Auf den Kanaren gibt es vieles, das wo anders nicht zu finden ist. Das hängt damit zusammen, das Inseln nun einmal von kontinentalen Entwicklungen abgeschieden waren, zumindest bis zur spanischen Eroberung (siehe auch unter Evolutionstheorie von Darwin). Bei Pflanzen ist es offensichtlich, Tabaiba und Cardón sind nur die augenscheinlichsten Beispiele für eine angepasste Vegetation. Wildtiere haben meist auch eine Evolution durchgemacht, die sie von ihren Artgenossen auf dem Festland unterscheidet. Bei einem Haustier würde man eine eigenständige kanarische Rasse vielleicht weniger vermuten. Das „Cochino Negro de Canarias“ beweist jedoch, dass es auch original kanarische Nutztiere gibt. Das Schwarze Schwein ist wahrscheinlich genau so lange auf den Kanaren heimisch, wie die Menschen. Historiker schätzen, dass die ersten Exem-plare vor mehr als 2.500 Jahren mit den Siedlern aus dem Norden Afrikas kamen. Damals gab es noch keine religiösen Bedenken gegen den Verzehr von Schweinefleisch und die Urkanarier nutzten ihre schwarzen Schweine entsprechend. Die Tiere dienten nicht nur als Nahrungsmittel, auch Fell, Klauen, Fett und Knochen wurden verwendet und verarbeitet, wie es in jeder prähistorischen Gesellschaft üblich war.
Während durch den Islam die Schweinezucht in Nordafrika zum Stillstand kam, war das kanarische Schwein bis zur Landung der ersten spanischen Eroberer ein bei den Urkanariern geschätztes Haustier. Es diente außerdem als eine Art organisches Reyclingsystem, durch das die Nahrungsreste wieder zu Nahrung wurden.
Keine Kostverächter
Auch die Spanier waren und sind keine Kostverächter und so blieb das Schwarze Schwein bis ins 20. Jahrhundert ein wichtiger Fleischlieferant für die Bewohner der Kanaren.
In Südamerika gibt es ebenfalls Schweinerassen, die auf das „Cochino Canario“ zurückzuverfolgen sind, bei den vielen Überfahrten nahmen die Spanier oft genug kanarische Schweine mit, die in Übersee zu Stammvätern neuer Rassen wurden.
Das Schwarze Schwein der Kanaren erfreute sich bis ins 20. Jahrhundert großer Beliebtheit. Es gab zwar kaum eine wirtschaftliche Nutzung in Form von Schweinefarmen, aber in vielen Haushalten gab es ein oder zwei Exemplare, die sich von Küchenresten ernährten und wenn die Zeit gekommen war, dieselbe Küche mit Bratenduft erfüllten.
Beinahe ausgestorben: "Cochino Negro"
Der wirtschaftliche Aufschwung ab der Mitte des 20. Jahrhunderts brachte die kanarische Schweinerasse an den Rand der Auslöschung. Weiße Schweine europäischer Herkunft sind weniger aufwändig in der Haltung und werden vor allem schneller schlachtreif. Während ein schwarzes Schwein mindestens neun Monate lang gemästet werden muss, um das Schlachtgewicht zu erreichen, schafft es ein weißes Schwein in der halben Zeit. Allerdings schmeckt es dann auch nur halb so gut, behaupten zumindest jene, die diesen Vergleich bewusst erlebt haben.
„IN“ Iist Bodenständiges aus der Region
Der internationale Trend, in der Gastronomie auf Qualitätsprodukte aus der näheren Umgebung zu setzen, hat auch auf den Kanaren ein Umdenken bewirkt. In ist nicht mehr möglichst Exotisches sondern bevorzugt Bodenständiges.
So ist es einigen einsatzfreudigen und bemühten Landwirten mit Unterstützung der Behörden gelungen, das kanarische Schwarze Schwein vor dem Aussterben zu retten. Das passierte natürlich nicht von heute auf morgen, sondern erforderte eine sorgfältige Rückzüchtung unter strenger veterinärmedizinischer Kontrolle.
Heute gibt es wieder viele landwirtschaftliche Betriebe, die erfolgreich die autochthone Schweinerasse züchten und das Fleisch ist bei einigen Metzgern zu erhalten bzw. steht auf den Speisekarten etlicher Restaurants.
