über Namen enthält und das er bei jedem Kurs durcharbeitet. Da Aprikosen sehr anfällig auf Schädlinge sind (ihr größter Feind ist die Mittelmeerfruchtfliege, lat. Ceratitis capitata), unterstützt die Gemeinde mit dem Know-How ihrer Experten auch in diesem Bereich. Aufgrund des warmen Klimas haben die Kanaren mit viel mehr Schädlingen zu kämpfen als beispielsweise Festlandspanien, wo im Winter naturgemäß viele sterben.
Ziel ist es weitestgehend Maßnahmen zu setzen, die den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln (Fitosanitarios) gänzlich unnötig machen. Bewährt hat sich u.a. der Einsatz von sogenannten „Mosqueros“, die an alle Landwirte verteilt wurden. In den Behältnissen (siehe Foto) locken Duftstoffe die Schädlinge an und so bleiben die Pflanzen üblicherweise von einem Befall verschont.
Auf der Versuchsfarm „Finca Tirajanas“ untersucht die Gemeinde darüber hinaus, welche Sorten mit den lokalen Gegebenheiten besser klar kommen.
Die Zukunft: Transformation vom Produkt zum Erzeugnis
Ein großes Ziel ist auch die Transformation vom Produkt hin zu seinen Erzeugnissen. Derzeit gehen fast hundert Prozent direkt an die Märkte. Das bedeutet, eine kurze Zeit gibt es plötzlich viele Aprikosen, der Markt ist überschwemmt und die Preise fallen, worunter die Bauern zu leiden haben. Daher will man vermehrt die Landwirte dazu bringen, ihre Aprikosen weiterzuverarbeiten.
Erst vor kurzem fand eine Schulung zur Herstellung von Konfitüren und Kompotten statt. Dadurch sind die Produkte länger haltbar, länger am Markt und vor allem sind größere Gewinnspannen für die Bauern möglich. Der Anspruch der Gemeinde ist, die beste Qualität zu bieten und genau daran wird seit zwei Jahren hart gearbeitet.
Wir freuen uns schon für Sie die Geheimnisse rund um das hier gewonnene Olivenöl lüften zu dürfen - doch das ist eine andere Geschichte (siehe Bericht)
Aprikosensorten in San Bartolomé de Tirajana
Currot Mayero (Temprano): kleinste Sorte und wird als erste reif
Currot Tardío: bester Geschmack
Sayeb: am weitesten verbreitet
Rojo Tardío
Canino (Carricera): ideal für Marmelade oder Konfitüren
Erntezeit geht von April bis Ende Juni.
Seit zwei Jahren stellt die Inselregierung Kartons im Zuge einer einheitlichen Vermarktungsstrategie zur Verfügung, ebenso wie sog. „Mosqueros“, die als ökologische Insektenschutzmittel die Pflanzen vor Schädlingen schützen sollen.
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Siehe auch
Guave: Von den amerikanischen Tropen auf die Kanaren
Avocados - immer ein Leckerbissen
Avocados: Grünes Gold der Kanaren
Erfrischende Vitamin-Granate: Granatapfel
Telde - die Hochburg der Naranjas, die besten Orangen der Welt
GANZ Feige: Die sinnliche Versuchung
Kaktusfeigenpüree, der Star zur knusprigen Entenbrust