La Fortaleza de Ansite. Der Name dieser Felsformation ist in vielerlei Hinsicht zutreffend. Umgeben von den Tiefen der Schlucht von Tirajana liegt auf einem steilen Basaltmassiv eine uneinnehmbar anmutende Felsformation, die einst für die Urbevölkerung eine bedeutende Rolle spielte. Exakt in einer Linie positioniert vervollständigt die Fortaleza Grande, wie sie landläufig auch genannt wird, noch Fortaleza Chica (Foto 006) und Titana.
Wo Erde und Himmel sich küssen
Genetische und sprachwissenschaftlichen Studien zufolge, liegt der Ursprung der indigenen Bevölkerung zweifelsohne auf dem nordafrikanischen Kontinent, konkret sind es die Berber bzw. die bekannteste indigen Ethnie der Berbervölker ‘Imazighen‘. Dokumentiert ist, dass die ersten Siedler auf das 3. und 4. Jhdt. zurückreichen und in der Zone um La Fortaleza die erste stabile Ansiedlung der indigenen Bevölkerung existierte und zwar bis ins 15. Jhdt., also bis zur endgültigen Eroberung der Insel durch die Spanier.
Die Siedlung zu ‚ihren Füßen’ umfasste einige hundert Siedler mit einem gesonderten bzw. abgegrenzten Bereich für das Nutzvieh. Ein zentral verwalteter Silo sorgte in Zeiten der Not aufgrund von Dürre etc. für die Verpflegung der Bevölkerung, die ein Zehntel ihrer Ernte für die Allgemeinheit abführten. Im Tunnel, der durch die Felsformation führt, wurden Versammlungen abgehalten, wenn wichtige Entscheidungen anstanden.
Warum La Fortaleza ein Kultplatz ist
Aber warum war La Fortaleza ein Kultplatz für die Altkanarier? Die imposante Erscheinung und die außergewöhnliche Lage waren sicherlich Faktoren, die nachvollziehbar sind. Eingebettet in den Barranco de Tirajana ist sie in die vier Himmelsrichtungen ausgerichtet. Zudem sind von hier aus andere Fund- und Kultstellen in direkter Sichtweite, wie z. B. Cueva de La Luna, Almogarén del Seto, Tumulo del Gigante, Degollada de los Molinos und Cuevas Blancas.
Zudem bietet die Höhle bzw. der Tunnel (Foto 002 - 004), der durch das Felsmassiv führt zur Sonnwende ein interessantes Lichtspiel. Vom 20. bis zum 22. Juni scheinen die Sonnenstrahlen durch ihn hindurch und bündeln sich hell strahlend aus der Rückseite heraus.
Tipp: Sie können durch den Tunnel der La Fortaleza Grande durchgehen und an der Rückseite über einen Trampelweg (Foto 005) eine Rundtour um die Festung machen. Dauer ca. 10 Minuten.
Die verlorene Zeit - auf Spurensuche
Keine Schriften, Skizzen, Malereien oder Gemälde und schon gar keine Fotografien existieren über die indigene Bevölkerung. Man ist somit von der archäologischen Arbeit abhängig, die Funde in Kontext zu stellen, zu untersuchen und zu interpretieren - eine spannende Zeit. Die Erkenntnisse aus dieser Arbeit bieten eine umfassende Sicht auf das Leben der Altkanarier, von der Gesellschaft, dem sozialen Gefüge, dem Alltagsleben bis hin zu spirituellen Riten.
Spätestens seit den spektakulären archäologischen Funden am ‚Dach von La Fortaleza’2) im Jahr 2018 ist ihr kultureller Wert für die Insel unbestritten und die Ausgrabungen laufen weiter. Dort oben, wo sich Himmel und Erde zu vereinen scheinen, wurden in schwindelerregender Höhe Rituale zelebriert. Neben den archäologischen Fundstücken wurden auch Felsgravierungen entdeckt. Der Zugang war nur über einen halsbrecherisch steilen Kletterweg möglich. Andere Zugänge wurden, wie bereits berichtet, mit Steinen verschlossen.
