Ausgabe Nr.
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J M upload 27.03.2019, Viva Edition 150 | Print article

Blauer Natternkopf, eine Wanderroute zum Verlieben

Als echtes ‚Mädl vom Land‘ liebe ich die Natur, verabscheue aber Sport - eine unglückliche Kombination, wie jeder Wanderer bestätigen wird. Leider gibt es  kaum Strecken, die sich ebenerdig durch die Landschaft ziehen und schon gar nicht, wenn man zudem auf Panoramaausblicke ‚scharf ist‘. Das Gemeindegebiet von Valsequillo ist nicht ohne Grund eines der beliebtesten Gegenden für Wander- und Naturliebhaber. Und er hat einen ganz besonderen Schatz, der es Wert ist erkundet zu werden!

Von der „Ruta de Tajinaste azul“, also der Route der blauen Natternköpfe, habe ich schon oft gehört und glücklicherweise habe ich sie dieses Jahr zur Blütezeit begehen können. Die Pflanzen wachsen in einer Höhe von 700 bis 1.500 Metern und die Hochburg dieser Pflanze liegt im Gemeindegebiet von Valsequillo, das wir Ihnen einschließlich der Geschichte und der Sehenswürdigkeiten in unserer letzten Ausgabe vorgestellt haben.1)

Alle guten Dinge sind drei

Nun gut, meine beiden ersten Anläufe haben nicht geklappt. Beim ersten Versucht fand ich nicht zum Startpunkt dieser Route, da mich mein geliebtes „Google Pünktchen“ unbarmherzig im Stich gelassen hat und ich nach zwei Stunden Irrfahrten aufgegeben habe.

Beim zweiten Mal brach ich frühmorgens auf, doch war die Kleidung nicht adäquat. Wie ein argloser Tourist bedachte ich die möglichen Temperaturstürze, die sich durch die großen Höhenunterschiede ergeben, nicht. Es hätte mir garantiert keine Freude gemacht bei 15 °C zu frieren.

Nun aber, am 22. März, passte beim dritten Anlauf alles. Temperatur, Wetter, Kleidung und jede Menge gute Entdeckerlaune. Mein Hündchen Juan hat immer großes Vergnügen mich auf solchen Touren zu begleiten, wenngleich ich mich immer wundere, wie er das mit seinen kurzen Beinchen ohne Murren und bar jeglicher Müdigkeitserscheinungen schafft. Im Gegenteil: Nach einer Stunde in der Natur überzieht eine Art ‚dämlich irres Dauerlächeln‘ sein Gesicht. Er gerät geradezu in Stress, all die neuen Düfte in der freien Natur zu ‚erschnüffeln‘.

Die meiner Meinung nach bequemste und schönste Anfahrt beschreibe ich Ihnen hier kurz. Sie ist angenehm zu befahren und steigert sich hinsichtlich Ausblick und Gegend mit jedem gefahrenen Kilometer. Das Motto könnte lauten: Es beginnt unspektakulär und steigert sich zu einem wunderbaren Augenschmaus.

Stop & Go: Die Anfahrt

Falls Sie irgendwie die Möglichkeit haben, diese Tour während der Woche zu unternehmen, tun Sie es!  Auf der ganzen Strecke haben wir kaum ein Fahrzeug gesichtet. Ideal ist, wenn Sie beispielsweise um 9.00 Uhr morgens aufbrechen - es ist, als ob Ihnen die Welt gehört. Zudem ist diese Strecke dann nicht von Motorradfahrern mit Todessehnsucht oder mit den sogenannten ‚Sonntagsfahrern‘ okkupiert.

Unsere Anfahrt: Von der Autobahn GC-1 in nördlicher Richtung bogen wir auf der Ausfahrt Nr. 18 in Richtung Agüimes/Ingenio ab, fuhren durch Agüimes und folgten der Straße GC-120 bis Ingenio. Erst, als wir dort nur noch rechts oder links fahren konnten, wählten wir letzteres in Richtung des Landesinneren. Ab nun ging es stetig bergauf und man muss lediglich der GC-125 folgen bzw. konnte sich super an den Hinweisschildern Tejeda orientieren.

