Ausgabe Nr.
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J M upload 03.07.2022, Viva Edition 189 | Print article

Kanarische Folksfeste - Schmelztiegel externer Einflüsse

Nach der Entdeckung Amerikas begann ein reger Schiffsverkehr zwischen der ‚Alten‘ und ‚Neuen Welt‘, bei dem Waren aller Art transportiert wurden, wie z. B. Lebensmittel und Pflanzen. Eine Zeit der Aufbruchstimmung begann und Wohlhabende strebten danach ihr Vermögen zu vermehren und arme Schichten hofften auf eine bessere Zukunft mit einem Neuanfang.1)

Die Kanarischen Inseln avancierten aufgrund ihrer strategischen Lage zu einem Dreh- und Angelpunkt dreier Kulturen sowie zu deren Schmelztiegel. Diese Einflüsse spiegelten sich nicht zuletzt im Brauchtum bzw. in Volkstänzen wider. Die kanarischen Auswanderungswellen sowie die Rückkehrer Ende des 19. Jhdts. brachten insbesondere Bräuche aus der Karibik auf den Archipel. Aber nicht zuletzt finden sich auch Spuren von Tänzen der Spanier, Portugiesen, Briten, Juden sowie Afrikanern. 

Die KanarierInnen hatten schon immer eine fröhliche Lebenseinstellung, so bescheiden sich diese auch für die meisten gestaltete. Das manifestiert sich u. a. in ihren Liedern und Tänzen. Die Feste wurden nicht nur aufgrund freudiger Ereignisse, wie Hochzeiten oder Taufen zelebriert. Mancherorts wurden kurzerhand die Möbel nach draußen geschafft, um Platz für die Tanzpaare zu schaffen. 

Fragmente höfischer Tänze Europas, bei denen eine Berührung der Tanzpartner als unschicklich erachtet wurden, zeigen sich dabei ebenso, wie die beschwingten Rhythmen der Polka. Anfang des 20. Jhdts. kamen neue, moderne internationale Tänze, wie z. B. Rumba, Pasodoble oder Walzer und Foxtrott, zum Tragen, doch diese finden sich per se nicht in der Folklore wieder, sondern existieren eigenständig. 

Im Laufe der Zeit etablierten sich teils kuriose Folkloretänze. Das Wort Folklore leitet sich aus dem Englischen ab und setzt sich zusammen aus Volk (folk) und Überlieferung (Lore).

Speziell: kanarische Volkstänze

• Folía - Dieser Gruppentanz mit Ursprung in Portugal hat seine Wurzeln im Fandango und Bolero der iberischen Halbinsel und kam im 16. Jhdt auf die Kanarischen Inseln. Die Tänzer performen dabei mit ihren Chácaras, ähnlich den Kastagnetten.

• Isa - Aufgrund seiner fröhlichen Musik zählt dieser rhythmische Tanz zu den beliebtesten Volkstänzen. Die Musiker werden zumeist von Sängern begleitet. Originär wurde frei getanzt, doch allmählich haben sich verschiedene Ausprägungen entwickelt, ganz nach dem Motto „Hay una isa para cada isla“.

• Malagueña - Abgeleitet vom Fandango hat sich der melancholisch anmutende Malagueña speziell auf den westlichen Inseln des Archipels durchgesetzt, wenngleich die Varianten von Insel zu Insel unterschiedliche Variationen kennen.

• Baile de Tambor y Chácaras ist ein in den 1950-ern speziell auf La Gomera etablierter Volkstanz, bei dem die TanzpartnerInnen eine Art größere Kastagnetten (chácaras) spielen.2)

• Danza de los Enanos - Dieser einzigartige „Zwergentanz“ (siehe Foto re.) hat sich auf La Palma entwickelt und wurde erstmals 1833 erwähnt. Dabei tragen die TänzerInnen überdimensionale Köpfe und sind in Kostüme gekleidet, die an historische, französische Uniformen erinnern. Markant sind die großen Hüte (Zweispitz oder Napoleonshut). Sie wirken wie eine lebende Karikatur einer für die Insulaner fremden Kultur.  Diese Figuren tänzeln beschwingt lustig und frech zu den Melodien und zaubern garantiert ein Lächeln auf die Gesichter der ZuschauerInnen. Dieser Tanz ist der absolute Höhepunkt der Patronatsfeiern auf La Palma im August.

• Speziell sind ebenfalls die „Habaneras“, also die spanischen Seemannslieder, die sich sehnsuchtsvoll um Heimweh, Liebe, Familie etc. drehen, und durch die typischen Klänge der  Mundharmonika verstärkt werden. Der langsame Rhythmus dieser aus Kuba abgeleiteten Musik ist eng mit dem Tango verwandt. Ursprünglich existierte sie lediglich als Musik für die kubanischen Gesellschaftstänze (contradanza), die widerrum aus England abgeleitet wurde und über Frankreich nach Spanien gelangte. Auf den Kanaren veränderte sich der Rhythmus und schon bald folgten die Liedtexte.

Wöchentliche Folklore

Seit einigen Jahren organisiert die Hauptstadt von Las Palmas de Gran Canaria regelmäßig stattfindende Folklore-Darbietungen, um die Kultur auch UrlauberInnen zu präsentieren.

Plaza de España

14-tägig, samstags, 11.00 bis 12.15 Uhr

Termine im Juli: 2., 9., 16. und 30

Pueblo Canario im Parque Doramas

Termine im Juli: 3., 10., 17., 24. und 31.

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Verweise

1)Viva Canarias Nr. 174 vom 2.4.2021 - Kuba und die Kanaren: Die Emigrationswellen (siehe QR-Code) Kuba & Kanaren: Die Geschichte der Emigrationswellen

2)Viva Canarias Nr. 137 vom 1.8.2018 - La Gomera (Teil 1): Mekka für Individualisten und Hippies La Gomera Teil 1 - Mekka für Individualisten und Hippies

3)Viva Canarias Nr. 144 vom 26.9.2018 - Folclore Canario und außergewöhnliche Volkstänze auf den Kanaren