Ausgabe Nr.
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J M upload 09.05.2019, Viva Edition 118 | Print article

Día de la Cruz am 3. Mai und Maifeiern auf La Palma und Teneriffa

Jedes Jahr aufs Neue bietet sich am 3. Mai ein bezauberndes Bild in den Straßen des kanarischen Archipels. Kirchen, Plätze und Häuser sind gesäumt von üppig geschmückten Kreuzen. Man sieht sie in allen Variationen, ausladend dekoriert mit bunten Blumen (meist Nelken), Papierblüten oder Früchten. Gefeiert wird der „Día de la Cruz“ (Tag des Kreuzes), traditionell verbreitet in Spanien und Lateinamerika. In vielen kanarischen Dörfern und Städten wird ein eigenes, aufwändig dekoriertes XXL-Kreuz aufgestellt, oftmals gebettet in einen Blumenaltar. In vielen Orten schließen sich die „Fiestas de Mayo“ an. Gefeiert wird den ganzen Monat Mai - umso ausgiebiger dort, wo sich das Wörtchen „Cruz“ im Städtenamen verbirgt.

'Das Kreuz' mit dem Kreuz

Das Kreuz lässt sich als christliches Symbol nachweisen seit der Zeit der Völkerwanderung (375 - 568 n. Chr.). Eine Vertikale, ein Horizontale - einfach, aber voller Symbolik. In der Religion: die Waagerechte versinnbildlicht die Beziehung zur Erde, die Senkrechte die Verbindung zu Gott. 

Schlägt man im „Duden“ nach, so kommt dies unseren Assoziationen näher: „mittelhochdeutsch kriuz(e) = Kreuz Christi, Mühsal, Leid, Qual; Althochdeutsch krüzi, wie ‚Kreuz Christi‘; spätlateinisch crux (Genitiv: crucis); lat. Marter-, Hinrichtungspfahl (in T-Form oder der Form eines Kreuzes)“. Übrigens - der Begriff „Kruzifix“ setzt die Darstellung des gekreuzigten Jesus Christus voraus.

Was veranlasst Christen, ein Folter- und Hinrichtungswerkzeug, verbunden mit Leid und Tod, zu verehren? Und warum am 3. Mai? Der prinzipielle Grund der Verherrlichung: das Kreuz symbolisiert nicht nur Tod, sondern auch Hoffnung. Die Auferstehung Jesu als ein Zeichen der Erlösung. Wir möchten versuchen, die Hintergründe für den Brauch am 3. Mai zu erforschen. Dazu muss man weit ausholen ...

Die Legende der Helena

In der römisch-katholischen Kirche markiert der 3. Mai die „Auffindung des Heiligen Kreuzes“. Es gibt viele Versionen zu diesem Ereignis, am weitesten verbreitet ist die „Helena-Legende“. Sie besagt, dass Helena (248 - 329), Mutter des römischen Kaisers (Konstantin der Große), im Traum eine Erscheinung Gottes hatte. Ihr Auftrag: eine Reise nach Palästina, um die Stätten Jesu zu erforschen. Helena soll im Jahre 325 in Jerusalem die Grabeshöhle und das einzig wahre, das echte Kreuz von Jesus Christus aufgestöbert haben. 

Nach der Auffindung sind Bruchstücke des Opferkreuzes als Reliquien an Kirchen und Personen in aller Welt verteilt worden. Ein Teil wurde nach Rom zum Palast Helenas gebracht, welcher später der Kirche vermacht wurde. Die heutige Basilika „Sta. Croce di Gerusalemme“. Finderlohn für Helena: sie wurde zur Heiligen erklärt. Es gibt keine wissenschaftlichen Beweise. Und wenn man sämtliche Kreuzreliquien aus aller Welt zusammenbasteln würde, wäre Jesus nicht nur an einem einzigen Kreuz gestorben. Zumindest gab Papst Alexander VI. seinen Segen: er erklärte die in Rom aufbewahrten Reliquien mit der Bulle „Admirabile Sacramentum“ (1496) für echt.

