Der Blaugummibaum, besser bekannt als Eukalyptus, ist ein australischer Endemit, der stark mit einem baumbewohnenden Beutelsäuger, dem Koala, assoziiert wird. Die immergrüne Pflanze aus der Familie der Myrtengewächse macht nahezu 75% des Baumbestandes in Australien aus und wird deshalb als „grüne Seele“ Australiens bezeichnet. Auch das großartige Wien hat eine „grüne Seele“, und zwar all die zahlreichen Grünflächen und Erholungsgebiete zusammen, wie der Wienerwald, der Schlosspark Schönbrunn, der Augarten und der Wasserwald Lobau, der gerne auch als Wiens Dschungel bezeichnet wird.
Und natürlich haben wir auch hier auf Gran Canaria eine „grüne Seele“. Es gibt zwar Eukalypten (Koalas keine), dessen Baumsamen per Briefpost die Insel im 19. Jahrhundert erreichten – bis heute gibt es zwei Arten, den blauen und den roten Eukalyptusbaum -, aber der Kanarischen Kiefer und dem Lorbeerbaum können sie nicht den Rang ablaufen. Diese stellen gemeinsam die „grüne Seele“ Gran Canarias dar, und zwar schon seit tausenden von Jahren. Haben wir bei der Wander-Route „Im Schatten des Wächters“ die Möglichkeit die Kanarische Kiefer besser kennenzulernen, tun wir bei dieser selbiges mit dem Lorbeerbaum.
DER TAUSENDJÄHRIGE WALD
Als vor über 500 Jahren die Kanarischen Inseln vom mittelalterlichen Königreich Kastilien auf der Iberischen Halbinsel in einer 94 Jahre andauernden Eroberung (1402 bis 1496) in eine neue Zeitrechnung geschmissen wurden, war der Waldbestand, vor allem im Nordteil der Insel, dermaßen opulent, dass man regelrecht von la selva, also einem Dschungel sprach.
Das gesamte Waldgebiet wurde als La Selva de Doramas bezeichnet (Doramas war ein bedeutender grankanarischer Krieger, der sich erbittert gegen die Eroberung wehrte, letztlich aber kaltblütig ermordet wurde)1) oder als La Laurisilva, sprich dem Lorbeerwald, ein Terminus für einen immergrünen Feuchtwald in der subtropischen Klimazone mit Bäumen mit überwiegend laurophyllen Blättern.
Nach der Eroberung wurde sukzessive am „Doramas Dschungel“ geknabbert. Und zwar in Form von Abholzung und Rodung ohne Wiederaufforstung (Entwaldung). Durch die heute verbliebenen Reste dieses Dschungels, der in den vergangenen Jahren Wiederaufforstungs-Programme durchlaufen hat, verläuft die fünfte Route „Die grüne Seele Gran Canarias“ des diesjährigen Gran Canaria Walking Festivals.
Lagunen-träume
Der irische Schriftsteller Henry De Vere Stacpoole war ein äußerst produktiver Mann, der unzählige Romane produzierte, darunter „The Blue Lagoon“ (Die Blaue Lagune) aus dem Jahr 1908. Ein Bestseller der bereits fünfmal verfilmt wurde. Die bekannteste Verfilmung stammt vom US-amerikanischen Filmregisseur Randal Kleiser mit der damals noch blutjungen Brooke Shields als Hauptdarstellerin.
Die Laguna Colorada de Uyuni, also die Farbige Lagune, ist ein Refugium für Flamingos. Sie ist ein See in Bolivien, der sich aufgrund von farbigen Sedimenten, der vorherrschenden Algenart und dem Mineralstoffgehalt in changierenden Rottönen färbt. Und nun auch hier: Natürlich haben wir auf Gran Canaria unsere ganz eigene Lagune. Und zwar La Laguna de Valleseco.2) Sie ist im gleichnamigen Erholungsareal integriert (im Norden der Gemeinde Valleseco) und ist Teil des tausendjährigen Lorbeerwaldes von Gran Canaria. Und genau hier, in diesem ‚poetischen‘ Areal, beginnt die Wander-Route.
Lagunen-Geschnatter
La Laguna de Valleseco wartet mit vielen Besonderheiten auf. Eine davon ist das kleine perennierende Stillgewässer in dessen Mitte, das von vielen endemischen, aber auch migrierenden Vogelarten über das Jahr verteilt besucht wird. Von einem extra eingerichteten Vogelobservierungsplatz kann man Reiher, Amseln, Möwen, Finke, Blässhühner und viele weitere Vogelarten zu Gesicht bekommen. Und natürlich auf die Ohren: Lagunen-Geschnatter garantiert!
Eine andere Besonderheit ist die Pferderennbahn, die mehrmals im Jahr für regionale Feierlichkeiten zum Leben erweckt wird. Teil des Areals ist auch eine Brutzel-Zone, sprich eine Área Recreativa, wie man kanarische Picknick-Plätze nennt. Es gibt Grillstationen, fließend Wasser, öffentliche Toiletten, Sitzgelegenheiten, Tische und einen Kiosk – all das unter großen schattenspendenden jahrhundertealten Kastanienbäumen.
