Manchmal leben Künstler mitten unter uns, ohne dass wir uns gewahr werden, wie bekannt sie eigentlich sind. Und auf Gran Canaria, so weit weg von der großen weiten Welt, ist das vielleicht noch ein wenig mehr der Fall, obwohl hier einige Kunstschaffende ihrer Kreativität freien Lauf lassen. 2013 erwählte das New York Arts Magazin den Deutschen Dieter Borst als einen der internationalen Repräsentanten für die Stilrichtung der informellen Malerei. Schon seit Jahren kennen wir den unprätentiösen Maler, Bildhauer und Fotografen Borst und nehmen das nun zum Anlass für ein persönliches Gespräch. als kind nicht
Verdorben
Seine Welt ist die informelle Malerei, wie er sagt, und das schon seit Kindheit an. Der 1950 in Schramberg im Schwarzwald geborene Künstler erinnert sich: „Ich malte die üblichen Kinderthemen auf meine ganz eigene Art, die eben ein wenig anders ausgesehen haben, als die von anderen Kindern. Zum Glück wurde ich nicht von den Meinungen der Erwachsenen ‚verdorben‘ und habe mir so diese kindliche Sichtweise in meiner künstlerischen Auseinandersetzung behalten können. Damit meine ich nicht naive Malerei, sondern eine andere, eine Art reduzierte. Meine Art zu malen ist schwierig, denn ich muss sie erklären.“
Über Formlosigkeit und Komposition
Der Ursprung der abstrakten Malerei, wie diese Stilrichtung bei Laien oft bezeichnet wird, geht übrigens auf Mitte der 1940er Jahre in Paris zurück. Die Prinzipien sind einfach: gegenstandslos und nicht geometrisch soll es sein. Man lehnt alle Formelemente und klassische Gemäldekompositionen ab. Die Formlosigkeit und vor allem die Spontanität beim Prozess des Malens selbst stehen im Vordergrund. Man folgt dem Unbewussten und das bestätigt auch Borst.
Krickselei oder Kunst?
„Ich male ausschließlich Struktur und die Umwelt, wie ich sie wahrnehme, auf das Wesentlichste heruntergebrochen. Das Unterbewusstsein und nicht der Intellekt, steuern meine Bewegungen und manchmal bin ich selbst überrascht, so nach dem Motto‚ es hat irgendetwas von mir gemalt‘. Es ist schwierig, diesen künstlerischen Prozess nicht durch seine Logik unterbrechen zu lassen, die einem vielleicht aufgrund der Ausbildung einen Strich durch die Rechnung machen möchte.
Obwohl, Linien haben in seinen Werken eine wichtige Rolle. Scheinbar geordnet unterbrechen schwungvolle Elemente und Farbfelder ihre Harmonie auf und nicht selten verliert sich ihre Energie außerhalb des Bildfeldes. Neben der Farbe schwarz, dominieren gedeckte Erdtöne seine Bilder. Was sie darstellen, lässt viel Freiraum für Interpretationen. Zwar bricht Borst das Gesehene auf seine Art auf und reduziert es auf die wesentlichen Grundelemente. Der Betrachter sieht dann aber doch manchmal etwas ganz anderes und so kann beispielsweise ein Zaun auch als Brücke interpretiert werden.
