Es ist Mai und die Sehnsucht nach Strand ist groß. Zumindest bei mir. Nehmen Sie es mir ab, wenn ich Ihnen sage, dass ich dieses Jahr bisher lediglich zwei Mal am Strand gewesen bin? Im Januar in Maspalomas und im März auf El Hierro, das bekanntermaßen nicht gerade für Strände charakteristisch ist. Das ist selbst für mich wenig, der lieber in den Bergen herumturnt, als auf Sand alle Viere von sich streckt.
Nun haben wir auf Gran Canaria das Glück ganzjährig an Strände gehen zu können. Wobei ich nicht wenige Canarios kenne, die über die Wintermonate hinweg wenig bis überhaupt nicht am Strand liegen und schon gar nicht ins Wasser springen. Viel zu kalt! Das höchste der Gefühle ist ein Strandpromenaden-Spaziergang. Es gibt aber auch genauso viele, die jahreszeitenunabhängig Strand und Meer regelmäßig genießen. Der Gefühlsausbruch „KALT!“ ist lediglich eine Sache der Gewöhnung. Und des Geistes!
1001 Strände
Die Auswahl ist so groß, dass wir unmöglich alle Strände kennen können und die Entscheidung manchmal schwer fällt. Jeder von uns dürfte so seinen Lieblingsstrand haben. Welcher ist Ihrer? Schreiben Sie uns eine E-Mail. Meiner ist keiner. Ich tue mich schwer mit Lieblingsplätzen. Am Ende ist es meist nicht der Platz, sondern der Moment, die Begleitung, die eigenen Gedanken oder der Geruch. Es gibt einfach viel zu viele Strände unterschiedlichster Art, um einen auszuwählen. Zumindest für mich. Aber ich gebe zu, ich bin sehr umtriebig und bin selten zwei Mal hintereinander am selben Ort.
Meine Mutter schwört auf den Strand Las Canteras in Las Palmas de Gran Canaria. Das ist mit weitem Abstand ihr Lieblingsstrand. Wenn es Körper und Geist zulassen, spaziert sie täglich an diesem Strand entlang. Aber baden tut sie erst so um diese Jahreszeit, wenn das Wasser so langsam wärmer wird und die Sonne intensiver aufheizt.
Sehnsucht: Strand
Ich habe mich an letztes Jahr erinnert gefühlt, als ich während der letzten Tage eine unbändige Sehnsucht nach Strand spürte. Da bin ich eines schönen Maitages mir nichts dir nichts durch die Gegend gefahren, um an der Playa de Tufia zu landen. Ganz ungeplant und unverhofft. Es war reine Intuition. Ich kannte den Strand bereits, war aber seit vielen Jahren nicht mehr dort gewesen.
Ich lief durch das kleine Dorf herunter zum Strand. WOW! Die Kulisse ist das, was man in vielen Werbekatalogen oft als erstunken und erlogen enttarnt: MALERISCH. Hier trifft es in der Tat zu. Und auch: TRAUMHAFT. Es war noch vormittags und die Sonne war inmitten ihrer Wanderung zum höchsten Punkt des Tages. Das Licht war sensationell. Es war eine Wonne höchster Güte dort zu verweilen und das Baumeln der Seele im Schein der lebensspendenden Strahlen auf die Spitze zu treiben.
Romantik und Realität
Ich war alleine am Strand, bis ein Einheimischer aus seiner in den Felsen gehauenen Wohnung direkt am Strand herauskam und ein laues wie lautes Lüftchen von sich gab. Kein Scherz! Ich war keine fünf Meter von ihm entfernt und war in den Irrungen meines verwinkelten Hirns verschlungen, als der weit über siebzig Jahre alte Herr seinen Schließmuskel vibrieren ließ.
Genüsslich streckte sich der Mann nach oben und zur Seite, wie es sonst nur Katzen oder Hunde machen. Als er mich entdeckte, sah er mich mit einem Möwenblick an, grüßte mich mit einer Handbewegung und ging wieder zurück in seine Höhle.
Fische mit und ohne Beine
Alsbald bekam ich Besuch von einem Taucher in voller Montur und wir kamen ins Gespräch. Er sei passionierter Taucher und Unterwasserfotograf und versicherte mir, dass die Playa de Tufia einer der spektakulärsten Tauch-Spots der Insel wäre. Zwar wären andere Spots viel bekannter, aber Tufia stehe diesen in Nichts nach. Ein Geheimtipp also.
