Das Coronavirus hat viel Leid in unsere Gesellschaft gebracht. Denkt man an die vielen Toten, über 200.0001) Ende April, dann muss man unweigerlich dies unter Berücksichtigung der Familie und Freunde in ihren Auswirkungen noch potenzieren. Manche Regionen hat es besonders hart getroffen, wie beispielsweise Italien, die USA und nicht zuletzt Spanien.
Neben der ungeheuer großen menschlichen Katastrophe sind als Folge der Eindämmungsmaßnahmen auch viele Existenzen in arge Bedrängnis geraten. Vor allem die Tourismusindustrie kommt ganz zum Erliegen und besonders betroffen sind Fluglinien, Reiseveranstalter, Gastronomie und Hotellerie sowie alle Dienstleister.
Manche Länder, wie z. B. Österreich und Deutschland, haben die Ausbreitung von Covid-19 durch intensive Testungen vorläufig unter Kontrolle. Sie beginnen schrittweise ihre Gesellschaft und Wirtschaft wieder in ein ‚neues normales Leben‘ rückzuführen. Erste Gespräche zwischen Ländern sind angelaufen, um über Grenzöffnungen zu beraten, um möglicherweise Alternativen für den Sommerurlaub auszuarbeiten. Klar ist, dass nur jene Menschen die Grenzen passieren können, die aus einem sogenannten ‚sicheren Staat‘ kommen. Es stellt sich nun die Frage, ob die Autonomieregion der Kanarischen Inseln einen Sonderstatus haben könnte - auch wenn die Situation auf dem Festland leider noch immer höchst dramatisch ist.
Die Chancen
Die Kanarischen Inseln sind von den Auswirkungen der Pandemie besonders hart betroffen, denn 40 % der Beschäftigten sind im Tourismus tätig, der etwa 35 % des BIP generiert, ohne den indirekten volkswirtschaftlichen Nutzen zu bemessen. Klar ist, dass jene Länder und Destinationen eine Chance haben sich von dieser Krise auch wirtschaftlich zu erholen, welche die Ausbreitung schneller in den Griff bekommen und mit durchdachten Konzepten das Wiederaufkeimen bzw. eine zweite Welle verhindern (z. B. Testungen, „Contact Tracking“ etc.)
Die Ausgangslage für die Kanarischen Inseln ist - ohne pietätlos sein zu wollen - gar nicht schlecht. Betrachtet man die Zahlen nüchtern und stellt sie in Relation zu den Einwohnern, dann können sie sich mit jenen von Deutschland und Österreich messen. Dies betrifft Fallzahlen, Mortalität und Testungen.
Durch die isolierte Lage der Inseln sind Einreisekontrollen und allfällige Testungen leichter zu bewerkstelligen als in Europa.
Die Kapazitäten des hiesigen Gesundheitssystems sind überproportional gut ausgebaut und besetzt (ca. 30.000 Ressourcen im Gesundheitsbereich).
Betrachtet man das Profil des typischen Kanarenurlaubers und die Möglichkeiten des Archipels, dann zeigen sich interessante Aspekte. Dafür nehmen wir die letzte Veröffentlichung der Profilanalyse des typischen Touristen 2019 2) zur Hand.
Das Klima ist für 78 Prozent aller Urlauber der Hauptgrund für die Wahl der Destination. Sicherheit (52 %), Ruhe (48 %), das Meer (44 %) und die Strände (38 %) sind weitere sehr wichtige Beweggründe (siehe Chart), die in Anbetracht der bevorstehenden Einschränkungen der ‚neuen Normalität’ durch die soziale Distanzierung nicht beeinflusst werden. Kein wichtiges Motiv für einen Urlaub auf den Kanarischen Inseln ist das Party- und Nachtleben, nämlich nur für 8 % der Gäste. Dieser statistische Wert könnte sich vor allem durch die vielen Besucher während der Karnevalsfeiern sowie der Gay Pride ergeben haben, denn die Kanaren sind ansonsten eher eine Destination zum Entspannen (Golf spielen, Essen gehen, erholen, Sonne tanken und Strandbesuche). Zudem sind knapp die Hälfte der Touristen Paare.
Das Durchschnittsalter der Urlauber liegt bei 31,8 Prozent zwischen 46 und 60 Jahre und 22,1 Prozent sind älter als 60 Jahre.
Bei 68,9 Prozent der Gäste handelt es sich um Personen mit einer höheren Ausbildung bzw. nur 5 Prozent haben keine abgeschlossene Schul- oder Berufsausbildung.
Der typische Kanarenurlauber liegt gemäß der Analyse des Tourismusprofils im gehobenen Einkommensbereich, siehe vgl. des jährlichen Nettoeinkommens:
22,2 % über 75.000 Euro
22,8 % von 50.000 bis 74.999 Euro
37,5 % von 25.000 bis 49.999 Euro
17,5 % unter 25.000 Euro.
Angenommen die Flugpreise steigen aufgrund der zu erwartenden geringen Flugverbindungen und die Flüge werden vom spanischen Staat nicht gestützt, dann ist anzunehmen, dass diese Einkommensschichten gewillt und in der Lage sind mehr Geld auszugeben, um einen sicheren Urlaub ohne Coronavirus zu verbringen.
Markt
Knapp 2,4 Millionen Deutsche urlaubten im Jahr 2019 auf den Kanarischen Inseln, was einem Anteil von 18 Prozent der ausländischen Touristen entspricht. Sollte der Archipel seine Grenzen für diesen Markt öffnen, dann ist anzunehmen, dass viele Deutsche in Ermangelung an Alternativen für einen Strandurlaub kommen könnten - vorausgesetzt, dass es genügend Flüge gibt.
Neben Deutschland ist die Situation der Eindämmung der Covid-19 Ausbreitung auch in Österreich sehr gut. Allerdings wird der Flugverkehr mit Spanien voraussichtlich in den nächsten Monaten nicht wieder aufgenommen und daher hat die österreichische Bundesregierung den Bürgerinnen und Bürgern nahe gelegt, sich in diesem Jahr mit der Vorstellung eines Urlaubs in der Heimat anzufreunden.
Kampf gegen All-Inclusive
Auf den Kanarischen Inseln hat sich in den letzten Jahren der Anteil der All-Inclusive Touristen sukzessive bis auf 39,4 Prozent im Jahr 2019 erhöht. Dieses Urlaubersegment gibt durchschnittlich weniger Geld aus, als Individualreisende und trägt weniger direkt volkswirtschaftlich bei. Die Hotel- und Gastronomie werden für All-Inclusive Betriebe schwierig zu bewerkstelligen sein und aus derzeitiger Sicht scheint es unwahrscheinlich, dass diese Sparte bis Herbst bzw. bis Jahresende ihren regulären Betrieb aufnehmen wird.
Eventuell könnte der Archipel durch seine Öffnung mit strengen Einreiseauflagen neue Touristen anlocken, die potenziell auch in Zukunft die Destination für ihre Urlaube in Betracht ziehen.
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Siehe auch Jet2 rüstet sich für Wiederaufnahme der Flüge zu den Kanarischen Inseln ab Juli 2020