Ausgabe Nr.
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J M upload 30.01.2020, Viva Edition 160 | Print article

Boyan Slat und sein The Ocean Clean-Up Projekt (II) - The Interceptor

Das Plastik Drama. Um dieses Thema kommt man nicht mehr herum und es ist gut so, dass die Sensibilität sich allmählich auch in der breiten Öffentlichkeit ins Bewusstsein drängt. Die Plastikverschmutzung in den Ozeanen hat enorme ökonomische Auswirkungen, die von Deloitte auf 6 bis 19 Milliarden USD beziffert wurde (z. B. Auswirkungen auf Fischindustrie oder Tourismus). Viel schwerwiegender sind zudem die Auswirkungen auf über 600 Spezies der Meereslebewesen und nicht zuletzt gelangen die Giftstoffe in die Nahrungsmittelkette und somit auch in unsere Organismen. ‚Raunzen‘ hilft nicht und zum Glück gibt es immer wieder ambitionierte Ideen und Programme, die uns Hoffnung geben. Mit unserer Serie „Viva goes green“ wollen wir eines davon wieder vorstellen, um den Pessimisten unter Ihnen etwas Optimismus einzupflanzen.

Ambitionierter Visionär auf der Suche nach Lösungen

Boyan Slat.1) Mit nur 25 Jahren gelangt diesem jungen Visionär, was viele nicht für möglich gehalten haben. Der niederländische Unternehmer, Erfinder und ehemalige Student der Luft- und Raumfahrttechnik hat ein System zum Auffangen von im Meer treibenden Plastikmüll erfunden. Einige Rückschläge im technischen Design ließen ihn und sein Team nicht entmutigen und derzeit arbeitet „The Ocean Clean-Up“, wenngleich die Mamutaufgabe für den Speed einige Skepsis aufkommen lässt. Slat präsentierte am  26. Oktober 2019 in Rotterdam wieder eine Weltneuheit, die uns hoffen lässt … 

Wie schwierig es ist, das in den Weltmeeren treibende Plastik wieder einzufangen musste, der junge Visionär mit seinem Team anhand vieler Rückschläge in seinem The Ocean Cleanup Projekt bitter erfahren. Nach mehreren Modifizierungen sei das System 001/B funktionstüchtig und hat die Arbeit aufgenommen … 

Doch zu den fünf gigantischen Müllbergen auf den Ozeanen (Garbage Patch)1) kommen jährlich weitere Mengen dazu. Das Plastik wird auf der treibenden Meeresoberfläche eingefangen, doch 99 Prozent befindet sich darunter, sogar bis in die Tiefsee.

Flüsse: Eine Quelle des Problems

Von dieser Erkenntnis inspiriert, schwenkte Slat bei seiner Präsentation auf den zweiten Teil des Reinigungsprojekts mit den Worten: „Man muss verhindern, dass Plastik überhaupt in die Ozeane gelangt. Vor vier Jahren haben wir parallel ein Nebenprojekt gestartet. The Interceptor.“

The Ocean Clean-up implementierte in einer ersten Phase Überwachungssysteme (Monitoring Systems) in Dutzenden Flüssen auf der ganzen Welt, die die Plastikverschmutzung identifiziert und den Grad messen.

Dabei stellten sie fest, dass 80 Prozent des Plastikmülls von lediglich einem Prozent der existierenden (etwa 100.000) Flüsse in die Ozeane gelangt. Es würde also Sinn machen, sich auf jene stark verschmutzenden Flüsse im ersten Schritt zu konzentrieren.3)

Das Team um Slat baute ein ‚Plastikreinigungssystem‘ für Flüsse mit dem Namen The Interceptor, ein an einem strategisch optionalen Position am Flussbett verankerten System. Es erkennt automatisch Plastik und zieht dieses an bzw. befördert es über eine wasserdurchlässige Rolltreppe in das Innere, wodurch die Wasserströmungen aufrecht erhalten bleiben. Es handelt sich um die erste skalierbare Lösung, die 100 % auf Solarenergie basiert und somit unabhängig ist von Öl oder anderen Treibstoff ist. Zudem wird kein Lärm verursacht. Es funktioniert vollständig autark und man benötigt keinerlei manuelle Tätigkeiten. 