Zu Besuch bei Landwirt Blas Alemán
Einer dieser Betriebe, die auf das Schwarze Schwein setzen, ist die „Granja“ (Hof) des jungen Landwirts Blas Alemán in Agüimes. Dort treffen wir auch den Gemeindeveterinär Samuel Rodríguez, der uns zusammen mit Blas in die Geheimnisse der „Schwarzen“ Schweinezucht einweiht.
Im Großen und Ganzen wird das kanarische Schwein so aufgezogen, wie jedes andere. Sie werden gefüttert, wachsen unter der Aufsicht des Bauern heran, paaren sich und landen letztlich in der Küche. Der entscheidende Unterschied zu den weißen bzw. rosa Schweinen liegt im Wachstum, das bei der kanarischen Rasse viel langsamer abläuft. „Dadurch ist das Fleisch besser durchzogen“, erläutert Samuel fachmännisch und führt fort „und der Braten wird dadurch viel saftiger“.
Was essen die Schweine?
Nun gut, wir essen gerne Schweinefleisch, vor allem saftiges, aber was essen denn die Tiere? „Unsere Schweine bekommen nur Nebenprodukte der Landwirtschaft“, erklärt der Züchter. Darunter versteht man Reste aus der Käseproduktion, Küchenabfälle, Reste von Obst und Gemüse, und dergleichen.
Kein Trockenfutter? Haken wir nach. „Nein, nur in der Phase wenn die Ferkel von der Muttermilch entwöhnt werden, bekommen sie ein wenig Kraftfutter“, versichert der Züchter. „Der Geschmack des Fleisches hängt von der Ernährung des Tieres ab“, doziert der Veterinär passenderweise dazu.
Da trifft es sich gut, dass die Familie Alemán seit Generationen einen Gemüseladen in Agüimes besitzt. „Inzwischen ist es auch eine Metzgerei“, verkündet die Mutter des Schweinezüchters Blas stolz.
Natürlich wird nur das Fleisch aus dem Betrieb des Sohnes angeboten. Bei unserem Besuch bekommen wir gleich weitere „Schweinereien“ kredenzt: Ein „Mantecado“, das ist ein süßes Plätzchen, mit dem Schmalz des Schwarzen Schweins gebacken, oder ein Brötchen mit einer äußerst würzigen und feinen Mettwurst, natürlich auch aus Rohmaterial derselben Herkunft. „Diese wird eigens für uns in einer benachbarten Wurstmanufaktur hergestellt“. Der junge landwirtschaftliche Unternehmer ruht sich keineswegs auf seinen Lorbeeren aus. „Demnächst wollen wir einen Rohschinken wie den Jamón Serrano auf den Markt bringen, verrät er seine Pläne. Die Versuche haben schon erfolgversprechend begonnen, die entsprechende behördliche Genehmigung ist in Vorbereitung.
Spezialität: Cochino a la Sal
Blas hat auf seiner Finca einen großen und modernen Backofen in dem er ganze Spanferkel zubereiten kann. Auf Bestellung liefert er die Delikatesse nach Hause oder zur Party. Seine Spezialität ist „Cochino a la sal“. Dabei wird das Ferkel komplett mit Salz bedeckt und langsam gebacken, „bis zu sieben Stunden, bei einem 70 Kilo schweren Exemplar“, rechnet er vor. Das Fleisch wird dadurch besonders zart und saftig.
Der letzte Auftritt - auf dem Teller
Der letzte Auftritt des Schwarzen Schweins der Kanaren ist auf dem Teller. Kulinarische Delikatessen aus seinem Fleisch werden in immer mehr Restaurants und Kneipen angeboten. Eines davon ist auf dem Plaza San Antón, natürlich in Agüimes, wo die Renaissance des Schwarzen Schweins auf Gran Canaria begonnen hat.