‚Wiederbelebt' - die Gesichtsrekonstruktion „Humiaga 977“
Ebenfalls dort wurde jemand bestattet, was eine Sonderstellung zur restlichen Bevölkerung bedeutet, denn normalerweise wurden dafür eigene Bestattungshöhlen (Foto 006) verwendet. Nun hat man im Rahmen des Projekts Humiaga 977 versucht, anhand des Schädelfundes das Aussehen zu rekonstruieren. Der Name steht für „Human Investigation And Genetic Analysis“ und bei der Zahl handelt es sich um die Registrierungsnummer des Museo Canario3), des bei weitem größen und wichtigsten kanarischen Museums für archäologische Funde. Dieser Schädel bildete die Basis für die forensische Gesichtsrekonstruktion (Foto 007).
Aus einer durchgeführten Carbon-17 Analyse ging hervor, dass es sich bei diesem Fund um eine Frau handelte, die Ende des 5. bis Anfang des 6. Jhdts. lebte. Anhand genetischer Analysen konnten 40 Merkmale, wie z. B. die Farbe der Haut, Augen oder des Haares näher bestimmt werden.
Handelte es sich hierbei also um eine Priesterin, einer Maguada? Gab es diese bereits zu dieser Zeit? Darüber sind sich die Forscher noch nicht einig. Sicher ist jedenfalls, dass sie eine besondere Rolle innerhalb der indigenen Gesellschaft einnahmen, vor allem bei spirituellen Riten, wie beispielsweise das Beschwören von Regen oder Fruchtbarkeitsrituale. Der Sonderstatus der Maguada zeigte sich nicht nur im Ort der Bestattung auf dem Dach dieses Kultplatzes, sondern auch in ihrer Kleidung. Sie trug eine lange, helle Tierhaut.
Zwei „Idolos“, die ebenfalls auf dem Dach von La Fortaleza gefunden wurden, stellen Frauen dar, deren Geschlechtsmerkmale überdeutlich dargestellt wurden (Foto 008) und somit die Frau oder Fruchtbarkeit symbolisieren könnten. Eine andere Figur zeigt dagegen eine Frau mit geflochtenen Haaren und einem langen Kleid - eine Maguada?
Sonderausstellung „El tiempo perdido“
Im nahe gelegenen Interpretationszentrum1) werden immer wieder aus den Funden abgeleitete neue Erkenntnisse der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Unter dem Titel „El tiempo perdido“ läuft die jüngste Ausstellung, in die bereits jüngste Informationen der Rekonstruktion sowie die neuen Funde aufgenommen wurden.
Tipp: Für diese Sonderausstellung wurde ein begleitendes Buch „El tiempo perdido“ (Foto 007) herausgegeben, das Sie vor Ort im Shop erwerben können. Es gibt interessante Einblicke in die Arbeit und Erkenntnisse rund um die archäologische Fundstelle von La Fortaleza sowie der Geschichte der indigenen Bevölkerung in der Zone der La Caldera.
Kontakt
Adresse: Centro de Interpretación - Museo La Fortaleza, Hoya de Rábano 48 an der GC-651 bei km 1,9 – La Sorrueda / Santa Lucía.
Geöffnet: Di. bis So. von 10.00 bis 17.00 Uhr, montags geschlossen. Hunde sind erlaubt, Leinenpflicht.
Eintritt: 4 Euro, 2 Euro für Arbeitslose und Senioren, 3 Euro für Gruppen ab 10 Personen, Führungen in verschiedenen Sprachen auf Anfrage für 10 Euro (mind. 8 Personen), Tel.: 928 798 580 und 690 188 446, Email: info@lafortaleza.es
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Siehe auch:
1)Viva Canarias Nr. 92 vom 26.02.2019 „Neueröffnet: Interpretationszentrum La Fortaleza, Festung der Altkanarier“ La Fortaleza, Neueröffnung des Museums der Festung der Altkanarier
2)Viva Canarias Nr. 101 vom 16.05.2018 „Spektakuläre Archäologiefunde bei La Fortaleza“ - www.viva-canarias.es Spektakuläre Archäologiefunde bei La Fortaleza
2)Viva Canarias Nr. 151 vom 6.05.2019 "Museo Canario“ Museo Canario - Die Geschichte des Dr. Chil