The Interceptor sammelt, sortiert grob vor und verteilt den Plastikmüll in verschiedene Container, je nachdem wie voll diese sind. Die Kapazität liegt bei 50.000 kg Müll pro Tag und unter idealen Bedingungen kann diese Menge verdoppelt werden.

Das alles geschieht völlig automatisch und The Interceptor überwacht sich dabei selbst. Es funktioniert wie ein Staubsauger, der anzeigt, wann der Müllbeutel geleert werden muss. Die Gesamtkapazität liegt bei 50 Kubikmeter. Interceptor ist sehr robust mit 6 mm Stahlwänden und hat eine Lebensdauer von geschätzten 20 Jahren. Durch die intelligente Positionierung des Interceptors muss der Fluss nicht für den Schiffsverkehr gesperrt werden. Durch die natürlichen Strömungen des Wassers wird der Plastikmüll quasi zu ihm getrieben. Ein extra Sicherheitsnetz, denn es bewahrt uns nicht, Alternativen zu entwickeln bzw. Plastik zu vermeiden. Das Ziel: 1000 Flüsse sollen in fünf Jahren gereinigt werden!

Wie funktioniert der „Plastikstaubsauger“?

Wenn das System zu teuer ist, dann wird es sich nicht durchsetzen. 

Gemeinsam mit Deloitte & Touche wurde berechnet, dass die Kosten pro Kilogramm eingesammelten Plastiks niedriger sind, als wenn man nichts tut. Ergo: Es ist billiger als wenn Länder nichts unternehmen. Boyans Ziel ist es. 80 % des Plastikmülls in Flüssen in den nächsten fünf Jahren zu beseitigen. 

Bereits in Betrieb, Interceptor:

001 Indonesien, Jakarta

002 Malaysien, einem der am schlimmsten verschmutzten Flüsse der Welt (siehe Foto 01)

003 Vietnam, Mekong Delta

004 und 005 wird demnächst im Rio Osama in der Dominikanischen Republik implementiert

Und was passiert mit dem eingesammelten Plastik? Boyan Slat hat auch hierzu schon einige ambitionierte Ideen. Am 12. Dezember 2019 verkündete Slat, dass in Vancouver die erste zertifizierte Recycling-Anlage in Betrieb genommen wurde, die ausschließlich das in Flüssen eingesammelte Plastik für die Herstellung von nachhaltigen Produkten verwendet. Das ist eine andere Geschichte ...

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Verweise

1)Viva Canarias Nr. 141 vom 1. Juli 2018 (nachzulesen: www.viva-canarias.es)

1)Boyan Slat gründete das Unternehmen The Ocean Cleanup im Jahr 2013 mit Hauptsitz in Rotterdam. Sein Team umfasst heute über 80 Spezialisten, Wissenschaftler, Ingenieure, Umwelttechniker, sowie Experten im Bereich Finanzen und Internationales Seerecht). die sich dem Plastikproblem in unseren Weltmeeren kümmern. Aber auch international anerkannte Experten und Professoren aus den Bereichen Ozeanography, Offshore Strukturen, Internationales Seerecht, Marinetechnologien etc. sind im Team.

2)Zahlen basieren auf den Veröffentlichungen auf der Webesite

theoceancleanup.com

3)Es gibt Schätzungen, dass nur 30 Prozent des Meeresplastiks über die Flüsse in die Ozeane gespült wird und der Rest über andere Wege (z. B. von Küsten, über Verwehungen durch Wind etc.) 

4)Die Präsentation von „The Interceptor“ im Rahmen des Projekts „The Ocean Clean-Up"

5)Quelle der Skizze: www.Improvemag.ch

Anm.: Alle Fotos mit freundlicher Genehmigung von © The Ocean Clean-Up