Mythische Bäume und Blumen

Die Tradition der Frühlingsfeiern geben Anlass zu vielen Spekulationen über deren Symbolik. Blumen und Bäume nahmen dabei in den Mythen immer einen großen Platz ein. Was des einen Kreuz, ist des anderen Maibaum. Woher kommt der Maibaum? Ein Ansatz: ein alter germanischer Brauch mit dem Baum als Fruchtbarkeitssymbol. Der Legende nach sollen die Germanen ihre Waldgottheiten verehrt haben, indem sie nach der Walpurgisnacht am 1. Mai einen geschmückten Baum aufstellten.

Pionier der Frühlingsfeste soll der Baumkult „Arbor Intrat“ in der Antike gewesen sein. Der Mythos nach Ovid (43 v. Chr. - 17 n. Chr.) überliefert die pikant-tragische Liebesgeschichte zwischen der Muttergottheit Cybele und dem phrygischen Knaben Attis (Pendant zu Adonis). Das Ende der Geschichte: der entmannte Attis wird in eine Pinie verwandelt und fortan als Heiliger Baum verehrt. Geboren war der Cybeles-Kult mit Zelebrationen zum Frühlingsbeginn. Ein Baum, mit Bändchen und Veilchen verziert, diente als Attis-Symbol. Diese Tradition konnte lange dem Christentum trotzen.

Wer hat das schönste Kreuz?

Wenden wir uns wieder der Gegenwart zu. Wie es in der Natur des Menschen liegt, treibt der Konkurrenzkampf hier wahre Blüten. In den Gemeinden werden Wettbewerbe für das schönste Kreuz veranstaltet, z. B. in Teror auf Gran Canaria. Alle legen sich kräftig ins Zeug bei der Erstellung. Man brütet Monate vor dem Event über das Design. Auf der Plaza Santa Ana in Las Palmas stellen am 3. Mai Schulen ihre Recycling-Arbeiten vor. Die Kreationen entstehen aus Zeitungspapier, Blättern, Eierkartons oder Plastikflaschen. Der eigentliche Gewinner ist der Betrachter, der sich an den Kunstwerken erfreut.

Mai-Feiern

Vor allem auf Teneriffa und La Palma feiert man ausgiebig die „Fiestas de Mayo“, gewürzt vom religiösen Hintergrund der Kreuzauffindung. Somit verbindet sich der christliche Glaube mit dem Weltlichen auf elegante Weise. Alle haben Spaß an diesem Volksfest. Orte wie Santa Cruz de Tenerife nutzen diese super Gelegenheit, den Stadtgründungstag (3. Mai 1494) damit zu verbinden. In der Nacht vom 2. auf den 3. Mai füllen sich die Plätze (Plaza de España und Candelaria, Alameda del Duque), man feiert in den Festtag hinein. Es folgt eine Mega-Party, den ganzen Mai hindurch, mit Konzerten, Umzügen, Viehausstellungen und altkanarischen Sportarten. In Los Realejos auf Teneriffa lässt man es dann echt krachen: Am 3. Mai erhellt sich der Nachthimmel mit einem dreistündigen Feuerwerk. 

Santa Cruz de La Palma hat auch allen Grund zum Feiern. Hier schreibt man sich die Stadtgründung im Jahre 1493 aufs Banner, als der spanische Eroberer de Lugo sein Kreuz in die Erde steckte. Jeder Ort, der stolz ein „Cruz“ im Namen ausweist, hat seine eigene Kreuz-Legende.

Volksfest - warum nicht?

Warum sich den Kopf zerbrechen über Symbolik und Ursprung? Der „Tag der Kreuzfindung“ ist längst verknüpft mit fröhlichen Volksfesten, also eher weltlichen Charakters. Frühlingsgefühle, frühsommerliche Temperaturen, farbenprächtiger Blumenschmuck, ein Touch Religion - das Ganze in eine Fiesta gepackt. Was will man mehr? Der Tanz in den Wonnemonat Mai ist eröffnet!            

Eva Dienesen