Aus unserer Serie "Kanarische Traditionsunternehmen" - Was wäre das Leben ohne Zufälle? Es böte weniger Spannung. Ursprünglich begab ich mich nach Las Palmas, um über die Zigarrenmanufaktur zu berichten. Doch beim Schlendern durch die Altstadt Vegueta bin ich auf einen außergewöhnlichen Familienbetrieb gestoßen, der sich seit 1872 der Hohen Kunst der Parfümherstellung widmet und diese Tradition in fünfter Generation leben lässt.
In der schmalen mit Kopfsteinpflaster ausgelegten Gasse Herrera, eingebettet zwischen historischen Fassaden, liegt unweit des Kolumbushauses die Casa del Parfume Canarias. Aufmerksam wurde ich durch den sanften Klang der Stimme des legendären Frank Sinatra – untypisch für hier. Es zog mich förmlich an und ich warf einen neugierigen Blick hinein. Vor einer brachial anmutenden jahrhundertealten Steinwand stehen fein säuberlich beschriftete blitzende Flakons, die mich an meinen Favoriten Chanel N° 5 erinnern. Es durftet herrlich und sogleich begrüßt mich ein aufmerksamer junger Herr. Es handelt sich um Jesus Herrera González, der in fünfter Generation den Familienbetrieb in Telde weiterführt und sich mit der hohen Kunst der Parfümherstellung beschäftigt. Vor etwa sieben Monaten hat Jesús diese Dependance in der Altstadt eröffnet, um die Produkte an den Mann bzw. die Frau zu bringen und stärker zu vermarkten.
Kanarische Pioniere: Casa del Perfume
Sie waren Pioniere und begannen mit einzigartigen Formeln im Jahr 1872 mit der Herstellung der duftenden Kompositionen. Man muss überlegen, dass dies in einer Zeit geschah, wo die meisten Kanarier nicht unbedingt gut betucht waren und hart für ihr Leben schuften mussten. Parfüm war wirklich Luxus und so bewundere ich diesen mutigen Schritt vor dem Hintergrund der damaligen Rahmenbedingungen umso mehr.
Der Erfolg gab dem Begründer recht. Einst musste man allerdings lange sparen, bis man sich so ein edles Produkt leisten konnte. Vergleicht man ihre Preise mit jenen der teuren Modemarken, dann liegen Welten dazwischen. Sie müssen keine (überteuerten) Models, Werbemagazine, Starfotografen etc. berappen. Die Differenz geht direkt an die Kunden und so liegen die Preise für diese qualitativ hochwertigen Produkte bei 20 bis 30 Euro.
Mehr als ‚nur‘ ein Geschäft mit dem Duft
Es ist aber mehr als ‚nur’ ein Geschäft, wo man duftende Wässerchen kaufen kann. Jesús möchte den Gästen erklären, wie Parfüms hergestellt werden usw. Aus diesem Grund wurden Informationstafeln installiert, welche Hintergrundwissen in drei Sprachen vermitteln. Jesús plant zudem im hinteren Raum ein Labor einzurichten, wo man Einblicke in die Herstellung haben kann.
Bescheiden erklärt er uns: „Ich bin quasi noch in der Ausbildung. Die Welt des Duftes ist kompliziert und erfordert viel Erfahrung und eine sehr feine Nase. Man experimentiert praktisch ständig. Geduld und Vorstellungsvermögen sind ebenso gefragt, bis man die perfekte Harmonie der Kredenzen komponiert. Mein Vater ist Parfümeur und ein Spezialist. Ich kann noch viel von ihm lernen.“ Ich finde das sind schöne Worte, die man heutzutage nicht mehr häufig von der Nachwuchsgeneration hört.
Der Clou beim Parfüm: Das Bouquet
Wir lernen weiter, dass nicht die einzelnen Essenzen den Clou eines hochwertigen Parfüms ausmachen, sondern ihr Odeur. Damit ist das Bouquet einer Duftkomposition gemeint.
Die olfaktorische Wahrnehmung wird häufig unterschätzt. Dabei bedeutet das Fehlen des Geruchssinn eine wesentliche Einbuße an Lebensqualität. Das Essen ist geschmacklos, egal wie schön es arrangiert wird. Mitunter erinnert uns ein Duft an ein Gefühl, ein bestimmtes Erlebnis in unserer Kindheit oder an einen bestimmten Menschen. Angenehme Gerüche regen den Speichelfluss an. Doch Achtung: Zu aufdringlicher Duft kann sogar eine Fluchtreaktion auslösen. In diesem Sinn gilt ‚weniger ist mehr‘.