Je höher sich diese gut ausgebaute Straße schlängelte, desto üppiger wurde die Vegetation und schöner wird der Ausblick. Ein Filmregisseur könnte sich keine bessere Dramaturgie ausdenken. Selbst mein Fotograf Eric Jan de Ruiter, der mit mir schon einige schöne Plätze erkundet hat, war von der Schönheit überwältigt, weshalb wir für diese Strecke, die normalerweise bequem binnen 60 Minuten zu schaffen ist, aufgrund der vielen Fotostopps 90 Minuten benötigten. Bunte Blumenwiesen, leuchtend roter Klatschmohn und dicht bewachsene Berghänge … Im letzten Stück tauchten die Pinienwälder (Foto 02) auf, die auf dieser Höhenlage optimale Bedingungen vorfinden und mit den zerklüfteten Berghängen und Schluchten  eine besonders reizvolle Landschaft kreieren.

Nach wenigen Kilometern gelangen wir auf der GC-130 zu unserem Ziel, der Aussichtsplattform der „Caldera de los Marteles“. Dort beginnt nämlich diese Wanderung. Gegenüber überblickt man den kleinen Vulkankrater (Foto 04), ein Stummer Zeuge der Entstehungsgeschichte der Insel. Doch wir bleiben auf der anderen Seite, mit Blick nach Nordosten. Hier beginnen an beiden Seiten Wanderwege und Objekt der Begierde befindet sich links.

Im ‚Natternkopfhimmel‘

Vor uns breitete sich die Natur in all ihrer Schönheit aus und verführt jeden, der in die Ferne blickt, diese Landschaft zu erkunden. Ein breites Tal, wie ein unwirkliches Gemälde, von beiden Seiten mit den herrlichen Pinien gesäumt, bietet sich in der Mitte die Sicht auf unseren Wanderweg (Foto 01).

Die Wolken haben es nicht bis hier noch geschafft und schweben zwischen Himmel und Erde. Am Horizont erblicken wir zudem eine markante Felsformation, den Roque Grande, den wir noch ganz groß ins Visier bekommen werden (Foto 05).

Es grünt so grün, wenn ...

Auf der linken Seite beginnt der Weg „Ruta de Tajinaste Azul“,  wo wir  nach dieser kurzen Orientierungsphase auch unsere Tour starteten. Sanft zieht sich ein Trampelweg hinab. Die Oberfläche ist  durch das Geröll rutschig, sofern man nicht das richtige Schuhwerk mit einem guten Profil an hat. Ein Stock wäre empfehlenswert, sicher ist sicher. „Das Wandern ist des Müllers Lust“, die Melodie kommt mir unweigerlich in den Sinn. Wir spazierten gemütlich, mit Ausnahme von meinem Hündchen Juan, der glückselig im Zickzack Extralängen zurücklegte und vom Schnüffeln nicht genug bekommen konnte.

Glückselig fühlten wir Menschen uns auch, denn nach jedem Schritt, nach jeder Kurve, schien die Landschaft noch schöner zu werden. Ein „fotografisches Stop and Go“.  Nachdem ich, die emsige Tipi-Tapi-Lady, weiß, dass Eric bei seiner Arbeit nicht gestört werden möchte, schlenderte ich mit Juan als eine Art Vorhut voraus.

Der Untergrund dieses Trampelwegs ist Erde und angenehm zu gehen. Auch ein Wanderstock wäre kein Nachteil. Die Pinienbäume (Pinus canariensis) flankieren beide Seiten dieses Tals. Die Vielfalt der Natur ist wahrlich überwältigend, sodass ich lediglich einige markante oder endemische Pfanzen erwähne.

Die üppige Vegetation wartet mit einer bunten Mischung auf, wie z. B. dem Thymian (Micromeria benthamii), dem  silbrigfarbenen Gliedkraut (Sideritis dasygnaphala) oder dem gelbblühenden Riesenfenchel mit den nadelartigen feinen Blättern (Ferula linkii). Der erste Teil führte vorbei an den wiederaufgeforsteten Pinienwald (Pinus canariensis). Den Wegesrand zierten weißblühende Kanaren-Margeriten (Argyranthemum adauctum canariensis, Foto 03), als seien sie von Menschenhand gepflanzt worden. Einige Kirschbäume befanden sich in voller Blüte und setzten funkelnde Akzente. Da und dort sah man hier bereits vereinzelt die Blaue Tajinaste.

