In der Geschichte der Kanarischen Inseln hat eine Laus eine bedeutende Rolle gespielt. Die Koschenilleschildlaus, auf spanisch einfach „Cochinilla“ genannt. Sie liefert den Grundstoff für den hochwertigen natürlichen Farbstoff „Karminrot “. Ursprünglich kam sie in Zentral- und Südamerika vor, doch Seefahrer brachten sie auf die Kanaren. Schon aus vorchristlicher Zeit stammen die bisher ältesten Funde von gefärbten Textilienresten aus Nekropolen in Peru. Im zehnten Jahrhundert nach Christus war der Handel mit dem roten Farbstoff gang und gebe. Mit den Seefahrern und Eroberern kamen sie schließlich auf die Kanaren und zwar um 1924. Die klimatischen Bedingungen waren optimal, um die Schildläuse und die dazu notwendigen Kakteen zu züchten.
Der einst wichtigste Exportartikel
Die Produktion des roten Farbstoffes ersetzte den des Zuckerrohrs und erreichte zwischen 1845 und 1866 ihren Höhepunkt analog mit dem Aufschwung der Textilindustrie Europas. Die Ausfuhrmenge übertraf den Weinexport um das fünffache. Zollbeamte verzeichneten im Rekordjahr 1876 die stolze Menge von 7.000 Tonnen getrockneter Insekten. Auf Teneriffa bedeutete die Produktion sogar 90 Prozent ihres Exports. Hauptabnehmer war bei weitem Großbritannien und danach Frankreich. Doch kurze Zeit später, Ende dieses Jahrhunderts, machte der synthetisch hergestellte Purpurfarbstoff den Anbau obsolet da man aufgrund der aufwändigen Produktion preislich nicht mehr mithalten konnte. Die Produktion kam praktisch zum Erliegen und löste eine schwere Wirtschaftskrise auf den Kanaren aus.
Die Zucht der bis dahin so beliebten Insekten geriet fast vollständig in Vergessenheit. Nur einige wenige Plantagen setzten die handwerklich aufwändige Produktion fort und gaben ihr Wissen von Generation zu Generation weiter.
Revival des Ökofarbstoffes
Ökobewusste Betriebe entdecken den aus der Cochenilleschildlaus gewonnen Farbstoff wieder. Allerdings stammt dieser hauptsächlich aus Südamerika. Trotzdem bemühen sich einige Idealisten auf den Kanaren um die Wiederbelebung der Läusezucht, indem sie auf Qualität setzen. Vor allem auf Lanzarote baut man wieder systematisch Opuntien an. Auf einem Hektar kann man bei guter Verteilung der Schildläuse bis zu 400 Kilogramm jährlich ernten. Man bemüht sich um Förderungen aus der EU und es bleibt abzuwarten wie sich das weiter entwickelt. Einige Designer haben das natürliche Karminrot für sich entdeckt, so wie die Italienerin Cecilia Forcella.
Ernte von Hand
Die Laus ist eigentlich ein Schädling, ein Parasit, die ihren pflanzlichen Wirt unerbittlich ausnutzt. Allerdings ist der Kaktus namens Opuntie (siehe Gartentipp) genügsam und robust und lässt sich nicht unterkriegen. Zudem könnten so die aufgrund der Trockenheit kargen und sonst nicht nutzbaren Gegenden, das sogenannte „Malpais“ (dt. schlechtes Land), doch noch lukrativ genutzt werden.
Die Züchtungen auf den Kanaren sollen bis zu 22 Prozent Karminsäure enthalten und übertreffen somit ihre billigen Konkurrenten aus Südamerika qualitativ. Aus einem Kilo getrockneter Schildläusen können etwa 50 Gramm Karminsäure gewonnen werden. Doch Achtung: Für ein Kilogramm benötigt man bis zu 140.000 dieser Tierchen.
Die Produktion, Geduld gefragt
Bis dahin ist allerdings eine lange und arbeitsintensive Prozedur zu bewältigen. Die Läuse müssen an den Kakteen ausgesetzt werden. Sie pflanzen sich ausschließlich sexuell fort, wobei die Männchen kurz nach der Paarung sterben. Nach etwa drei Monaten muss man die weiblichen Läuse mühselig vom Kaktus mit der Hand abschaben, ohne sich an den vielen Stacheln zu verletzen. Danach werden die Tierchen auf luftdurchlässigen Planen, die auf Holzrahmen gespannt sind, zum Trocknen verteilt. Zwischendurch werden die Insekten regelmäßig gerüttelt. Ihr Gewicht reduziert sich am Ende auf etwa ein Viertel. Und nun werden sie maschinell nach Größe sortiert und von Fremdkörpern befreit. Die Endkontrolle der nunmehr homogenen Masse erfolgt manuell. Proben für die Bestimmung des Gehalts an Karminsäure werden in Labors geschickt, denn diese ist für die Qualität ausschlaggebend. Vierzig oder fünfzig Kilogramm werden dann in doppelte Jutesäcke abgepackt, wo sie bis zu zwei Jahre haltbar bleiben.
Einsatzgebiete dieses natürlichen Farbstoffs Karmin sind vornehmlich die Textilindustrie, die Kosmetik (Lippenstift, Nagellacke), Lebensmittel und Getränke (Campari).