Freilandhuhn 'Made in Canarias' - das Gallina Campera Canaria: Kikeriki … ein Weckruf, der gute Laune bringt und der dem Hahn einen großen symbolischen Wert verleiht. Das Tier steht für Licht und Vertrauen, indem er das Licht ankündigt und so angeblich über den Sieg des Guten über das Böse triumphiert. Der Hahn gilt auch als stolz und starrköpfig und vor Jahrhunderten hat man im Lateinischen für die Gallier dasselbe Wort verwendet: Le coq. So wurde der Hahn zum Wappentier der Franzosen, die ihn lieben und das sich sogar auf dem Trikot der Fußballnationalmannschaft widerspiegelt.
Das alberne Gegacker und der kleine Kopf ließ die Redewendung ‚dummes Huhn‘ aufkommen, obwohl dem keinesfalls so ist.1) Angeblich merken sie sich bis zu 100 Gesichter, können räumliche Tiefe wahrnehmen und ihr Verhalten an Erfahrungen anpassen …
Was hat das alles mit den Kanarischen Inseln zu tun? Nichts, aber ich würde Ihnen gerne aufgrund eines Leserwunsches, wie schon das autochthone Schwarze Schwein (cochino negro) oder die Ziegen3) nun auch das wenig bekannte „Gallina Campera Canaria“ vorstellen.
'Das Gackern' kam mit der Eroberung der Inseln
Die Eroberung der Kanarischen Inseln war aufgrund des teilweise erbitterten Widerstands der Urbevölkerung, insbesondere auf Gran Canaria und Teneriffa, ein sehr langwieriger Prozess und dauerte von 1402 bis 1496. Nach der Unterwerfung der Altkanarier folgte die Kolonialisierung durch die Spanier, die etwa zeitgleich mit der Entdeckung der Neuen Welt einsetzte (ab 1492). Die Schifffahrt nahm sukzessive an Bedeutung zu. Waren es anfänglich primär abenteuerliche Entdeckungsfahrten, setzte schon bald ein reger (Welt)handel ein. Die Kanarischen Inseln mit ihrer strategisch optimalen Lage zwischen den drei Kontinenten Afrika, Amerika und Europa mußten unweigerlich passiert werden und wurde auch eine Zwischenstation eingelegt - sei es, um Proviant aufzunehmen oder noch letzte Reparaturen an den Schiffen durchführen zu können.4)
Im Jahr 1503 wurde in Sevilla5) eine zentrale Steuerungszentrale eingerichtet und zwar mit der sogenannten „Casa de Contratación“, die über zweihundert Jahre diese Funktion wahrnahm. Von dort aus kamen viele Waren auf den Archipel, Pflanzen und Tiere wie beispielsweise die Hühner.
Und so kamen resistente Hühnerrassen aus Andalusien hierher, wenngleich das Federvieh genetisch betrachtet mit seinen portugiesischen Schwestern verwandt ist. Die Tiere adaptierten sich gut an die hiesigen klimatischen Verhältnisse und passten sich auch gut an die Futterknappheit an, indem sie sich größtenteils in der freien Natur selbst versorgten.
Schon bald waren Hühner ein begehrtes Nahrungsmittel, das das Überleben sicherte. Wohlhabende hielten sich die Hühner in Ställen oder auf ihren Dachterrassen, während es bei der mittellosen armen Bevölkerungsschicht durchaus üblich war, dass Hühner in den Wohnhäusern ein und ausgingen. (siehe Gemälde). Und man munkelt, dass einst Hexen auch hierzulande Hühner für dubiose Rituale opferten, wie es der bekannteste kanarische Künstler der indigenen Kunst oftmals dargstellte (siehe Foto li.).
Ein Blick in die Geschichte
Menschen schätzten schon vor tausenden Jahren auf der ganzen Welt die Vorzüge von Hühnern, sei es von den Chinesen, Griechen, Kelten und Römern. Letztere haben, wie aus Aufzeichnungen hervorgeht, schon 162 v. Chr. Hähne kastriert, um eine unkontrollierte Vermehrung zu vermeiden und so den Konsum ihrer Kornvorräte zu kontrollieren. Als Folge verdoppelte sich die Körpergröße der Tiere (Toussaint-Samat, 2009). Dieser Effekt wurde auch von Aristoteles in seiner These über Biologie „De Generatione Animalium“ beschrieben und weitere Hinweise finden sich in kulinarischen Texten aus dem Mittelalter. Speisehühner wurden daher in der 8 bis 10 Woche kastriert.
Hühnerfleisch gilt als gesund und liefert essenzielle Nährstoffe für den menschlichen Organismus. Es ist eine konzentrierte Proteinquelle und hat wenig Fett (ein Prozent). Es ist leicht verdaulich und steht daher heutzutage oft auf dem Speiseplan von Athleten sowie in Diätplänen zum Abnehmen. Darüber hinaus ist es ein vergleichsweise günstiges Nahrungsmittel.
