Lichtöffnungen an Gebäuden gibt es wie Nadeln an Kanarischen Kiefern – en masse. Es gibt Einfach- und Doppelfenster, Blindfenster, Zargen-, Rahmen- und Flügelfenster und auch Steinrahmenfenster wie Bogenfenster und Kreuzstockfenster. Und vergessen wir nicht die Wiener Sprosse, ein österreichisches Fenster-Sprossensystem im Denkmalschutzbau.
Die Wolke-Sieben-Felsöffnung
Doch es gibt auch Fenster im Microsoft Betriebssystem, Fenster in die Vergangenheit oder in eine neue Dimension (das Dritte Auge aka die Zirbeldrüse) und hier auf Gran Canaria la Ventana del Nublo, das „Nublo-Fenster“ oder auch die „Wolke-Sieben-Felsöffnung“.
Eine spektakuläre natürliche Felsöffnung (siehe Fotos), die uns einen ungenierten wie charismatischen Blick auf den Roque Bentayga und das Natur-Wahrzeichens Gran Canarias bietet, den Roque Nublo, der gerne auch als „Wächter“ bezeichnet wird. Bei bestem Wetter sind auch Teneriffa und La Gomera zu sehen. Und genau hier hin führt der erste Teil der vierten Route des diesjährigen Gran Canaria Walking Festivals.
El Pino Canario
Die Kanarische Kiefer ist der Phönix der Lebewesen. Sie ist die älteste Kiefernart der Welt, auf den Kanaren endemisch und bis zu einem gewissen Grad feuerresistent. Der Pinus canariensis ist das einzige Lebewesen (und auch Lebensraum), das aus seiner eigenen Asche wiederauferstehen kann. Die Wanderoute beginnt am Parkplatz von La Goleta, einem ausgedehnten Landstrich, der von hunderten Kanarischen Kiefern umsäumt ist. Ein grandioser Start inmitten vulkanischer Überlebender aus Wurzeln, emporsteigenden Stämmen und belaubten Kronen.
El Pino Canario kann zwischen 400 und 600 Jahre alt werden. Auf La Palma gibt es ein Exemplar, das sogar die 800 Jahre anpeilt. Durchschnittlich werden die Kiefern 15 bis 25 Meter hoch, wobei es auch bis zu 60 Meter hohe Bäume gibt.
Die Feuer-Öfen
Die Wanderung führt hoch auf das Gebiet Los Altos de Hornos samt Panorama-Aussichtspunkt, von dem aus die Gipfel Gran Canarias in Fotomotiv-Manier Stimmung machen. Der Begriff „Horno“ bedeutet Ofen und macht Referenz auf eine vergangene Zeit, in der Pech- und Teeröfen Hochkonjunktur hatten.
In diesen Öfen wurden hauptsächlich Kanarische Pinien verbrannt. Und zwar jegliche Teile, sprich der Stamm, die Äste, die Zapfen, die Nadeln und das Harz. El Pino Canario war damals ein treuer Begleiter. Das Holz wurde zum Bauen, zum Heizen und zum Kochen benutzt, das Harz natürlichen Heilmittelmixturen beigemischt und die Nadeln kamen in Matratzen zum Einsatz oder zum Schützen der Bananenstaudenschaften. Und nicht zu vergessen, die Pinienkerne, die als Nahrung dienten.
Der Jakobsweg
Den Aufstieg beendet, führt die Route zu einem Teil des grankanarischen Jakobsweges. Vorher gibt es aber den eingangs erwähnten Abstecher zur Ventana del Nublo. Ein Fenster zum Staunen, ein Fenster zum Verlieben, das Fenster der Wahrheit. Hier gibt es Über-, Ein- und Weitblicke auf die Augen und Ohren staunender Münder auf zwei Beinen im Einklang mit Himmel und Boden (und Hölle), umgeben vom schimmernden Atmosphärenregen im Geiste galaktischer Wanderer ferner Welten stets unter den Argusaugen der Herrscher der Lüfte. Hier findet jeder seinen Platz an der Sonne. Oder anders gesagt: im Schatten des Wächters.
Der Wächter, der Roque Nublo, ist ein steter Begleiter auf der Tour, bis der Abstieg beginnt. Dieser führt über ein Teilstück des wahren Jakobsweges, der von Gáldar im Norden bis nach Tunte im Süden führt. Das Teilstück ist teils asphaltiert und führt uns Richtung Cruz Grande. Ein Übergang oder kleiner Pass auf 1252 Metern, der südlich im Parque Natural de Pilancones mündet.
Tunte, Tunte, Tunte
Tunte hat in diesem Fall nichts mit dem gleichnamigen abschätzigen Begriff zu tun, der Schwule bezeichnet, die durch ein affektiertes Verhalten auffallen. Und auch nicht mit der früher verwendeten Bedeutung einer altjüngferlichen, langweiligen Frau, wie es zum Beispiel Günter Grass in Die Blechtrommel benutzte. Und nein, mit der oberbayerischen Gemeinde Tuntenhausen besteht auch keine Verbindung. Als Tunte wird das Herzstück des größten Gemeindebezirks Gran Canarias, San Bartolomé de Tirajana, bezeichnet. Auch bekannt als San Bartolomé, liegt die Ortschaft im Hinterland in Nachbarschaft zur Caldera de Tirajana (Vulkankrater) mit abschüssiger Orographie und üppiger Vegetation. Die frühere Agrarsiedlung Tunte besitzt heute einen attraktiven Ortskern mit kanarischer Geschichte par excellence.
Hotel Las Tirajanas
Tunte bietet ein Flanieren in rustikalem kanarischem Flair und hat den Charme eines Bergdorfes. Eine dreischiffige Kirche inmitten des Ortes entstammt einer kleinen Kapelle aus dem 15. Jahrhundert in der das älteste Stück, die kleine Figur „El Chico“, aus eben jener Zeit stammt.
Eines der emblematischsten Gebäude ist das 4 Sterne Landhotel Las Tirajanas im Kolonialstil. Es befindet sich südlich des Ortskerns auf über 900 Metern über Meer und ragt aus dem Bergmassiv heraus. Es bietet unter anderem ein Panorama-Restaurant, ein SPA und diverse Sport- und Wellnessaktivitäten. Und hier endet die Tour mit einer regionaltypischen Degustation und einer inspirierenden weitläufigen Aussicht. (Infos und Buchungen - siehe Seite 16)
Rolando N. Grumt Suárez