So wie in Mitteleuropa Burgen die Bevölkerung vor feindlichen Übergriffen schützen sollten, gibt es auch auf den Kanarischen Inseln eine Reihe von Befestigungsanlagen, um sie vor Räubern, Freibeutern und Piraten zu schützen. Die vom europäischen Festland weit abgelegene Inselgruppe war über Jahrhunderte Ziel von Angriffen, auch vor dem Hintergrund der Kämpfe der Herrschaftshäuser um die Vormachtstellung, wie z. B. zwischen Spanien und Großbritannien.
Einige haben wir schon vorgestellt und zwar von Lanzarote und Gran Canaria. Eines davon ist das Castillo de Mata, das über vierhundert Jahre lang Teil der Verteidigungsanlage war. Bis 1997 befand es sich im Besitz der spanischen Armee und geriet allmählich in Vergessenheit und verkam beinahe zu einer Ruine.
Der beinahe verloren gegangene Kulturschatz
Der kulturelle Wert des Castillo de Mata wurde im Jahr 1949 mit der Ernennung zum Kulturdenkmal gewürdigt und im Jahr 1985 mit der Erklärung zum historischen Kulturgut untermauert. Schließlich erwarb die Stadt die Ruine und hat diese umfassend restauriert. Seit 2015 erstrahlt es in neuem Glanz und beinhaltet in seinen historischen Mauern das sehenswerte Stadtmuseum von Las Palmas. Dr. Ángeles Alemán realisierte die Aufbereitung, einerseits hinsichtlich des Bauwerks selbst und andererseits bezüglich der Geschichte der Stadt Las Palmas und seiner Beziehung zum Meer.
Der Name der Burg „de Mata“ lässt sich auf zwei mögliche Ursprünge zurückführen:
Einerseits erlitten die angreifenden Piraten starke personelle Niederlagen bei ihren vergeblichen Versuchen, die Burg zu erstürmen (span.: matar = töten, vernichten, metzeln), andererseits wurde die Burg als Kasematte (span.: casamata = Kasematte) wiedererrichtet. (Anm.: Als „Kasematte“ bezeichnet man im Festungsbau ein durch starke Mauern vor Artilleriebeschuss geschütztes unterirdisches Gewölbe.)
Altes Gemäuer im neuen Kleid
Das Castillo versprüht von außen seinen historischen Charme und überrascht innen mit einem modernen, hellen Innendesign. Glas, Holz und Edelstahl fügen sich perfekt in die historischen Mauern ein und lassen die architektonischen originären Elemente frei, wie z. B. Zugbrücke, Schießscharte, Wachtürme, Vorsprünge, Zinnen etc. An der Rückseite des Gebäudes sieht man noch die Überreste der einstigen Stadtmauer, die entlang des Hügels hoch bis zum einstigen Turm Castillo del Rey verlief.
Der Zugang ist über einen Glasanbau erreichbar. Lifte ermöglichen die bequeme Besichtigung aller Etagen auch für Menschen mit eingeschränkter Bewegungsfreiheit (Bravo!). Im Foyer sehen Sie die Überreste des einstigen Bachlaufs im Barranco de Guiniguada. Die brachialen Rodungen der Insel, für den Schiffbau oder den Zuckerrohranbau, sorgte für das Austrocknen und veränderte die Mikrovegetation nachhaltig. Wälder und Palmen sind stark geschrumpft und eigentlich nur noch in der nördlichen Hälfte der Insel üppig vorhanden.
Besichtigung von oben nach unten - Ausblick inklusive
Ich empfehle Ihnen eine Besichtigung „Top down“, sprich von oben nach unten. Im fünften Stockwerk haben sie einen atemberaubenden Blick auf die Stadt und das Meer, das sich huldvoll vor ihm ausbreitet und einen entzückend glitzernden blauen Streifen entlang des Horizonts zieht. Man kann entlang der kompletten Fassade draussen gehen und von dort oben die vielen Details, wie z. B. Nischen des verwinkelten Baus sowie die Durchgänge und kleine Zugbrücken, näher betrachten. Die stark befahrene c/Bravo Murillo (siehe Foto oben rechts) führt geradewegs zum Meer und hier verlief einst der andere Teil der Stadtmauer.
Die kleinen Aussichtsluken waren so konzipiert, dass man entweder das Meer oder die benachbarten anderen Wehrtürme sehen konnte. Man kommunizierte direkt hinsichtlich möglicher Gefahren und das war zur damaligen Zeit überlebensnotwendig.
Der Turm im Turm: Originäre 'torreón'
Der Grundriss des Hauptkomplexes (Baluarte) ist viereckig und stammt aus dem 16. Jahrhundert nach den Plänen von Juan Alonso Rubián.
Wie bei den Restaurierungsarbeiten im benachbarten Castillo de la Luz entdeckte man bei den Ausgrabungen des meterhohen Schutts einen alten Wehrturm (Torreón) aus dem Jahr 1579, dem Herzstück dieser Anlage (siehe nächste Seite).
Sicht der Seefahrer anno dazumal
In dieser fünften Etage wird übrigens die Sicht der Seefahrer beleuchtet, alte Schiffskarten sind zu sehen, deren Proportionen etwas aus den Fugen geraten sind. Land- und Seekarten waren einst ein streng gehütetes Geheimnis. Die Königshäuser profitierten vom Informationsvorsprung und daher waren Entdeckungsfahrten nicht nur von wirtschaftlichem Interesse, sondern auch von strategischem. Nur wer wusste was wo lag, war im Vorteil. Aufgrund dessen sind die Unterschiede der Darstellungen erklärbar. Gezeigt werden zudem die Verteidungsanlagen und Hintergrundinformationen zur Gründung der Stadt.