Von den Kreuzzügen ins Abendland
Die Bedeutung und die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten der Düfte kannte man schon in den alten Hochkulturen Ägyptens und Indiens. Sie galten als eine Quelle der Inspiration und mit der Herstellung waren damals Priester betraut. Mit den Kreuzzügen kamen die wohlriechenden Mixturen des Orients auch in die abendländische Kultur, so etwa ab dem 8. Jhdt.
Im Jahr 1580 eröffnete der Apotheker Francesco Tombarelli in Grasse (Frankreich) ein Laboratorium für die Herstellung von Düften weshalb dieser Ort als das Gründerzentrum der europäischen Parfümindustrie gilt. Man unterschied zwei Qualitäten. Das gute Parfüm war der Oberschicht, der Bourgeoisie vorbehalten und das gemeine Volk musste sich mit primär desinfizierenden Wässerchen begnügen.
Es geht nichts ohne "die Nase"
Ein Parfüm besteht etwa aus achtzig Prozent Alkohol. Beim Rest handelt es sich um destilliertes Wasser und darin gelöste natürliche Essenzen, wie z. B. ätherische Öle. In letzter Zeit finden sich vermehrt synthetisch hergestellte Duftstoffe. Die Produkte der Casa del Perfume werden im Handwerksbetrieb hergestellt und alle ihre Parfüms bestehen rein aus ökologischen Grundessenzen. Diesen Punkt soll ich hervorheben.
Als Odeur bezeichnet ein Parfümeur, branchenintern auch als ‚die Nase‘ bezeichnet, das Bouquet einer Duftkomposition. Bis zu hundert Essenzen beinhaltet ein aufwändiges Parfüm. Es ist sozusagen die Hohe Kunst des Mischens. Man kann Nutella und Schinkenspeck lieben, aber gemeinsam auf einem Brötchen wollen wir das nicht wirklich haben. Genauso muss man sich das bei der Parfümkomposition vorstellen. Nicht alles ist ‚füreinander gemacht´.
Der Familienbetrieb Casa del Parfume Canarias führt verschiedene Duftrichtungen, von moschusähnlichen, fruchtig leichten, blumig frischen, mit Zitrusnoten oder Schokolade mit einem Hauch Mandarine. Auch für Männer gibt es herrliche Kreationen, von herb bis klassisch. Man muss sich beim Parfümkauf Zeit nehmen und den Duft auf der eigenen Haut wirken lassen. Dies ist die Kopfnote, die in den ersten Minuten nach dem Auftragen auf der Haut wahrnehmbar und für die Kaufentscheidung von Bedeutung ist.
• Die Herznote breitet sich in den Stunden, nachdem sich die Kopfnote verflüchtigt hat, aus und ist der eigentliche Charakter des Dufts.
• Die Basisnote ist der letzte Teil und enthält langhaftende und schwere Bestandteile.
• Der Unterschied zwischen Eeau de Toilette, Eau de Parfum und dem Parfüm liegt im Anteil der Riechstoffe. Dieser liegt bei ca. 5 Prozent, 10 Prozent bzw. kann beim Parfüm bis zu 25 Prozent umfassen. Je nach Zusammensetzung haben sie eine unterschiedliche Intensität und Wirkung sowie Haltbarkeit.
Dieser Besuch hat mich dazu inspiriert, auch in diesem Bereich mal etwas Neues zu probieren... Viel Spaß bei ihrem Ausflug in das Reich des Geruchssinns.
Kontakt
Casa del Perfume Canario, c/Herrería 6 in Vegueta, Las Palmas (Straße führt hinter dem Teatro Guiniguada zum
Kolumbushaus). Tel.: 928 324 810, Geöffnet: Täglich von 10.00 bis 19.00 Uhr.
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Fotos:
01: Jesus Herrera González, der in 5. Generation den Parfumeriebetrieb der Familie weiterführt und seine Gattin (Fotos rechts: Aus dem Familienalbum)
02: Wasserfilter „Destiladera Canaria“, mit denen die Kanarier einst aus Regenwasser Trinkwasser erzeugten.