Obgleich über zehn Millionen deutsche Touristen in jedem Jahr nach Spanien reisen und viele deutsche Rentner ständig auf den Inseln Spaniens leben, gehen nur wenige Deutsche zu einem spanischen Arzt. Lieber lassen sie sich, auch aufgrund fehlender Sprachkenntnisse, von einem der meist teuren deutschen Privatärzte, die sich in Spanien niedergelassen haben, behandeln. Dabei ist die Reputation des spanischen Gesundheitssystems bei den einheimischen Bewohnern nicht schlecht. Die überwiegende Mehrheit der Spanier ist mit ihrem Gesundheitswesen zufrieden.
Die Strukturen des spanischen Gesundheitssystems haben sich im Prinzip erst in den letzten 25 Jahren herausgebildet. Grundlage war die nach Francos Tod verabschiedete spanische Verfassung von 1978. Sie schuf 17 Regionen (Autonome Gemeinschaften, Comunidades Autónomas) mit eigenen Verwaltungen und leitete einen Dezentralisierungsprozess ein. In der spanischen Verfassung wird – im Gegensatz zum deutschen Grundgesetz – das Recht auf Gesundheit explizit anerkannt. Laut Artikel 43 ist der Staat für den Gesundheitsschutz und die Förderung der Gesundheitserziehung zuständig (s. Textkasten).
Spanische Ärzte werden durch den Staat finanziert, ergo durch Steuereinnahmen, während in Deutschland Hausärzte freiberuflich sind und somit ihr Gehalt von den erbrachten Leistungen abhängt. Patienten bemängeln die „Massenabfertigungen“ bei Kassenärzten und die langen Wartezeiten auf Fachärzte. Trotzdem gibt Deutschland im internationalen Vergleich mehr für das Gesundheitssystem aus, nämlich 11,3 % des BIP. Der Wert in Spanien liegt bei 9,3 % und somit wird hier innerhalb der OECD am wenigsten für eine ambulante ärztliche Versorgung ausgegeben.
Das nationale Gesundheitswesen wird durch die Zusammenarbeit der staatlichen Gesundheitsverwaltung mit jenen der 17 Regionen organisiert (Servicio de Salud). Jede Region hat ihren eigenen Gesundheitsdienst und eigene Gesundheitszentren und kann diese bis zu einem gewissen Maß selbst bestimmen, wie sie das Gesundheitswesen organisiert, beschließt die Richtlinien und Gesetze für die Finanzierung sowie die Planung der Gesundheitsversorgung. Dadurch können sich erhebliche qualitative Unterschiede der Dienste in den einzelnen Regionen ergeben.
• Lebenserwartung höher in Spanien
Die Lebenserwartung der Spanier liegt bei 81,1 Jahren um zwei Jahre höher als im EU Durchschnitt.1) Die Frauen sind hinsichtlich der Lebenserwartung gegenüber den Männern im Vorteil.
- Männer: 77,8 Jahre (EU: 76,0)
- Frauen: 84,2 Jahre (EU: 82,1)
• Spanier mit Gesundheitssystem zufrieden
Das spanische Ministerium für Gesundheit, Soziales und Gleichberechtigung führt seit 1993 in Zusammenarbeit mit dem Sozialwissenschaftlichen Zentrum eine jährliche Studie zur Erhebung der Zufriedenheit der Bürger mit dem Gesundheitswesen durch.2)
Demnach sind 87,4 % der Bevölkerung mit der Erstversorgung (Atención Primario) zufrieden oder sehr zufrieden.Ein Grund dafür könnte auch daran liegen, dass es erst nach Francos Tod aufgebaut wurde und somit relativ jung ist und für die Spanier also eine große Errungenschaft darstellt. 22 % der Befragten gaben sogar an, dass die Betreuung besser oder sogar viel besser war als erwartet während nur bei 6,7 % diese unterhalb der Erwartungen lagen.
Mit Fachärzten waren 83,5 % zufrieden oder sehr zufrieden und 24,7 % gaben an, dass die Qualität ihre Erwartungen übertroffen hat, während nur bei 10 % diese unterhalb ihrer Erwartungshaltung lagen. 86,6 Prozent der Patienten eines öffentlichen Krankenhauses waren zufrieden oder sehr zufrieden und 38,5 Prozent gaben an, dass ihre Erwartungen übertroffen wurden. Bei den Notfallzentren (Servicios de Urgencias) liegt der Wert bei 78,1 %.
Ein Drittel der Kanarier sind privat versichert!
Das spanische Gesundheitswesen hat eine gute Reputation und trotzdem haben 13 % der Spanier eine private Krankenversicherung. Auf den Kanaren liegt dieser Wert weit höher! Hauptgründe dafür sind die langen Wartezeiten sowie die nicht abgedeckten Zahnbehandlungen beim staatlichen Gesundheitswesen. Bei einer detaillierten Betrachtung der Ergebnisse der Kanarischen Inseln, sind allerdings lediglich 12,9 % der Meinung, dass das Gesundheitssystem (ziemlich gut) funktioniert und 37,8 % glauben, es bedarf Anpassungen im System und 12,3 % sind überhaupt der Meinung, dass es derart schlecht sei, dass fundamentale Änderungen erforderlich seien.
Kanarischen Inseln Schlusslicht bei Wartezeiten
Die Inanspruchnahme von privaten Gesundheitsdienstleistungen ist auf den Kanarischen Inseln weit höher als im spanischen Durchschnitt (siehe Tabelle li.). Ein Faktor für dieses schlechte Ergebnis sind eben die extrem langen Wartezeiten auf einen Termin beim Facharzt auf den Kanarischen Inseln sein (siehe Tabelle linke Seite), denn mit der Qualität der ärztlichen Betreuung ist man prinzipiell sehr zufrieden. Ein weiterer Aspekt für Privatversicherte sind Sprachbarrieren, die sich bei Inanspruchnahme von staatlichen Gesundheitseinrichtungen für Ausländer ergeben. Viele von ihnen sind daher ebenfalls privat krankenversichert.
In Spanien müssen Patienten zuerst zu ihrem Hausarzt gehen und dieser stellt ggfs. eine Überweisung an einen Facharzt. Dies kann mitunter Monate bis zu einem Jahr dauern. Nur Notfälle sind ausgenommen. In diesem Fall können die Betroffenen gleich in eine der staatlichen „Urgencias“ der sogenannten Centro de Salud gehen.3)
Europäische Gesundheitskarte (Tarjeta Sanitaria Europea)
Wer gesetzlich versichert ist, muss in der Regel die europäische Gesundheitskarte nicht extra beantragen, denn sie ist inzwischen meist auf der Rückseite der nationalen Versichertenkarte aufgedruckt. Ca. 500.000 Touristen nehmen jährlich mit einer europäischen Versichertenkarte ärztliche Hilfe in einem der spanischen öffentlichen Krankenhäuser in Anspruch. Die Kosten für die Behandlungen werden zwischen mit der spanischen und ausländischen Krankenkasse direkt verrechnet.