Von Walderlixen und Kobolden
Der erste Abschnitt der Wander-Route führt uns von La Laguna de Valleseco hoch auf den Pico de Osorio, der Teil der Finca de Osorio ist. Wir begegnen Lorbeerbäumen, Kastanien, Ulmen, Eichen und vielen anderen Bäumen und werden stets von aromatischen Düften, wundersamen Tönen und kräftigen Blütenfarben begleitet. Und mit etwas Glück, läuft uns ein Walderlix oder Kobold (siehe Ort 60 oder 102 im Entdeckungsreiseführer „111 Orte auf Gran Canaria, die man gesehen haben muss“)3) über den Weg.
Oben auf dem Gipfel, auf knapp 1000 Metern über Meer, belohnt uns der Pico de Osorio mit tollen Blicken auf die Gemeinden Firgas, Valleseco und Teror. Allesamt jederzeit auch mit Schritt und Tritt einen Besuch wert. Um den Pico de Osorio herum schmiegen sich lauter kleine Schluchten dicht an dicht, die hier auf den Kanaren generell barrancos heißen, ob klein oder groß. Eine Toponymik, die für alle kanarischen Inseln, insbesondere für Gran Canaria, eine große Bedeutung hat. Und so spricht man von Gran Canaria gerne auch als die Insel der tausend Schluchten.
Kulturelle Schätze
Einmal die Aussicht genossen und dem Himmel etwas näher gewesen, geht es wieder weiter und teils abwärts, und zwar Richtung Los Castillos, was so viel bedeutet wie „Die Schlösser“. Damit sind aber weder Schlösser im Stile des Sisi-Schlosses Rudolfsvilla Reichenau noch Schlösser im Stile von Liebesschlössern, die man an Brücken hängt gemeint sondern ein altes, beinahe etwas vernachlässigtes Viertel in der Gemeinde Arucas.
Wir wandern direkt durch das Viertel und begeben uns in eine Zone, die Montaña de Riquiánez genannt wird. Das gesamte Areal ist für seinen Reichtum an ethnographischen Schätzen bekannt, wie es zum Beispiel Lehmteiche oder Ziegelöfen sein können. Dieses Mittelstück der Wanderung wird uns unter anderem Blicke auf die Montaña de Arucas, Montaña Cardones und die Isleta von Las Palmas de Gran Canaria ermöglichen.
EIN HERRSCHAFTLICHES ENDE
Das letzte Stück der Wanderung führt uns direkt in den Hauptort Arucas mit seiner imposanten Iglesia Matriz de San Juan Bautista4), im „neo-neo-neo-neo-gothischem-art-decó“ Kolonialstil, fälschlicherweise auch als Catedral de Arucas bekannt. Denn die einzige Kathedrale der Provinz Las Palmas (Gran Canaria, Fuerteventura, Lanzarote, La Graciosa) ist die Santa Iglesia Catedral-Basílica de Canarias in der Altstadt von Las Palmas de Gran Canaria. Nichtsdestotrotz ist die Kirche ein katholischer Tempel, der heute zu einem der emblematischsten Gebäude Gran Canarias zählt.
Zum Abschluss kommen wir alle zu einem kleinen regionalen Schmaus im Hotel Rural La Hacienda del Buen Suceso5) zusammen. Ein Hotel im Kolonialstil, das sich im Stile einer anmutigen Hacienda aus vergangenen Jahrhunderten präsentiert und in Sachen Stil und Komfort Schritt hält, mit der modernen Zeit und anspruchsvollen Gästen, die auch in einem naturnahen und stilechten Ambiente verwöhnt werden wollen.
Rolando N. Grumt Suárez
Anmeldungen
• Jede Tour kostet 30 Euro bzw. 130 Euro für alle sechs Routen. Sie beinhalten Transport, Versicherung, Führer, Picknick, Geschenke, Degustation und die Teilnahme an einer kleinen Lotterie.
• Die Anmeldefrist läuft bereits. Umfassende mehrsprachige Informationen über die Routen, Pläne, Preise und Anmeldung finden Sie im Internet: grancanariawalkingfestival.com
(Routendetails - siiehe nächste Seite)
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Verweise (nachzulesen auf unserer Webseite www.viva-canarias.es)
1)Viva Canarias Nr. 141 vom 1.7.2018 „Doramas - der letzte Krieger der Altkanarier“
2)Viva Canarias Nr. 78 vom 8.5.2015 „La Laguna im ‚Apfelland“ Valleseco
3)Viva Canarias Nr. 147 vom 1.1.2019 „Portrait mit Orlando Suárez Autor „111 Orte, die man auf Gran Canaria gesehen haben muss“
4)Viva Canarias Nr. 138 vom 20.4.2018 „Lebende Mauern, die ‚Kathedrale‘ von Arucas feiert 100-jähriges Jubiläum
5)Viva Canarias Nr. 56 vom 25.4.2014 „Hazienda Buen Suceso - Landhaustourismus“