Ausgabe Nr.
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J M upload 01.08.2021, Viva Edition 178 | Print article

Frauen auf dem Vormarsch: Winzerinnen, die Pioniere auf den Kanaren

Über Wein lässt sich endlos plaudern und mit Wein unendlich sinnieren, was Traube, Anbau, Ernte und Geschmack betrifft. Spanien zählt weltweit zu den führenden Weinproduzenten und belegt den 3. Platz hinsichtlich der Menge und bei den jährlichen Bacchus-Preisen finden sich etliche‚ edle Tropfen‘ aus diesem Land. 

Und obwohl die Altkanarier keinen Wein kannten und die geologischen Bedingungen für groß angelegte Produktionsflächen ungeeignet sind, mischen die Kanarischen Inseln mit ihren Erzeugnissen auch auf internationalem Terrain mit. Durch die geologische Situation wird zwar auf Terrassen angebaut, oftmals in höheren Regionen oder in Küstennähe, aber unter strengen Kriterien. 

Fast die Hälfte der Produktionsmengen stammt aus Teneriffa.1) Lanzarote hingegen besticht als Gesamtkunstwerk von Anbauart und gelungener Präsentation vor allem durch den Anbau seiner Malvasia Sorte und wurde von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. (siehe Foto 03)

Geschätzt wird der hiesige Wein aufgrund seiner einzigartigen Charakteristika, die sich durch die Reinheit der Rebsorten, der vulkanischen Böden und dermikroklimatischen Bedingungen ergeben. Dadurch entstehen enorm viele Facetten. Von der etwa um 1870 wütenden Reblaus (phyloxera), die fast die kompletten Weinreben weltweit zerstörte, blieb man durch die entfernte Lage des Archipels verschont.2) Daher finden sich hier teils sehr alte Rebsorten, die dem Rest der Welt unbekannt sind.

Geschichte des Weinanbaus auf den Kanaren

Wir drehen unsere Uhren auf das 15. Jhdt. zurück, denn die Geschichte des kanarischen Weins kam mit den Konquistadoren, die verschiedene Reben aus ganz Europa mitbrachten und besonders die süßen Tropfen erfreuten sich auf dem Kontinent hoher Beliebtheit.

Die berühmteste alte Sorte ist die Hannibalrebe auf Fuerteventura, die vom unehelichen Sohn des Eroberers Gadifer de La Salle in 1402 auf Fuerteventura gepflanzt wurde. Zu den Pionieren im Weinanbau zählen ebenfalls Teneriffa (1497) und El Hierro (1526).

In den folgenden Jahrhunderten war die Weinproduktion eine Männerdomäne, zumindest ab der Kellertür der Bodega, denn Frauen arbeiteten bei der Lese fleissig mit. Doch selbst wenn sie ein Weinanbaugebiet geerbt hätten, ginge dieser, ebenso wie der restliche Besitz, per Gesetz wieder in männliche Hände, sei es an den Ehemann, Vater, Bruder usw. Ein Beispiel ist die Traditonskellerei La Isleta auf Teneriffa, die sich seit dem Erwerb durch Tomás González Julián im Jahr 1868 im Familienbesitz befindet. Er kaufte es Doña Lucía Hidalgo Álvarez ab, die es väterlicherseits geerbt hatte und schwört, dazu weder gezwungen, eingeschüchtert noch genötigt worden zu sein. 

Frauen durften zudem eine Weinkellerei nicht betreten, um den Wein nicht zu verderben. Auch nutzen viele Männer diese „frauenfreie“ Zone, um ungestört feiern zu können.

WinzerInnen als Pioniere der kanarischen Weinproduktion

Seit einigen Jahrzehnten setzen sich immer mehr Winzerinnen und Weinbäuerinnen im hiesigen Business durch und das höchst erfolgreich.

Eufrosina Pérez führt ihre Bodega El Níspero auf einer Höhe von 1.250 m auf La Palma und produzierte 1999 den ersten sortenreinen Weißwein der Albillo-Criollo-Traube - inzwischen eine Berühmtheit. Aus der einstigen Not, in Ermangelung eines männlichen Nachkommens, wurde eine Tugend.

Winzerinnen auf dem Vormarsch

Bei Sandra Armas war es andersrum, denn sie wurde von ihrem Vater dazu motiviert das Familienunternehmen zu übernehmen. Es begann 2008 mit den ersten Baumschnitten und wissbegierig beschäftigte sich die junge Winzerin mit allen Themen rund um die Weinproduktion. Auf 1.295 m Höhe auf Gran Canaria wird Agala der Bodegas Bentayga angebaut und in den höchsten Tönen gelobt (Foto 01)

Die hochwertigen Weine der Bodega Mondalón, ebenfalls auf Gran Canaria, werden von Tamara Cruz (Foto 02) verantwortet. Sie begann sich schon als Zwölfjährige, jedoch zunächst als Hobby,  für den Familienbetrieb und die Weinproduktion zu interessieren. Später studierte sie Hotelmanagement und Tourismus, behielt dabei die Weinkellerei aber immer im Hinterkopf. Weitere Studien in Önologie und Degustationen mit dem Anspruch der Qualitätsverbesserung vertieften ihre Expertise.

Am Firmament der renommiertesten kanarischen Weine steht der Weißwein Malvasia der Bodega Matías y Torres (Foto 04) auf La Palma, der von Haubenköchen als Juwel bezeichnet wird. Die Trauben werden traditionell in einer alten Presse gepresst. Das süße Bouquet hat einen herrlichen langen Abgang, wie die Sommeliers schwärmen.

Victoria Torres hat ebenfalls die Nachfolge ihres Urgroßvaters, Großvaters und Vaters angetreten und ist sich der Verantwortung bewußt, die mit der Produktion einhergeht. Sie meint: „Einem Winzer zu sagen, wann der beste Zeitpunkt für die Ernte ist, ist sehr schwierig und die Geschlechterfrage spielt leider noch immer eine Rolle“.

Zuversichtlich betrachtet werden Frauen in dieser Domäne hoffentlich schon bald als normal und nicht als Ausnahme angesehen.

Verweise
1)Viva Canarias Nr. 107 vom 18.11.2016 „Weinproduktion auf den Kanaren - die Fakten“ Weinproduktion auf den Kanaren - Wissenswerte Fakten
2)Viva Canarias Nr. „Weinmacher Gabriel Morales Francés über den Boom bei kanarischen Weinen“ Gabriel Morales Francés - seine betreuten Bodegas