Der Wirt Heriberto betreibt dort seit 2008 die Kneipe „Mi Pueblo“, zu Deutsch „Mein Dorf“, und bietet seinen Gästen nicht nur preiswerte Menüs, täglich wechselnde Eintopfgerichte und ausgefallene Spezialitäten aus der Phantasie seines kreativen Kochs, sondern vor allem ausgezeichnete Gerichte aus dem Fleisch des Schwarzen Schweins. Da gibt es Schweinebraten mit Spiegeleiern (Pata de cerdo a caballo), Grillwürstchen, Rippen vom Grill und was dem Koch sonst noch einfällt. Der Braten ist wunderbar saftig, die Würstchen würzig und nach den Rippchen schlecken sich die Gäste die Finger ab. Dazu kredenzt Heriberto einen preisgekrönten Wein aus Agüimes, weiß oder rot, beides vollmundig und die Hausmannskost wunderbar ergänzend. Heriberto legt überhaupt Wert auf bodenständige Küche, wobei er darunter vor Allem versteht, Produkte aus der näheren Umgebung zu verwenden. Als Beispiel erzählt er, was er als „Ausflugsmenü“ anbietet. Brot aus dem Holzofen der Bäckerei aus der nächsten Straße, Olivenöl aus Temisas, das ein paar Kilometer oberhalb von Agüimes liegt, Würstchen vom Schwarzen Schwein von der Farm seines Freundes Blas Alemán, Schafskäse aus Corralillo, das wiederum nur ein paar Kilometer unterhalb des Ortes zu finden ist, dazu Tomaten aus einer ebenfalls nahe liegenden Plantage. In den Supermarkt geht er selten, versichert der junge Wirt glaubwürdig. Seine Gäste wissen das zu schätzen, die Einheimischen sowieso und auch die vielen Kunden von außerhalb, die immer wieder den Weg zu Heriberto finden.
Das Qualitätszertifikat
Das Kanarische Schwarze Schwein nimmt wieder den Platz auf der Speisekarte ein, der ihm in einer immer qualitätsbewusster werdenden Gesellschaft gebührt. Um die Qualität des Produkts zu garantieren, arbeiten der Verband der Züchter und die Inselregierung von Gran Canaria an einem Zertifikat, das dem Konsumenten eine durchgehende Kontrolle vom Stall bis zum Restaurant garantiert. Die technischen Vorarbeiten dafür sind abgeschlossen. Nun geht es darum, welche Betriebe sich dieser Kontrolle unterwerfen. Das sollte in den kommenden Wochen unterschriftsreif sein, dann wird jedes Gasthaus, das das „Schwarze Schwein“ auf der Karte hat, an einer Plakette zu erkennen sein. LANDWIRT BLAS ALEMÁN
Zucht der „Schwarzen Schweine“ mit angeschossener Metzgerei (Würsel, Fleisch etc.) und regionalen Produkten. Spezialität ist das gegrillte Schwein im Salzmantel „Cochino a la sal“.
c/La Gloria 22 in Agüimes (rosa Haus, kein Schild).
Tel.: 669 103 325. Facebook: Los Blases los Cercadillos.
Restaurant „mi pueblo“
Wirt Heriberto bietet Hausmannskost mit Produkten aus der Umgebung. Spezialität: Gerichte mit dem Schwarzen Schwein. Auch Tagesmenüs. Agüimes. (siehe Foto oben). Öffnungszeiten: Täglich von 11.00 bis 24.00 Uhr.
Tel.: 605 802 561.
STECKBRIEF
Das „Cochino Negro de Canarias“ ist eine in Spanien offiziell geschützte Rasse, die im Katalog der spanischen Viehzüchter registriert ist. Seit 2001 wird auch ein genetischer Stammbaum registriert, was eine erfolgreiche Rückzüchtung ermöglicht und die Reinheit der Viehrasse garantiert.
Die Tiere sind kleiner als europäische Hausschweine und erreichen zwischen 130 und 160 Kilogramm. Sie haben ein ruhiges Wesen und sind an die klimatischen Gegebenheiten der Kanaren angepasst. Das Futter besteht hauptsächlich aus Neben- und Abfallprodukten aus der Landwirtschaft. Das „Schwarze Schwein der Kanaren“ hat ein schwarzes Fell mit wenig Borsten und vielen Falten, besonders im Gesicht. Die Ohren sind groß und hängen meist bis zur Schnauze, die eine konkave Form aufweist. Die Beine sind kurz und dünn. Muttersäue können zwei Mal im Jahr 6 bis maximal 8 Junge werfen, weniger als bei weißen Schweinen und das Wachstum ist ebenfalls geringer, es dauert fast ein Jahr bis die Kanarischen Schweine verwertbar sind.
Nach jüngsten Zählungen gibt es auf den Kanaren etwa 600 Zuchttiere, fast zwei Drittel davon sind weiblich.