Mehrmals im Jahr wehen Sandwinde von Afrika aus in südöstlicher Richtung über die Kanarischen Inseln und bringen trockene, warme Luft und jede Menge Sahara-Sand. Diese Wetterlage wird auch Calima genannt, auch Kalima geschrieben. Die stärksten Winde seit über 40 Jahren wurden vorigen Monat registriert und führten sogar zu Beeinträchtigungen im Flugverkehr. Doch das ist noch nicht alles. Erstmals kamen mit den Windströmungen auch neue Spezies von Wüstenvögeln auf den Archipel, die bisher noch nie in Spanien gesichtet wurden. Dieses Highlight für Ornithologen wurde sogar in einem Sonderbericht im „Dutch Birding“, einem Fachmagazin für die Avifauna in Europa und Nordafrika, behandelt.
Gesichtet wurden ...
• Vogelbeobachter fotografierten und meldeten an diesen Tagen auf den Kanarischen Inseln 27 Exemplare des Isabellsteinschmätzers (Oenanthe isabellina, Foto 03), eine Art, die für gewöhnlich in der Sahara des afrikanischen Kontinents überwintert. Bisher gab es nur zwei Hinweise auf seine Anwesenheit auf den Inseln.
• auf Gran Canaria der Raubwürger (Lanius elegans elegans, Foto 02), auch unter dem Namen Desert Grey Shrike bekannt.
• die Ibislerche (Alaemon aludipes) auf Teneriffa, die bisher nur acht Mal auf den Inseln der Provinz Las Palmas gesichtet wurde.
• Je ein Exemplar der Kap-Klapperlerche (Ammomanes cinctura, Foto 01) auf Teneriffa und Gran Canaria.
• bis zu 85 Vögel des Wüstensteinschmätzers (Sylvia deserti, Foto 06) wurden gezählt, der bisher nur achtmal angetroffen wurde.
• eine Atlasgrasmücke (Sylvia deserticola), eine Art, die bisher nur dreimal auf dem Archipel entdeckt wurde.
• Saharagrasmücken (Foto 07), die bisher nur sechsmal gesichtet wurden.
• ein Exemplar des Schwarzohr-Steinschmätzers-Morphe (Oenanthe hispanica stapazina, Foto 05) wurde auf Teneriffa gemeldet, der bisher nur zweimal auf dem Archipel nachgewiesen wurde.
Birdwatching Mekka
Zum großen Vergnügen für Vogelbeobachter wurden zudem noch drei weitere Raritäten beobachtet und zwar die Kap Möwe, auch Dominikaner- oder Kelp Möwe genannt (Larus dominicanus vetula, Foto 08), der Gelbschnabel Milan (Milvus aegyptius) und eine weitere Grasmückenart, die Sylvia-Grasmücke.
Vögel nehmen eine enorm wichtige Rolle für den Erhalt der Biodiversität und des ökologischen Gleichgewichts ein. Klimawandel, Zerstörung der Habitate und andere menschliche Eingriffe in die Umwelt gefährden immer mehr Vogelarten.
Die Kanarischen Inseln sind daher auch ohne den Kalima und das zuvor erwähnte Phänomen ein Mekka für Ornithologen.
Erst im Jahr 2020 wurden weitere ZEPA2) Schutzzonen (Zonas de Especial Protección para las Aves) auf Fuerteventura und auf Gran Canaria deklariert, die auf die Verordnung 2009/147/CE Bezug nehmen und insgesamt 43 Zonen umfassen. Die meisten Flächen befinden sich auf Teneriffa (92.000 ha), gefolgt von Fuerteventura (69.500 ha), Lanzarote (46.600 ha), La Palma (27.000 ha), Gran Canaria (23.200 ha), El Hierro (14.100 ha) und La Gomera (5.400 ha).
Der Archipel zählt biographisch betrachtet zu Makaronesien,1) ebenso wie Madeira, die Kapverden, die Azoren und die Sebaldinen. Das bedeutet, dass hier Gemeinsamkeiten in der Tier- und Pflanzenwelt existieren. Es ist nicht verwunderlich, dass vor einigen Jahren die Vermarktung der Vogelbeobachtung als eine neue, ökologische Tourismusnische zugenommen hat, denn hier leben seltene Spezies, einige davon endemisch, wie beispielsweise der Blaufink (Pinzón azul), die Lorbeertaube (Palomas rabiche), der Kanarenschmätzer (Tarabilla canaria), die Kragentappe (Hubara bzw. Chlamydotis undulata), der Rennvogel (Corredor sahariano, siehe Foto), der Schmutzgeier (Guirre, alias alimoche canario bzw. zool. Neophron percnopterus), der Wüstenfalke (Falco pelegrinoides), Marmelente (Marmaronetta angustirostris), die stattlichen Sturmtaucher (Pardela cenicienta), der Weidenlaubsänger (Foto 04) und einige Singvogelarten, wie Zilpzalp (Mosquitero canario).
Vorsicht Brutzeit
Die Habitate so wie der Artenreichtum sind vielseitig, sodass das hiesige Ökosystem einerseits von den einheimischen Vögeln ganzjährig und andererseits, wie beispielsweise von den Zugvögeln, nur temporär in den Wintermonaten, genutzt wird.
Jetzt im Frühling ist die Brutzeit der Vögel und die kritische Phase für die frisch geschlüpften Jungvögel. Die Nistplätze können sich an Klippen, in den Bergen, an Pfützen oder in den Wäldern befinden. Häufig sind diese anhand von Schildern ausgewiesen, wie beispielsweise an der Charca de Maspalomas im Sondernaturschutzgebiet neben den Dünen.
Lärm und Erschütterungen können die brütenden Eltern vertreiben und daher sollten diese Plätze gemieden werden. Unter keinen Umständen (Jung)Vögel oder Eier in die Hand nehmen. Verletzte Tiere, beispielsweise dehydriert oder orientierungslos, am besten die zuständigen Behörden zu verständigen.
Kontakt
Umweltabteilung der Inselregierung (928 862 300 oder 928 862 322, Umweltagenten 626 982 371), Umweltschutzpolizei Seprona (Guardia Civil) oder Notfallnummer 112.
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Verweise (siehe www.viva-canarias.es)
1)Viva Canarias Nr. 139 vom 1.8.2018 „Makaronesien - Ornithologie, Vogelbeobachtung als Tourismusnische?“
2)ZEPA Europäische Sondernaturschutzzone für Vögel (Zona de Especial Protección para las aves de la CE)
3)Endemisch EBA (Área de Aves Endémica)
4)Viva Canarias Nr. 97 vom 8. April 2016 „Biosphärenreservat Kanarische Inseln und Vogelbeobachtungsplätze auf Fuerteventura“
5)SEO Birdlife, Spea, ART und Biosfera haben gemeinsam ein Prospekt für den entsprechenden Tourismusnische herausgegeben.