Ausgabe Nr.
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J M upload 25.04.2014, Viva Edition 56 | Print article

Patientenverfügung

In unserer täglichen, ärztlichen Praxis werden wir des öfteren um Stellungnahme zum Thema lebenserhaltende Maßnahmen bei Patienten in hohem Alter,mit schwerer Krankheit oder im terminalem Stadium (kurz vor dem sterben) gebeten. In diesem Kontext weisen wir unter anderem auf die guten Erfahrungen mit dem Dokument einer „Patientenverfügung“ hin. 

Die menschliche Existenz hat eine Endlichkeit. Wenn ein Mensch in der Endphase seines Lebens ist, gilt das Recht der Selbstbestimmung. Die frühzeitige, umfassende und verständliche Aufklärung des Patienten über die medizinische Situation ist Voraussetzung für die Selbstbestimmung bzw. Willensbildung und Entscheidungsfindung der lebenserhaltenden Maßnahmen. Dem Recht auf Selbstbestimmung sind jedoch auch Grenzen gesetzt: Dem Willen des Patienten eine bestimmte Behandlung durchführen zu lassen muss nur entsprochen werden, wenn diese Behandlung medizinisch indiziert ist. In diesem Kontext sind häufig Diskussionen und Konfrontationen über konfliktive Themen wie passive/aktive/indirekte Sterbehilfe, der ärztlich assistierte Suizid (Suizid-Beihilfe, z.B. in der Schweiz) lebensverkürzende Massnahmen, Leben erhalten mit alle möglichen medizinischen Mitteln und das „Sterbenlassen“.

Die Patientenverfügung ist also ein Instrument, d.h. ein schriftliches Dokument der Selbstbestimmung. Eine urteilsfähige Person kann darin festlegen, welchen medizinischen Massnahmen sie im Fall ihrer Urteilsunfähigkeit zustimmt oder nicht zustimmt (z.B.: Patienten in Koma). Mit dem neuen Erwachsenenschutzrecht hat die Patientenverfügung an Bedeutung gewonnen; die Entscheidungsgewalt über medizinische Massnahmen wurde bei urteilsunfähigen Patienten auf Nahestehende verlagert. Liegt in einer lebenserhaltenden Maßnahmen-fähigen Situation eine Patientenverfügung vor, gilt sie an erster Stelle.

Merke: urteilsfähig ist jede Person, der es nicht wegen ihres Kindesalters, infolge geistiger Behinderung, psychischer Störung, Rausch oder ähnlichen Zustände an der Fähigkeit mangelt, vernunftgemäss zu handeln

Lebenserhaltende Massnahmen

In Deutschland ist seit 2009 der Umgang mit Patientenverfügungen gesetzlich geregelt. Auch in Spanien ist seit 2004 dieses Dokument als „Testamento Vital“ bekannt.

In diesem Dokument sollen die niedergeschriebenen Angaben klare Aussagen zum Wunsch des Patienten machen, auch zu den lebenserhaltenden Behandlungen, die der Patient in bestimmten Situationen erhalten möchte.

Die Willenserklärung soll personalisiert werden, in dem spezielle Aussagen über die Anwendung medizinischer Behandlungen gemacht werden, die für die Patienten-Erkrankung in Frage kommen, z. B. Kardiopulmonale Wiederbelebung oder maschinelle Beatmung (darunter wird eine künstliche Beatmung verstanden, bei der eine Maschine zum Einsatz kommt, um eine Person mit Sauerstoff zu versorgen und zu beatmen). Die künstliche Flüssigkeits- und Nahrungszufuhr, die z.B. durch die Speiseröhre (Magensonde) oder Bauchdecke (PEG) in den Magen oder intravenös gegeben wird, die Dialyse oder die Bekämpfung einer zusätzlich auftretenden Krankheit (u. a. Lungenentzündung, andere Infektionen) sind Eingriffe, die einer legitimierenden Einwilligung bedürfen.

Auch diese o.a. Behandlungen kann der Patient ablehnen. An die Stelle der lebenserhaltenden Behandlung könnte dann ein palliatives ärztliches und pflegerisches Versorgungsangebot treten. Dazu gehören u.a. das Stillen von Hunger und Durst auf natürlichem Wege, einschließlich der Hilfe bei der Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme, erforderlichenfalls fachgerechte Pflege von Mund und Schleimhäuten sowie menschenwürdige Unterbringung. Zuwendung, Körperpflege und das Lindern von Schmerzen, Atemnot, Übelkeit und anderer belastender Symptome.

Hat der Patient religiöse, spirituelle oder weltanschauliche Überzeugungen; gehört der Patient einer Kirche oder Gruppierung an? Prägen diese Überzeugungen den Umgang mit dem Patientenleben in «Grenzsituationen», d.h. wenn das Leben gefährdet wäre (Leben erhalten oder sterben lassen). Gibt es Punkte oder Rituale, die aufgrund der Patientenweltanschauung oder religiösen Überzeugungen nach dem Tod beachtet werden sollten (Umgang mit dem Körper etc.)? Wäre der Patient einverstanden mit der Weitergabe seiner Organe oder seines Gewebes nach seinem Tod (Organspende)?

