Die sich immer mehr zuspitzende Situation auf dem Archipel wurde vom Kanarenpräsidenten konsequent an die Zentralregierung und an die EU eskaliert. Madrid hat sich, wie nach dem Treffen vom 6. November avisiert, nun endlich eingeschaltet. Am 20. November reiste Spaniens Innenminister Fernando Grande-Marlaska nach Rabat, um sich mit seinem Pendant Abdelouafi Laftit über die Situation der illegalen Migrationen zu beraten. Es handelte sich um sein insgesamt achtes Treffen während der letzten zwei Jahre mit Vertretern aus Marokko. Durch die gute Kooperation konnte man die Zahl der illegalen Migrationen nach Spanien von 64.298 im Jahr 2018 auf 32.513 im Jahr 2019 reduzieren. Wichtig sei es, die gute Zusammenarbeit, wie z. B. der Informationsaustausch zwischen Polizei, Behörden und Organisationen sowie die Kontrolle der Bewegungsströme sowie der effektive Kampf gegen die Schlepperbanden, aufrecht zu erhalten bzw. zu intensivieren.
Torres plädierte zudem dafür, die Genehmigungsverfahren und Passierscheine zu beschleunigen sowie die Schaffung von Aufnahmezentren für die Ausländer (Centros de Internamiento de Extranjeros, CIE) auf den Kanarischen Inseln und der Iberischen Halbinsel. Damit könne sichergestellt werden, dass die nicht auf Asyl Anspruchsberechtigten bis zur Abschiebung zentral verwahrt werden können.
Top 5 Ursprungsländer der illegalen Migranten auf den Kanarischen Inseln
Sub-Sahara 4.003*
Marokko 1.447
Mali 290
Elfenbeinküste 95
Senegal 93
*nicht näher spezifiziert;
Besonders auf Gran Canaria hat sich eine dramatische Situation entwickelt. Die Kapazitäten der Erstaufnahmezentren, wie z. B. in jenem temporären Camp von Arguineguín in der Gemeinde Mogán, das als ‚Notfallcamp’ auf dem Gelände der Fischereigenossenschaft an der Muelle eingerichtet wurde, wurden bei weitem überschritten. Dort erfolgt die Erstregistrierung und eine PCR-Testung auf das Coronavirus SARS-CoV-2, deren Ergebnis normalerweise binnen 72 Stunden vorliegt. In Abhängigkeit vom Ergebnis werden die illegalen Migranten unter Quarantäne gestellt oder in ein anderes Zentrum weitergeleitet. Durch die Massen der Ankünfte sind die Inseln überfordert.
Alleine in der zweiten Oktoberwoche wurden 2.391 Flüchtlinge auf 94 Booten gerettet.Zudem befinden sich unter den Migranten über 1.400 unbegleitete Minderjährige, die gemäß den EU-Vorgaben eine spezifischen Betreuung bedürfen. Torres wies zudem darauf hin, dass es sich hier um menschliche Schicksale handelt, auch wenn über Zahlen gesprochen wird. Er erinnerte die kanarische Bevölkerung an die großen Emmigrationswellen nach Argentinien, Venezuela und Uruguay, die aufgrund der durch die Diktatur hervorgerufenen Hungersnot ausbrachen. Gleichzeitig ermahnte er, dass der Archipel nicht 100 % der illegalen Migrationen alleine stemmen könne und die Unterstützung durch das Festland und durch die EU gefordert ist.
Rettet den Tourismus - schon dritte Demonstration
In Ermangelung an ausreichenden Unterbringungsmöglichkeiten wurden etwa 6.000 Immigranten in 16 touristischen Einrichtungen untergebracht. Dafür zahlt die Zentralregierung kolportiert 300.000 Euro täglich. Es sollte sich um eine temporäre Lösung bis zum 31. Dezember 2020 handeln, bis eben die zuvor erwähnten Notfallcamps des Militärs aufgebaut und einsatzbereit sind. Obwohl ein Teil der illegalen Migranten inzwischen verlegt wurden (Barranco Seco, El Matorral, Las Canteras sowie Los Raíses), befinden sich noch immer etwas über Tausend Personen in Arguineguín und der Flüchtlingsstrom hört nicht auf. Den Tourismusgemeinden im Süden von Gran Canaria reicht es allmählich, denn die Situation gefährde den bevorstehenden Wintertourismus.
Hintergrund: Mogán zählt zu den wichtigsten Tourismusdestinationen der Kanarischen Inseln und ist im nationalen Ranking unter den Top 10.
Einige Reiseveranstalter haben derweil ihre Besorgnis geäußert und angedroht, Urlauber in andere Destinationen umzubuchen, falls sich die Situation auf den Kanarischen Inseln nicht absehbar ändert.
Onalia Bueno, die Bürgermeisterin von Mogán, appelliert dringend an die Zentralregierung in Madrid, die Verantwortung für die Flüchtlinge zu übernehmen und nachhaltige Lösungen zu finden. Sollten die illegalen Migranten dieser zehn touristischen Einrichtungen in ihrer Gemeinde, wo ein Abkommen zwischen den Betreibern und der Zentralregierung getroffen wurde, nicht bis zum 31. Dezember 2020 verlassen, dann wird diesen Einrichtungen entsprechend dem Bodengesetz „Ley de suelo“ ein Sanktionsdossier eröffnet und u. U. die Geschäftslizenz entzogen. Das solle noch bis Jahresende geschehen. Diese Tatsache führte zu großem Unmut bei der Bevölkerung, da man ein Negativimage befürchtet, das dem Tourismus, der Haupteinnahmequelle der hiesigen Bevölkerung, nachhaltig schaden könnte.
Siehe auch Spanische Seenotrettung - Was sie tun, wo sie stehen und wie sie auf den Kanaren wirken