Wer sich der spanischen Literatur entzieht, beraubt sich größtem Lesevergnügen. Allerdings stellt die Sprache eine Barriere dar, um sich auf die literarischen Abenteuer einlassen zu können. Daher bleiben viele bedeutende kanarische Poeten und Literaten unserer deutschsprachigen Welt verborgen, wie bis vor kurzem jene des großen kanarischen Dichters Tomás Morales. ( 100 Jahre Tomás Morales )
Ende Oktober wurde die erste vollständige Übersetzung seines Werks „The Roses of Hercules“ (span. „Las Rosas de Hércules“) in Englisch der Öffentlichkeit präsentiert. Dafür Verantwortlich war John Rutherford, Literaturprofessor und Übersetzer an der renommierten Oxford Universität in Zusammenarbeit mit Oswaldo Guerra Sánchez, Literaturprofessor an der Universität Las Palmas de Gran Canaria.
Auf Spurensuche nach Moya
Wir begaben uns auf Spurensuche in das entzückende Bergstädtchen, das in diesem Jahr das 130te Jubiläum des Geburtsjahrs von Tomás Morales (1884 - 1921) feiert. Einzigartige Landschaften umrahmen das Hauptstädtchen der gleichnamigen Gemeinde. Über die Grenzen bekannt ist die Kirche Nuestra Señora de la Candelaria, die zum Wahrzeichen von Moya wurde. Mit dem Bau wurde erst im Jahr 1944 begonnen. Grund ist weniger der Baustil, als vielmehr der Platz wo sie sich befindet, nämlich an einem Steilhang. Von ihrer Rückseite aus hat man einen sensationellen Ausblick in die Tiefen der Schlucht von Moya.
Casa Museo Tomás Morales
Gegenüber der Kirche befindet sich das Geburtshaus des Dichters das heute als Museum besichtigt werden kann. Die Direktorin María Luisa Alonso empfängt uns herzlich. Sie führt uns kompetent durch das schöne Haus. Sehr angenehm überrascht waren wir, dass sie keine Mühen gescheut hat und uns eine umfangreiche Infomappe zusammengestellt hat (Anm.: was bisher noch in keinem Museum der Fall war).
Auf Zeitreise: Es war einmal vor 130 Jahren
In diesem Gebäude erblickte Morales am 10. Oktober 1884 als Letztgeborener einer vermögenden Bauernfamilie das Licht der Welt. Das er aus keinen armen Verhältnissen stammt ist an der Einrichtung auch heute evident. Die persönlichen Gegenstände, Fotografien, Bücher etc. stammen aus dem Familienfundus des Dichters. Man fühlt sich in die Zeit Anfang des 20. Jahrhunderts versetzt. Ein paar Minuten schmökern wir in einem Buch, das damalige Werbeeinschaltungen von Geschäftsleuten darstellt und von feinen Damenhüten, Schuhen bis hin zu Waffen alles beinhaltet.
Die Holzvertäfelung an der Decke des Versammlungssaals ist eines der vielen Highlights sowie die Steinmetzarbeiten dieses Saals und in den Galerien, den Gartenmauern und an den Fassaden. Das Museum zeigt originalgetreue Einblicke in das Leben, die familiäre Atmosphäre des Dichters und sein künstlerisches Schaffen.
Über den Künstler „Poet des Meeres“
Morales wird auf den Kanaren häufig auch als „Poeta del mar“ bezeichnet. Das geht darauf zurück, dass eines der dichterischen Leitmotive seines literarischen Schaffens das Meer bzw. der Atlantik war. Der Postmodernist Morales wechselt in seinen Dichtungen zwischen großer Wortpracht ähnlich seinem Meister Darío und einer einfachen, fast banalen Ausdrucksform.
Vita - Das Leben der „oberen“ anno dazumals
Als Sohn einer gut betuchten Familie besuchte Morales ab seinem siebten Lebensjahr die angesehene Schule San Agustín in der Hauptstadt Las Palmas de Gran Canaria. Im Jahr 1899 machte er sein Abitur und verfasste seine ersten Verse. Er dichtet fortan laufend und findet Zugang zu Literaturzirkeln.
Morales beginnt 1900 sein Medizinstudium in Madrid. Im Jahr 1908, ein Jahr vor Beendigung seines Medizinstudiums, veröffentlicht er sein erstes Buch „Poemas de la Gloria, del Amor y del Mar“. Zu dieser Zeit erscheinen auch Prosatexte in der Presse von Las Palmas.
Zwei Jahre nachdem er als stellvertretender Arzt in Agaete begonnen hatte, wurde Morales offiziell zum Gemeindearzt ernannt, wo er 1914 Leonor Ramos de Armas kennenlernt und ehelicht. Schon ein Jahr nach der Heirat wird das erste seiner vier Kinder geboren und die darauf folgenden fünf Jahre gelten als seine literarisch intensivsten.
Zwischen zwei Stühlen - die Todesahnung?
Im Jahr 1919 entscheidet sich Morales schließlich für die Poesie und gibt seine Arztstelle auf. Er zieht nach Las Palmas und beginnt an der Arbeit seines zweiten Buches „Las Rosas de Hércules“. In dieser Zeit beginnt seine nicht sehr intensive politische Laufbahn in der liberalen Partei „Partido Liberal“ bzw. sogar als Stellvertretender Inselpräsident. Viel zu früh mit nur 37 Jahren verstarb Tomás Morales am 15. August 1921 in Las Palmas de Gran Canaria und so sollte die Nachwelt nicht mehr in den Genuss weiterer seiner Dichtungen kommen.
Hauptwerk: Las rosas de hércules
Man kann wohl behaupten, dass es sich bei „Las Rosas de Hércules“ um das literarische Hauptwerk von Tomás Morales handelt, welches als zweites Buch im Jahr 1922 veröffentlicht wurde. Darin beinhaltet sind beispielsweise seine Visionen in der „Oda al Atlántico“, wo er auf die antiken Hesperiden und vorzeitliche Entdeckungsfahrten anspielt und das in feinfühligen Worten und großem rhetorischen Repertoire tut. Fast nüchtern dagegen und mit einer geradezu kaufmännischen Nüchternheit wirkt seine Auseinandersetzung im „Preislied auf Las Palmas“ (span. Canto a la ciudad comercial).
FAZIT
Der Besuch des Museums Tomás Morales ist sehr abwechslungsreich und interessant, auch für nicht spanische Besucher. Es bietet einen großen Einblick in das damalige Leben anhand der wunderschön und aufwändig rekonstruierten Räumlichkeiten mit der entsprechenden Einrichtung von einst. Wer hier ist sollte anschließend die Sehenswürdigkeiten in der Umgebung besuchen.
HINTERGRUND
Im Jahr 1966 erwarb die Inselregierung das Geburtshaus und eröffnete es am 25. Oktober 1976 als Casa Museo, das dem Leben und Werken des großen kanarischen Dichters gewidmet ist. Neben der umfangreichen Sammlung der Arbeiten des Poeten, zeigt es auch das Leben der gehobeneren Gesellschaft von anno dazumal auf. In der Bibliothek sind zudem wichtige Vertreter der Malerei des spanischen Modernismus zu sehen.
KONTAKT
Casa Museo Tomás Morales, Plaza de Tomás Morales s/n, 35420 Moya (neben der Kirche), Öffnungszeiten: Di. bis So. von 10.00 bis 18.00 Uhr (Juli bis September bis 19.00 Uhr), montags geschlossen. Eintritt: 2 Euro (1 Euro für Senioren über 65 Jahre).
Bus: Linie 116 und 117