Wie alles begann: Die Gründung der Stadt
Am 24. Juni 1478 landete die Expedition unter der Leitung von Juan Rejón auf La Isleta, der nordlich vorgelagerten Halbinsel von Las Palmas. Nach Lanzarote und Fuerteventura sollten sie nun im Auftrag der kastillischen Krone die Insel „Canaria“ endgültig unterwerfen. Dieser 24. Juni gilt formal auch als Stadtgründungstag und wird jedes Jahr mit einem aufwändigen Veranstaltungsprogramm (den sogenannten „Fiestas Fundacionales“) gefeiert.
Die Unterwerfung der indigenen Bevölkerung gelang mit vielen blutigen Kämpfen. Der Spanier Pedro de Veras siegte schließlich mit einer List über Doramas, dem damaligen Herrscher der Altkanarier, der in dieser Schlacht am Montaña de Arucas seinen Tod fand. Eine Gedenkstatue ihm zu Ehren steht auf dem Hauptplatz vor der Altstadt in Arucas.
Gründungsvater Rejón wurde schließlich von der Krone abgesetzt und von Pedro Fernández de Algaba ersetzt. Dieser wiederum wurde später von seinem Vorgänger exekutiert. Dem neuen Gouverneur Pedro de Vera gelang es schließlich diesen internen Konflikten im Jahr 1481 ein Ende zu setzen.
Städtekonzept: 'Exportgut'
1497 begann man, als Zeichen des Sieges über die Ureinwohner, im Auftrag der kastillischen Krone mit dem Bau der Kathedrale Santa Ana, eine überdimensionale Veranschaulichung des einzig wahren Glaubens, dem Katholizismus. Dabei wurde erstmals ein neues städtebauliches Konzept umgesetzt. Eine Kirche, ein großer Platz davor und gegenüber die weltliche Leitung (sprich das Rathaus). An den anderen beiden Seiten dieses Platzes wurden die wichtigsten Verwaltungsgebäude angesiedelt. Dieses Konzept wurde quasi exportiert und findet sich heute in vielen Städten der „Neuen Welt“.
Strategische Lage
Aufgrund der strategischen Lage und der natürlichen Gegebenheiten des Ufers waren die Kanaren eine wichtige Anlaufstelle für Seefahrer. Auch Christoph Kolumbus steuerte bei drei seiner vier Entdeckungsfahrten Las Palmas de Gran Canaria an, um sich mit Proviant einzudecken und noch letzte Reparaturen an seinen Schiffen vorzunehmen.
Das spanische Königreich erstreckte sich im 16. Jahrhundert über weite Teile Süd- und Mittelamerikas, aber auch Gebiete im benachbarten Kontinent Afrika sowie auf den Philippinen zählten dazu. Das war England ein Dorn im Auge, denn die Briten kämpften um die Vormachtstellung zur See als auch um die Kolonialgebiete und auch die Holländer wollten noch ein Wörtchen mitreden, ebenso wie die Franzosen.
Begehrt bei Piraten und Freibeutern
Im Jahr 1566 schlossen England, Frankreich und Holland einen Pakt gegen Spanien. Unter „Invasión de los Ingleses“ verstand man die darauf folgenden Attacken. 1595 versuchten Admiral Drake und Hawkins in der Bucht von La Luz an Land zu gehen und die Stadt einzunehmen. Das sei in einem Tag machbar, so meinten es die Briten. Doch die mutigen Bewohner setzten sich zur Wehr und es gelang ihnen, die Angreifer in die Flucht zu schlagen. Diesem historischen Ereignis wird bei der jährlichen „Fiesta de La Naval“ am 12. Oktober in Las Isleta gedacht.
Es war in der Morgendämmerung des 25. Juni 1599, als abermals ein Angriff stattfand. Dieses Mal war es eine niederländische Armada mit 73 Schiffen, 150 Landungsbooten und über zehntausend bewaffneten Männern, die an der Bucht von Las Palmas landeten. Dieses Mal war es Vizeadmiral Pieter van der Does. Die Bevölkerung war in Anbetracht, dass sie derart zahlenmäßig unterlegen war, in Panik. Frauen und Kinder flüchteten landeinwärts in das Gebiet rund um das heutige Santa Brígida, während jeder Mann im kampffähigen Alter in die Schlacht zog.
Die Kämpfe konzentrierten sich rund um das Castillo de la Luz wo die Insulaner beherzt und mutig sich den Eindringlingen stellten. Es wurde erbittert gekämpft und auf beiden Seiten gab es große Verluste. Auch der damalige mutige Stadthalter Alonso de Alvardo ließ bei diesen Kämpfen sein Leben und aus diesem Grund steht ein Denkmal vor dem Castillo de Mata.
Aufgrund dieser Kämpfe war das spanische Königshaus geschockt und daraufhin wurden die Befestigungsanlagen auf allen kanarischen Inseln verstärkt oder vergrößert.
Viel Spaß bei Ihrer Reise in die Vergangenheit!
Kontakt
Stadtmuseum Las Palmas (Museo de la Ciudad y el Mar) in der historischen Befestigungsanlage Castillo de Mata, c/Domingo Guerra del Río s/n, Las Palmas de Gran Canaria
Geöffnet: Di. bis Fr. von 10.00 bis 14.00 Uhr, Sa. sowie am ersten So. im Monat von 11.00 bis 14.00 Uhr. Eintritt: 4 Euro (Residenten gratis). Führungen und Gruppen Anmeldungen erforderlich unter: 828 904 511 und info@castillodemata.es