Ausgabe Nr.
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J M upload 01.11.2023, Viva Edition 205 | Print article

Geschichte der kanarischen Vielfalt bei Obst und Gemüse

Nicht nur ein El Dorado für Vegetarier sind die Kanarischen Inseln aufgrund ihrer Obst- und Gemüsevielfalt, die auch exotische Spezies umfassen. Hier müssen diese keine langen Lieferwege zurücklegen, um ihre volle Geschmacksintensität durch die natürliche Reife zu entwickeln, wie z. B. die süßesten Orangen aus Telde oder die kanarischen Bananen (Plátano de Canarias), die Erdbeeren oder die saftigen Tomaten etc.

Die ‚Reisetätigkeit‘ von Obst und Gemüse in der Neuzeit

Viele Sorten kamen erst nach der (Wieder)Entdeckung der Neuen Welt durch Christoph Kolumbus, nach Europa bzw. auf die Kanaren. Die Kartoffel beispielsweise, ursprünglich aus den Anden stammend, soll erst 1570 durch Pizzaro nach Spanien gebracht worden sein. Mit dem zunehmenden Schiffsverkehr, seien es Entdeckungs-, Eroberungs-, Passagier- oder Handelsfahrten, wurden artenfremde Pflanzen eingeführt. Von Europa aus wurden Zuckerrohr, Bananen und Weinreben nach Amerika gebracht, ebenso wie so manches Nutzvieh (z. B. Schweine). Produziert wurde später in großem Stil und äußerst lukrativ, dank der  Ausbeutung der indigenen Völker und der Sklaven. 

Die besondere Rolle der Kanarischen Inseln kam in der Anfangsphase nach der ‚Entdeckung‘ Amerikas zu tragen. Durch die strategische Lage im Schnittpunkt dreier Kontinente war der Archipel eine ideale Möglichkeit vor langen Schiffsreisen, Proviant zu fassen. Das führte zu einem regen Austausch von Waren, Kultur und … Pflanzen! Die Einfuhr neuer Pflanzenarten auf den Kanarischen Inseln erfolgte allerdings üblicherweise nicht direkt aus Übersee, sondern über die Zwischenstation Cádiz und Sevilla, wohin sie von den spanischen Schiffen im Zuge der Hispanisierung mitgenommen wurden. 

El Dorado für Botaniker - die Sammelleidenschaft und Forschung

Die Einfuhr fremdländischer Pflanzen bereicherte die ohnehin schon artenreiche Flora auf den Kanarischen Inseln - ein El Dorado für Botaniker. Durch das ganzjährig milde Klima, fanden viele neu eingeführte Sorten hervorragende Bedingungen vor, auch jene, die nur bei wärmeren Temperaturen gedeihen bzw. keinen Frost vertragen. Es wurde begonnen die verschiedenen Spezies zu erfassen. Ein Lexikon über die auf den Kanaren kultivierten Nutzpflanzen ist das erste Diccionario Historia Natural de Viera y Clavijo.

Der französische Botaniker Louis veröffentlichte 1724 eine viel beachtete, umfassende Publikation (siehe Herrera Piqué, 1987) und gilt u. a. als Pionier in der Erforschung der hiesigen Pflanzenwelt.

Mit der Errichtung des Jardín Botanico de Puerto de la Cruz auf Teneriffa im Jahr 1788 wurde erstmals ein Areal für die Erforschung des Wachstums ausländischer und exotischer Pflanzen dediziert, insbesondere von Sorten aus der Neuen Welt. 

Dafür wurde 1791 von Alonso de Nava Grimón y Benitéz der Park zur Akklimatisierung von La Orotava eingerichtet (Jardín de Aclimatación de Plantas), der auch strukturierte und dokumentierte Feldversuche umfasste. Diese Arbeit weckte das Interesse anderer Botaniker und Forscher, was zu einem regen Informationsaustausch und Publikationen über die Ergebnisse der Studien nach sich zog, wie z. B. die Königliche Gesellschaft der Freunde des Landes (Anm. Spanien). 

