Auf den Kanarischen Inseln spielt sie eine unverzichtbare Rolle: die Timple. Sie ist wie das Salz in der Suppe oder der Dudelsack für die Schotten. Die Mini-Gitarre, die einer Ukulele oder Mandoline ähnelt, begleitet hiesige Erntedankumzüge und Prozessionen, sie ist der kleine Star jeder Fiesta. Das sympathische Zupfinstrument ist auch der Protagonist im Casa-Museo del Timple im historischen Ortskern von Teguise auf Lanzarote - der Kanareninsel, die man am meisten mit der Timple in Verbindung bringt. Aber lassen Sie uns zuerst etwas über das charmante Nationalinstrument der Canarios erzählen.
Timple goes Amerika
Eigentlich dümpelte sie seit langer Zeit auf dem Archipel vor sich hin. Viele namhafte „Timplistas” (Timplespieler) bemühten sich, die Timple im Ausland zu etablieren. Schließlich gelang dies dem lanzarotenischen Timple-Solisten Benito Cabrera mit einem genialen Coup:
Wir gehen zurück ins Jahr 2009: Am 24. Februar erobert eine kleine Gitarre die Herzen des Publikums in der prestigeträchtigen Carnegie Hall in New York. Protagonist beim Timplekonzert war Benito Cabrera, der gekonnt die Saiten zupfte. Es war ein gigantischer Schritt für das kanarische Nationalinstrument, das seither über sich hinaus gewachsen ist und Step by Step das internationale Publikum erobert.
Der Timplist Cabrera spielt mittlerweile auf der ganzen Welt, als Solist, mit Sinfonieorchestern oder mit Jazz- und Popformationen. Er machte so das verkannte Folkloreinstrument salonfähig, hat es entstaubt und führte es mit Erfolg in die modernen Zeiten. Der Künstler, der sich als Sprachrohr der Timple versteht, ist auch der Leiter des Casa-Museo del Timple in Teguise und hat uns freundlicherweise für diesen Bericht Fotos zur Verfügung gestellt.
Timple versus Gitarre
Das niedliche Instrument gehört zur Gruppe der gezupften Kastenhalslauten, der „Tiples”, wie sie in Lateinamerika genannt werden. Wie alle Saiteninstrumente besteht die Timple aus Kopfplatte, Hals und Klangkörper. Die Saiten verlaufen vom Korpus über die Bundstäbe entlang des Halses zum Kopf, wo sie am Wirbel gestimmt werden. Das Schallloch verstärkt den Ton, der durch die schwingenden Saiten erzeugt wird.
Der Unterschied zur Gitarre ist, dass die Timple viel kürzer ist und vom Steg bis zum Sattel etwa 40 cm anstelle 65 cm, wie bei der Gitarre, misst. Im Gegensatz zur sechssaitigen Gitarre oder zur viersaitigen Ukulele hat die traditionelle Timple gewöhnlich fünf Saiten. Der grosse Bruder wird Contra genannt.
Gezupft & geschlagen: Das ‚Camellito‘ und sein Höcker
Die Timple dient als Begleitinstrument für kanarische Folkloregesänge und tänze. Sie wird in traditioneller Weise und nach überlieferten Melodien in der Regel mit vier Fingern geschlagen (Rasgado) oder mit Zeigefinger und Daumen gezupft. Ihre Standardstimmung ist fünfte bis erste Saite: g-c-e-a-d, in einer Oktave, RE, LA, MI, DO, SOL (im Gegensatz zur Ukulele: SOL DO MI LA), Auf Teneriffa kommen auch viersaitige Timples vor (c-e-a-d). Die Stimmlage ist Sopran - Diskant.
Die Timple hat eine Birnenform und einen schmalen, länglichen Resonanzkörper. Ihr Rückenteil ist gewölbt. Der Höcker, ein signifikanter Unterschied zu anderen Kleingitarren, brachte ihr den passenden Spitznamen „Camellito Sonoro” (wohlklingendes Kamelchen) ein.
Das Holz und die Saiten sind das A und O: Die Saiten bestehen heute meist aus Nylon. Früher verwendete man Tierdärme oder Angelschnüre. Eine gute Timple kann zwischen 700 und 1.000 Euro kosten. Die Resonanzdecke der Timple besteht aus Zirbelkiefern-, Zedern- oder Lindenholz, die Zargen und der Boden sind aus „Palo Santo“ (Holz des Guajakbaums), aus Ahornholz-Arten, Zypressen- oder Walnussholz.
Kanarische Erfindung oder gute Kopie? Es gibt viele Theorien zum Ursprung der Timple, sie wurden aber historisch nie eindeutig geklärt. Unbestritten ist, dass die Altkanarier keine Saiteninstrumente kannten. Man vermutet, dass die spanischen „Conquistadores“ und benachbarte Länder nach der Unterwerfung der Inseln Musikinstrumente im Gepäck hatten. Die hiesige Bevölkerung fand Gefallen an ihnen und baute diese nach.