New York Arts Magazine
Natürlich bietet die gegenstandslose Malerei auch genügend Zündstoff für Diskussionen. Während Kenner der Modernen Kunst sie lieben, verstehen so manche nicht was das soll bzw. sind eben keine Freunde dieser Stilrichtung. Borsts Werke, und hierbei je abstrakter desto besser, wurden vom New York Arts Magazine ausgewählt, um die informelle Malerei aus internationaler Sicht zu repräsentieren. Borst sieht es so: „Meiner Meinung nach muss man die Maltechnik per se von Kunst trennen. Das ‚Handwerk‘ sieht man am ehesten in meinen Akten. Ich drücke mich vielseitig aus, nicht nur mit Bildern, sei es mit Acryl, Spritztechnik oder Pastell-Tusche-Kombinationen. Manchmal zieht es mich auch in die Bildhauerei und dann tobe ich mich an Skulpturen aus. Meine kleinen Formate sind eigentlich Studien für großformatige Gemälde. Aber nachdem viele meiner Kunden sich hier auf Urlaub befinden, verkaufen sich diese vor dem Hintergrund des Rücktransports am Besten.“
Malen ohne Druck des „Verkaufen müssens“
Borst sinniert: „Ich habe meine Techniken verfeinert und gelernt es mit einer gewissen Leichtigkeit umzusetzen. Künstler ist ein brotloser Beruf, gerade am Anfang. Früher drang unterbewusst der Druck des Verkaufens müssens während des Malens durch. Gedanken wie, lässt sich das verkaufen, welches Format geht am Besten etc. Die Krise der letzten Jahre hat in diesem Bereich voll zugeschlagen. Wenn man spart, dann beginnt man bei der Kunst. Es war sehr harte Arbeit, sich von Existenzängsten zu lösen, aber heute, bin ich ‚frei‘, obwohl das kommerziell nicht immer von Vorteil ist. Dafür kann ich mich zu hundert Prozent mit meinen Werken identifizieren.“
Der schock sitzt tief
Im Jahr 2007 tobte ein Brand auf Gran Canaria und Borst verlor alles. Beim Schildern dieses einschneidenden Erlebnisses, merkt man die plötzlich aufkeimende Unruhe und er erinnert sich:
beim brand alles verloren
„Man muss sich das vorstellen, dass plötzlich die Polizei ‚quasi mit einem Knüppel‘ durch die Ortschaft zog und man hatte genau eine Minute, um sein Haus zu verlassen. Irgendwie hatte niemand wirklich damit gerechnet, dass man tatsächlich Opfer eines Brandes wird. Mit meinem Reisepass und meinem Malkoffer in der Hand blickte ich zurück und sah die Feuerfont ums Eck in unsere Richtung ziehen und dann hieß es laufen. Ich weiß nicht, ob es daran lag, dass ich über Nacht alles verlor, alles was ich im letzten Jahrzehnt geschaffen habe, meinen ganzen persönlichen Besitz, Fotoalben, Kleidung etc. oder, diese Angst um das eigene Leben. Ein Jahr lang war ich nicht in der Lage zu malen.
Der Schock sitzt noch immer so tief, dass ich auch heute beim kleinsten Anzeichen von Rauch nervös werde. Ich kontrolliere dann unentwegt und gehe der Quelle des Geruchs nach, bis ich weiß woher es kommt, auch wenn dieser nur vom Grill des Nachbarn zu uns steigt. Vielleicht war es aber auch notwendig. Wenn ich heute meine eigene Entwicklung analysiere, dann habe ich den Eindruck, die Kunstwerke haben sich verändert. Sie gehen mehr in die Tiefe.“
Wir sind gespannt, wo man in Zukunft noch auf den Namen Dieter Borst stoßen wird und wünschen ihm alles Gute. Lassen Sie ihrer Fantasie beim Betrachten der Gemälde freien Lauf.
Biografie und Meilensteine
Geboren am 12.05.1950 in Schramberg.
Borst reduziert in seiner Malerei die Wahrnung der Welt, des Erlebten und des Gesehenen und auf ein Minimum. Übrig bleibt die abstrahierte Erinnerung an Erscheinungen in der Natur, die er als reiner Ateliermaler aus seiner Erinnerung malt. Störender Beirat, der von der Quintessenz ablenken könnte, wird weggelassen. Gleichmäßige Linien, scheinbar geordnet, werden unterbrochen von schwungvollen Elementen und Farbfeldern, die die Harmonie der Linien auflöst und gleichzeitig kraftvoll bündelt. Erdige und gedeckte Töne bestimmen neben der Farbe Schwarz seine Bilder. Wichtigstes Element ist der Strich, der durch farbige Segmente getragen wird.
- 1969 Studium an der amerikansichen Kunstschule in München.
- 1972 Halbjährige Studienreise nach Westafrika.
- 1973 Beginn grafischer Arbeiten.
- 1997 Übersiedlung nach Gran Canaria.
- 2007 Verlust seines Ateliers in Fataga durch den Inselgroßbrand. Hunderte Bilder aus allen Schaffensperioden wurden zerstört.
- Internationale Ausstellungen. New York, Fort Lauderdale (Miami), Köln
- Ausstellungen Gran Canaria: in Las Palmas im Nautico