Auf Gran Canaria hat der schwedische Botaniker Erik Ragnar Sventenius im 20. Jhdt. sein Leben der Erforschung und dem Erhalt der makaronesischen Pflanzen gewidmet, der den heute, unter dem Namen Parque Jardín Canario de Tafira, bekannten Park gründete. Nach dessen Tod übernahm Dr. David Bramwell seine Tätigkeit als Direktor usw. 

Heute ist eine wesentliche Säule dieses Parks die Führung einer zentralen Samendatenbank der makaronesischen Spezies. Es gelang bereits ausgestorbene Pflanzenarten wieder erfolgreich auszupflanzen. Ein Beispiel dafür ist der Rosa Wüstenflieder im Parque Tony Gallardo im Campo International de Maspalomas. 

Die glorreichen Zwölf ...

Zwölf der aus der Neuen Welt eingeführten Gemüse- und Obstsorten erreichten auf den Kanarischen Inseln im 18. Jhdt. eine signifikante wirtschaftlichen Bedeutung, besonders mit Großbritannien. 

Das waren: Avocado (aguacate), Tomate (tomate), Sonnenblume (girasol), Süßkartoffel (boniato), Kartoffel (papa), Paprika (pimiento), Mais (millo), Bohnen (habichuela), Chayota (chayote), Guave (guayaba) und Kürbis (calabaza).

Bis ins 19. Jhdt. waren frisches Obst und Gemüse in den Wintermonaten in Europa eine Mangelware. Da kam die azyklische oder ganzjährige Produktion von Lebensmitteln auf den Kanarischen Inseln höchst willkommen. Die intensivsten Handelsbeziehungen entwickelten sich im 19. Jhdt. mit Großbritannien, wo im Hafen von London am speziellen Dock, dem Canary Wharp, die Waren gelöscht und von dort weiterverteilt wurden. Von hier gelangten sie an die traditionellen Märkte, wie z. B. Covent Garden etc. Der Exportanteil nach Großbritannien betrug zu dieser Zeit über 75 Prozent, vor allem von Bananen, Tomaten, Kartoffeln, Zitrusfrüchte und Kräutern, aber auch Wein und Käse.

Zweifelsohne verbreite(t)en sich auf den „Inseln des ewigen Frühlings“ im Laufe der Zeit auch andere eingeführte Kulturpflanzen, die allerdings von zweitrangiger wirtschaftlicher Bedeutung waren oder vornehmlich von den Kanariern selbst konsumiert wurden. Darunter fällt u. a. die Ananas (piña tropical), Papaya (Papaya), Sternfrüchte (carambola), Zapote Blanco, Erdnüsse (man) sowie exotische Früchte aus Asien, die z. B. Datteln, Spargel, Nísperos etc.

Guten Appetit!   Julija Major 

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Verweise (www.viva-canarias.es)

1)Viva  Canarias Nr. 164 vom 1.6.2020 - Agave Cacozela erblüht nach 30 Jahren

2)Viva Canarias Nr. 33 vom 12.4.2013 - Botanischer Park Jardín Canario in Tafira

3)Viva Canarias Nr. 116 vom 2.2.2019 - Botanischer Park Jardín de la Marquesa, Arucas

4)Viva Canarias Nr. 161 vom 28.2.2020 - Parque Tony Gallardo wiedereröffnet

5)Viva Canarias Nr. 203 vom 1.9.2023 Gran Canaria ehrt Inselpatronin Virgen del Pino

6)Viva Canarias Nr. 150 vom 27.3.2019 - Florale Weltreise … durch Maspalomas“

7)Viva Canarias Nr. Aloe Vera Teil 1: Auf der Ökofinca

8)Viva Canarias Nr. Aloe Vera Teil 2: Das vernachlässigte grüne Gold

9)Viva Canarias Nr. 198 vom 29.3.2022 - Die Natur macht blau im April: Der Blaue Natternkopf blüht

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