Nach jeder Kurve fesselt uns der Ausblick, als blättere man durch einen Fotoband - nur viel schöner! Denn was gedruckte Bilder nicht transportieren können, sind die Gerüche, die frische Luft und die Geräusche. Man hört nichts, weder Autos noch Menschen. Dafür verzauberten uns die Vögel mit ihrem lieblichen Chorgesang. Das Rätsel um das plätschernde Wasser konnten wir auch klären, denn entlang des Weges zieht sich ein Wasserschlauch.

 ‚Ich mach dann mal blau‘

Nach etwa 500 Metern gabelte sich der Weg und wieder orientierten wir uns nach links und waren überwältigt von dem Bild, das sich uns bot. Unzählige „Blaue Natternköpfe“ (Echium callithyrsum) haben die Hänge vereinnahmt und boten wie blaue Saphire einen wunderbaren Anblick. Sie dominierten in allen Blaunuancen, aber wir sahen vereinzelt auch welche mit weißen und zart rosa Blüten.

Die fleißigen Bienen, Wespen, Hummeln und Schmetterlinge flogen zwischen den unzähligen  Natternköpfen, die sich wie ein großer blauer Teppich an die Bergwände schmiegten.  Jetzt im April ist die schönste Zeit für dieses Wanderung, denn die Tajinaste stehen in voller Blüte. ( Blauer Natternkopf, zauberhafter Endemit auf Gran Canaria  )

Auch die Tenteniguada-Distel (Onopordum carduelinum) verdient eine Erwähnung, zumal sie nur hier wächst. Der schmale Trampelweg schlängelt sich üppig bewachsen durch die Landschaft und manchmal muss man sich zwischen den dicht bewachsenen bauchhohen Pflanzen konzentrieren, um den Weg nicht aus den Augen zu verlieren. Die imposante Felsformation „Roque Grande“, ein Felsmonolith aus Pliozäns, wurde allmählich wirklich groß, je mehr wir uns ihm näherten. Der Weg wurde nun ein wenig anspruchsvoller und felsiger bis wir den natürlichen Aussichtspunkt „Era Blanca Tenne“ erreichten. Eine kleine Rast ist Pflicht und Vergnügen. Vor uns breitete sich das Gemeindegebiet von Valsequillo aus (Foto 06) und man überblickte die Stadt und umgrenzende Dörfer. Der Horizont war in die Ferne gerückt, unbeschreiblich schön. Wir befanden uns nun auf einer Höhe von ca. 1.400 Metern und haben eine Entfernung von etwa 1,6 Kilometern bequemer Wanderung hinter uns.

Nachdem ich mir meiner wenig vorhandene Fitness bewußt und die bisher zurückgelegte Strecke abschüssig war und ergo auf dem Rückweg bergauf geht, beschloß ich hier meine Tour zu beenden. Das letzte Teilstück ist viel steiler und schwieriger  zu bewältigen. Ein Abstieg in nördlicher Richtung führt durch ein kleines Tal am Fuß des Roque Grande. Danach geht es auf zum Teil sehr rutschigen Passagen weiter im Zickzack und endet im Dorf Tenteniguada.

Fazit: Eine sehr angenehme Wanderung mit Schwierigkeitsgrad „leicht“ durch eine der schönsten Gegenden von Gran Canaria. Beachten Sie  mögliche Temperaturschwankungen und kleiden Sie sich adäquat, festes Schuhwerk ist ein Muss und empfehlenswert ist auch ein Wanderstock. Für die abgekürzte Strecke, wie wir sie gingen, benötigen Sie eine gemütliche Stunde. Die formale ‚ganze Tour‘ - siehe Kasten unten.

Blauer Natternkopf, zauberhafter Endemit auf Gran Canaria

Valsequillo im Frühlingskleid