Ausgabe Nr.
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J M upload 25.02.2021, Viva Edition 173 | Print article

Jakobsweg von Gran Canaria: Die Etappen des (un)vergessenen Caminos 2021

1. Etappe: ab dem Leuchtturm oder Faro de Maspalomas

Der Leuchtturm befindet sich direkt am Meer und ist von Hotelanlagen umgeben. Ihre Fülle und ihr Luxus stehen in krassem Gegensatz zu dem bescheidenen Pilger, der sich mit Kürbis und Pilgerstab (jetzt Rucksack und Wanderstock) als einzigen Trost seinen Weg trotzt. Dekadenz, Verfall und Verschmutzung begleiten ihn nach Ayagaures.

Ein Weiler an zwei Stauseen und an einem Palmenhain in einem Grand Canyon von Gran Canaria. Dort winken ihm wehende Palmen zum Abschied, wenn er die moderne Welt hinter sich lässt. 

Von Ayagaures an zeigt sich Gran Canaria von seiner besten Seite. Wilde Schluchten, farbenfrohe Felsen und duftende Kiefernwälder lassen die Herzen vieler Naturliebhaber höher schlagen. Vom kleinen weißen Weiler führt ein Krabbelweg zum mehr als 500 Meter höher gelegenen Dorf Tunte. Die senkrechten Klippen der schmalen Schlucht scheinen den Pilger zu umarmen. Ein Zeichen der Zuneigung, was für manche, wie übrigens auch die sengende Sonne, eher erstickend wirkt. Unterwegs durchquert der Pilger kein einziges Dorf in dem er sich selbst versorgen kann.

Tunte und Ayagaures sind zwei schöne weiß getünchte Dörfer, deren Geschichte weit vor die der spanischen Eroberung des 15. Jahrhunderts zurückreicht. Dort ist das Leben beschaulich. Wer unter freiem Himmel schläft, der hat sein ideales Starlight-Reiseziel gefunden.

Tunte befindet sich in einem sehr großen Becken namens La Caldera de Tirajana und ist von 500 Meter hohen Klippen umgeben, die die Wolken vom Norden fernhalten. Im Morgengrauen überwinden diese dennoch ihr natürliches Hindernis und schmiegen sich über die Bergkämme darüber. Der Morgennebel breitet sich dann wie ein Brautschleier über den Kamm aus. Traumhaft schön!

2. Etappe: Tunte-Cruz de Tejeda. 15,1 km, 1000 m Aufstieg, 400 m Abstieg

Bei Tagesanbruch ist die Erde noch feucht und das Dorf riecht nach Schilfgras. Der Morgennebel begleitet den Pilger, wenn der alte gepflasterte Camino Real ihn von Tunte wegführt. Nach einigen hundert Metern wechselt der Duft von Gras zu einem Aroma von Tannennadeln und der Pilger erreicht den Wald, wo in der Nähe von Tunte die einheimische Kiefer oder „Pinus canariensis” ab 1950 aufgeforstet wurde.

In Cruz Grande trifft die Vertikalität von Gran Canaria den Pilger erneut hart ins Gesicht. Dort erwartet ihn der Aufstieg am "Camino de la Plata“: dem Silberweg. Dieser Kopfsteinpflasterweg führt den Wanderer entlang der senkrechten Flanken der Caldera de Tirajana und wird scherzhaft „La Muralla China“ genannt - die Chinesische Mauer auf Gran Canaria.

Im 19. Jahrhundert ließ sich die reiche Familie Yánez in Tunte nieder. Sie verliehen Geld zu Wucherzinsen und rissen bei Zahlungsverzug das Vermögen des Schuldners an sich. Die Bewohner bezahlten den Ausbau mit ihrem privaten Geld, der den Bau eines Schnellweges namens "el Camino de La Plata“. Heute gibt es auf dem Silberweg keine überladenen Wagen mehr. Am höchsten Punkt dominiert eine merkwürdige Felsformation in Form eines Fensterrahmens die Gegend: La Ventana del Nublo

Wenn man durch diesen ‚Fensterrahmen‘ schaut, sieht man die unbezwingbaren Schluchten des Inselzentrums, den Monolithen Roque Nublo und in der Ferne ihre Schwesterinsel Teneriffa mit dem Teide.

Von da an ist die berühmte Chinesische Mauer ehe ein Waldweg, der den Pilger weiter zur Hochebene von Llanos de La Paz führt. Dort erreicht er den Kraterrand der Caldera de Tejeda und überquert den Kamm, der auch die Wettergrenze Gran Canarias bildet. Diese teilt die Insel in einen grünen Norden und einen trockenen Süden. Der erschöpfte Pilger wird mit sanft abfallenden Wegen, majestätischen Aussichten, duftenden Blumen und jungen Vögeln, die ihm ein Frühlingslied vorsingen, belohnt. Gran Canarias Montañas Sagradas oder Heilige Berge sind gezackte Monolithen, die sich im eingestürzten Krater befinden. Sie wachen über den Pilger, bis er das Ende seiner zweiten Etappe und auch das geografische Zentrum der Insel erreicht: Cruz de Tejeda.

3. Etappe: Cruz de Tejeda

Es geht bergab und zwar 21 Kilometer lang. Der Weg führt zunächst durch eine bewaldete Hanglandschaft, doch am Krater von Los Pinos de Gáldar zeigt Gran Canarias Vulkanlandschaft in beeindruckender Weise. Während der Pilger die steilen Lavarampen hinuntersteigt, ist auf den mit losen Steinen führenden Pfad höchste Aufmerksamkeit gefragt. Nach dieser Tortour werden die Erhebungen wieder flacher und man durchwandert eine hügelige und grüne Landschaft. Die bewirtschafteten Felder sind von Obstbäumen gesäumt und hier und da erscheint ein einsamer Bauernhof. In dieser Phase ist der landwirtschaftliche Charakter der „Medianías“ besonders auffällig. Diese Zone liegt zwischen 600 m und 1500 m Höhe und ist dank der dort ständig vorherrschenden Wolken sehr fruchtbar.

Wenn der Pilger an die felsige Landschaft im südlichen Teil der Insel und die Wälder im Zentrum zurückdenkt und diese gespeicherten Bilder mit den Kohl- und Kartoffelfeldern in dieser letzten Phase vergleicht, kommt er zu dem Schluss, dass Gran Canaria tatsächlich ein Miniaturkontinent ist!

Als der Pilger dann die Türme der Kirche Santiago de Caballeros am Horizont im Höhlendorf Hoya del Pineda sieht, stößt er einen Freudenschrei aus. Sein letztes Ziel ist in Sicht und als Kind dieser Erde startet er seinen letzten Sprint!

Buen camino! Buena vida!

Wir wandern den Jakobsweg

Wir wandern in kleinen Gruppen den kompletten Jakobsweg vom Leuchtturm bis Gáldar. Am letzten Tag endet unser Abenteuer in der Kirche von Gáldar. 

Preis pro Strecke und pro Person ist 45 Euro je Tour, der auch nur Etappenweise gebucht werden kann. Reservierungen und Information: Sofie Hendrikx (+34) 653 737 773 und Email: mogan.verde@gmail.com

 

 

 

 

 

Siehe auch 

2021: Das heilige compostelanische Jahr - Jakobsweg Gran Canaria

Tarta de Santiago oder Jakobstorte - eine importierte Spezialität