Alles weist darauf hin, dass die Lanzaroteños besonders eifrig waren, weshalb man die Vulkaninsel und Teguise als Zentrum der kanarischen Timple-Tradition versteht. Die ersten Spuren entstammen dem 19. Jhdt. auf Lanzarote und Fuerteventura. Von dort aus soll sich die Timple über die restlichen Kanarischen Inseln ausgebreitet haben.
Die Kunst der Timple-Herstellung
Antonio Lemes Hernández gilt als einer der letzten traditionellen Timplebauer. Seine Werkstatt liegt unweit des Spinola-Palasts in einer Seitengasse, die Calle Flores de Teguise. Er wurde 2018 bei der Kunsthandwerksmesse in Mancha Blanca als „Kunsthandwerker des Jahres” ausgezeichnet. Die Inselregierung von Lanzarote hat zwei Videos über ihn online gestellt.
www.youtube.com/watch?v=0QoNNFSGSRY
www.youtube.com/watch?v=hbDQDlPyEkM
Kanarische Timple-Helden
Wenn Sie die Timple einmal live erleben möchten, legen wir Ihnen den Besuch eines der Konzerte der bekannten Folkloreformationen „Taburiente”, „Los Gofiones” oder „Los Sabandeños” nahe. Man kann die Timple aber auch weniger professionell und in ihrer Ursprünglichkeit erleben. Dabei muss man einfach bei den Volksfesten bzw. Romerías sein Augenmerk auf den kleinen wohlklingenden Protagonisten legen.
Die Timple ‚at its best‘ können Sie bei Aufnahmen der bekanntesten Solo-Timplisten hören, wie z. B. Benito Cabrera, Totoyo Millares, Domingo Rodríguez Oramas „El Colorao”, Beselch Rodríguez, Pedro Izquierdo, Toñin Corujo, José Manuel Aldana oder Germán López. Der bekannteste Templista José Antonio Ramos, der einer der Ersten war, welcher die Timple etablierte, ist im Jahre 2008 verstorben. Geblieben sind seine Tonaufnahmen. Lauschen Sie mal rein, es lohnt sich!
Timple Museum im emblematischen Palacio Spinola
Das Casa-Museo del Timple ist untergebracht in dem herrschaftlichen Haus „Palacio Spinola”, das zwischen 1730 und 1780 von der Familie Feo erbaut wurde und 1895 in den Besitz der Familie Spinola überging. 1974 wurde das inzwischen heruntergewirtschafte Gebäude Mithilfe von César Manrique komplett restauriert.
1989 wurde die Residenz zum offiziellen Sitz der lanzarotenischen Inselregierung erklärt und seit 2011 dient sie als Studien- und Kulturzentrum und Heimat der Casa-Museo de Timple.
Es gibt vier Themensäle im Casa-Museo de Timple, die rund um den Innenpatio angeordnet sind.
• „Orígenes/Tradición”: Der Saal hat die Herkunft und die Tradition der Timple zum Thema.
• „El Timple y sus Parientes”: Hier wird eine umfangreiche Sammlung von der Timple verwandten Instrumenten aus aller Herren Länder und verschiedensten Kulturen ausgestellt, u. a. die Ukulele, die indische Sitar, die türkische Sas, afrikanische Instrumente, als auch einige ihrer überlebenden Verwandten aus Lateinamerika, wie die Charango, Cavaquinho, Braghuinha, die Cuatro (Venezuela) oder die Vihuela. Dieser Raum verfügt über eine exzellente Akustik und dient gleichzeitig als Konzertsaal.
• „Evolución”: Dieser Saal widmet sich dem Sprung des traditionellen Folkloreinstruments in die Moderne. Hier sind Timples der neuesten Generation zu bestaunen.
• „Proceso de Construcción”: Last but not least, gibt es noch die Timple-Werkstatt, die Einblicke in die Herstellung des Saiteninstruments gibt.Es schliessen sich u. a. ein Multimedia-Saal, ein Shop sowie ein geräumiger Hof für Open-Air Darbietungen und Konzerte an.
Fazit: Der Besuch des Timple-Museums gestaltet sich als sehr informativ, angenehm und alles andere als trocken. Tolle Exponate, Musikuntermalung, historische Fotos und Videoeinspielungen von den bekanntesten kanarischen Timple-Spielern sorgen dafür, dass es kein langweiliger Museumsbesuch wird. Eva Dienesen
CASA MUSEO TIMPLE
Casa-Museo del Timple im Palacio Spinola, Plaza de la Constitución s/n, Villa de Teguise. Öffnungszeiten: im Winter: Montag bis Samstag von 9.00 bis 16.00 Uhr, an Sonn- und Feiertagen von 9.00 bis 15.00 Uhr; im Sommer: Montag bis Samstag von 9.00 bis 15.00 Uhr, an Sonn- und Feiertagen von 9.00 bis 14.00 Uhr. Facebook: https://www.facebook.com/casadeltimple/