Und im Nu stieg er ins Wasser wie eine Nymphe sonst aus dem Wasser, dieser Fisch mit zwei Beinen und seinem ganzen Equipment samt voluminöser Unterwasser-Kamera, und gesellte sich zu den Fischen ohne Beine. Letztere gibt es hier und Drumherum zu Hauf und sind charakteristisch für diesen Ort. Tufia war und ist ein Fischerdorf.
Spannende Kontraste
Danach verließ ich diese großartige Kulisse mit weißen Häusern an der felsigen Steilküste. Diesen schwarzen Sandstrand mit felsiger Bucht. Und ging durch das Dorf zurück nach oben am prähistorischen Ausgrabungsort vorbei zum Zwillingstrand: la Playa de Aguadulce.
Ein Strand, der sich nur wenige Minuten entfernt auf der anderen Seite der Landzunge befindet und das komplette Gegenteil von Tufia ist. Hier ist der Sand golden und die Bucht sandig. Und wieder muss man sich eines abgegriffenen Wortes bedienen: MAGISCH. Ja, dieser Strand besitzt eine überwältigende Magie.
Kein Klo, kein Kiosk ...
Das Magische ist überall dort, wo wir es finden wollen. Das hängt auch oft von der Tagesform ab. Aguadulce ist naturbelassen. Der Strand und seine Bucht und das war es. Kein Klo, kein Kiosk. Nichts. Das tut der Seele gut.
Als ich von oben auf den Strand blickte, spielten gerade zwei Hunde unter den Augen ihrer drei Begleiter. Freudig hüpften sie im Sand herum, platschten mit ihren Pfoten am Ufer entlang und wedelten mit ihrer Verlängerung der Wirbelsäule in Form ihres beweglichen, schmalen Fortsatzes des hinteren Rumpfendes freudig im Stakkato. Und die Begleiter? Beschäftigt mit ihren Handys.
Der Tomaten-Strand
Unten angekommen machte im Schatten unter dem Felsen eine Putzkolonne Pause. Ein Sandwich (Thunfisch, Mais und Mayonnaise), eine Banane (von der Insel) und eine Dose Coca-Cola (flüssiges Gift). Bei allen dreien war es in etwa die gleiche Konstellation.
Sie erzählten mir von früher und den Tomaten. Die ganze Gegend sei voll mit Tomatenplantagen gewesen. Doch die Tomatenzeiten wären seit langem vorbei. Heute liegt alles brach. Keine einzige Tomate sei mehr übrig geblieben. Schade eigentlich, sind sich die drei einig, Tomaten seien ihr Lieblingsgemüse. Die Leier von der bösen Tomate, die ein Nachtschattengewächs und somit voll von natürlichen Giften ist, ersparte ich ihnen.
Gib mir Strand ...
Nachdem mir diese Erinnerungen in Gedanken und Gefühlen wieder kamen, werde ich in den nächsten Tagen einen Strandtag einlegen. Oder zumindest einen halben. Einen ganzen halte ich ehrlich gesagt nicht aus. Und wohin wird es mich verschlagen? An die Playa de Tufia zu meinem Pupsfreund und dem Fisch mit zwei Beinen und an die Playa de Aguadulce zu meinen lieben Vierbeinern und dem Tomaten-Trio des Trödeltrupps.
So groß und einfach die Welt am Strand, nur Wind und Wolken, nur Meer und Sand. Ein Satz von Carl Peter Fröhling, der in all seiner Einfachheit all das ausdrückt was ein Strand bietet: Einfachheit. Am Strand liegen oder spazieren ist Balsam auf unsere geschundenen Seelen und Körper. Ich sollte das öfters machen, einfach mal an den Strand gehen. Das Leben kann so einfach sein.
Rolando G. Suárez
Anm. d. Red.: Die Playa de Tufia liegt südlich der Bucht Bahía de Melenara. Anfahrt: GC-1, Ausfahrt Nr. 13 in Richtung El Goro und Carretera de Tufia bis zum Dorf. Der Felsvorsprung (Morro de Tufia) trennt die kleine 40 m lange Bucht Playa de Tufia von der südlichen Playa Aguadulce. Die ganze Enklave ist zum „Besonderen Schutzgebiet ZEC“, Ort von wissenschaftlichem Interesse und Küstenvogelschutzgebiet.