Stellt sich der Patient die Frage der Wirkungslosigkeit und Aussichtslosigkeit der lebenserhaltende Massnahmen, wobei die Wirkungslosigkeit und die Aussichtslosigkeit einer Therapie voneinander abzugrenzen sind. Die Wirkungslosigkeit zeigt sich in einer Verschlechterung des Zustands des Patienten, unter voller Intensivtherapie. Aussichtslos ist eine Therapie dann, wenn keine begründete Aussicht besteht, dass der Patient in einangemessenes Lebensumfeld zurückkehren kann. Ist die Sedation (Dämpfung von Funktionen des zentralen Nervensystems durch ein Beruhigungsmittel) eine vom Patienten akzeptierte Therapiemöglichkeit zur Leidenslinderung oder wird die Sedierung zur Hilfsmedikation zum schnelleren Übergang zum Tod (aktive Euthanasie - siehe Teil 2 in der nächsten Ausgabe).

In Spanien, da es sich bei einer Willenserklärung um ein rechtsgültiges Dokument handelt, muss es mit einem Anwalt/Notar erstellt werden. Das Dokument muss von drei Zeugen unterschrieben sein (zwei sollen nicht direkte Angehörige sein).

  • In der Schweiz kann ausgebildetes Pflegepersonal bei der Erstellung der Patientenverfügung mitwirken.
  • In Deutschland gibt es die Deutsche Stiftung Patientenschutz, eine Organisation zur Interessensvertretung von Schwerstkranken, Pflegebedürftigen und sterbenden Menschen.

Die Möglichkeit, eine Patientenverfügung zu verfassen, steht allen urteilsfähigen Personen offen; dies schließt urteilsfähige Minderjährige mit ein. Der Verfasser einer Patientenverfügung muss in der Lage sein, die Tragweite der Patientenverfügung zu verstehen und er muss so weit wie möglich abschätzen können, welche Folgen diese in einem bestimmten Krankheitszustand hätte.

Patientenvertreter

Häufig in der Patientenverfügung kann der Verfasser eine Person bezeichnen (Patientenvertreter), die an seiner Stelle über die medizinische Behandlung entscheidet, wenn er dazu nicht in der Lage ist. Als Vertreter können Angehörige, der Hausarzt des Patienten oder andere natürliche Personen eingesetzt werden. Der Verfasser kann für den Fall, dass die bezeichnete Person für die Aufgaben nicht verfügbar ist, eine Ersatzperson ernennen (Betreuungsteam). Er sollte den Inhalt und allfällige zu einem späteren Zeitpunkt vorgenommene Änderungen der Patientenverfügung mit dem Vertreter besprechen.

Der Verfasser kann dem Vertreter in der Patientenverfügung konkrete Anweisungen geben (z.B. Einwilligung bzw. Ablehnung spezifischer Massnahmen), er kann sich aber auch auf das Einsetzen eines Vertreters beschränken und ihm die Entscheidung in der konkreten Situation überlassen. Werden ältere Personen als Vertreter eingesetzt, soll in der Beratung auf das Risiko hingewiesen werden, dass diese aufgrund des Alters unter Umständen ihre Aufgabe nicht wahrnehmen können.

Widerruf der Patientenvertreter

Im Rahmen des Widerrufs und Aufbewahrung der Patientenverfügung kann vom Verfügenden, der urteilsfähig ist, jederzeit schriftlich oder mündlich widerrufen werden. Im Fall eines mündlichen Widerrufs können sich jedoch Beweisprobleme ergeben. Zur Vermeidung von Unklarheiten sollte deshalb der Verfasser nicht mehr gültige Patientenverfügungen vernichten.

Aufbewahrung der Patientenverfügung

Es ist die Aufgabe des Verfügenden, dafür zu sorgen, dass das Vorhandensein einer Patientenverfügung im Bedarfsfall bekannt ist und das Dokument vorliegt. Die Patientenverfügung kann an unterschiedlichen Orten aufbewahrt werden:

• Eine Patientenverfügung kann bei sich getragen oder Zuhause aufbewahrt werden.

• Das Dokument kann beim Hausarzt oder dem Vertreter aufbewahrt werden.

• Der Verfügende trägt einen Informationsausweis mit der Angabe des Hinterlegungsortes bei sich.

Kontakt

Dr. med. A. Valenzuela Bossmeyer
Arzt für Innere Medizin
Clinica Oasis, Playa del Inglés - Gran Canaria

Hinweis: Teil II: Behandlungsverzicht/Abbruch von lebenserhaltenden Maßnahmen in der nächsten Viva Nr. 57, erscheint am 9. Mai 2014.

a (siehe auch Artikel aus Ausgabe 54 von Rechtanwalt Pérez Alonso).