Die Frauen und "ihre Hühner"
Die größte wirtschaftliche Bedeutung wurde der Hühnerzucht im 16. und 17. Jhdt. zuteil. Auch in der kanarischen Gesellschaft herrschte einst eine strenge Geschlechterrolle vor und so kümmerten sich Frauen neben dem Haushalt und ihrer Mitarbeit in der Landwirtschaft auch um die Hühner. Sie sammelten die Eier und verkauften diese eventuell noch auf den Märkten. Noch bis Mitte des 20. Jhdts. hielten sich fast alle Bewohner Hühner, zumindest auf dem Land.
Ende des 20. Jhdts. kamen allerdings neue kommerzielle Kreuzungen aus Spanien auch auf die Kanaren, was den Anteil der autochthonen Rassen deutlich reduzierte.
Kanarische Initiativen zum Erhalt der Rasse
Antonio Díaz Rodríguez setzte sich, so wie einige andere Landwirte und Wissenschaftler, für den Erhalt kanarischer Rassen ein. Er gründete 1978 eine entsprechende Versuchsfarm auf La Palma, wo er beispielsweise Schafe (Oveja canaria de pelo), Hunde (Schäferhund Garafiano) und das kanarische Huhn (Gallina Canaria) erfolgreich züchtete. Leider sind diese aufgrund von Billigimporten und produktiveren anderen Rassen nach wie vor gefährdet.
2013 gründete schließlich eine Gruppe von kanarischen Hühnerzüchtern die Vereinigung „La Campera“, um dem entgegenzuwirken. Inzwischen hat sie 100 Mitglieder und über 2.000 registrierte Tiere. Die Landwirte füttern mit kommerziellen Futtermitteln und/oder mit Kalzium angereichertem Getreide. Die Hühner sind frei laufend und werden ggfs. auch mit Küchenresten oder Gemüseabfällen aus der Landwirtschaft gefüttert. Viele der Züchter haben ihr Interesse an alternativer Haltung bekräftigt, um die lokalen Züchtungen nachhaltig zu beleben und dadurch langfristig auch die Profitabilität von klein- und mittelständigen Geflügelfarmen auf den Kanarischen Inseln zu erhöhen.
Eine Chance?
Im Jahr 2016 startete unter der Leitung des Gastronomen Andrés Castán Rodríguez und dem Veterinär Erik Díaz Avila ein Pilotprojekt, ausschließlich mit 70 der prachtvollsten Exemplare der regionalen Kapaunen aus Fuerteventura im freien Gelände. Sie wurden 2017 bei der größten Viehmesse des Archipels (FEAGA 2017) von den Organisatoren sowie von den Messebesuchern gleichermaßen gewürdigt. Weitere Studien hinsichtlich Züchtung und Konsumverhalten für diese Art von Hühnerfleisch sind geplant.
Charakteristika der ‚Gallina campera canaria‘
Die Federn des ‚echten‘ kanarischen Huhns sind schwarz (Abb.29), rot oder grau und häufig auch schwarzweiß gestreift (Abb. 24). Ausschlusskriterien für reinrassige Tiere wären weiße Ohren, gelbe Krallen oder ein gelber Schnabel.
Die Hühner werden gemäß der Studie als mittelschwer kategorisiert und wiegen bis zu 2,5 Kilogramm wobei ein Hahn sogar 3,6 Kilogramm auf die Waage bringen und eine Höhe von 61,2 Zentimetern erreichen kann. (Anm.: Die französische Rasse Les Bleues sowie die deutsche Linie Bresse Gauloise können noch mehr wiegen).
Kopf: mittelgroß und gut geformt
Kamm: rot oder rosa
Ohrlappen: ebenmäßig rot
Kehllappen: groß und kräftig, rote Farbe
Rücken: kurvig
Augen: hell und orange
Brust: voll und kräftig
Schenkel: groß und schlank
Flügel: gut gefaltet
Schwanz: lang und weit gefächtert
Conclusio aus der Studie
Das kanarische Agrarforschungszentrum mit Sitz auf Teneriffa beschäftigte sich mit der autochthonen Hühnerrasse6) und veröffentlichte 2018 eine Studie aus der wir einige Fakten und Erkenntnisse in unserem Bericht darlegen.
- Die Bedeutung von gentechnischer Selektionen in der Züchtung ist wesentlich und für das kanarische Huhn sind Optimierungspotentiale vorhanden.
- Notwendig zur Schärfung des Bewusstseins der Konsumenten hinsichtlich Qualität von Haltung, Nachhaltigkeit und Fütterung der Hühner mit natürlichen Nahrungsmitteln.
- Kanarische Hühner haben eine intensive Gelbfärbung der Haut. Diese hängt von der Möglichkeit, und Fähigkeit der Hühner ab, Melaninpigmente in der Dermis und Epidermis auszubilden, Karotinoide in der Epidermis zu absorbieren sowie von der Rasse und dem Geschlecht.
Die Farbe des Fleisches ist für Konsumenten aufgrund des Angebots am Markt (sprich in den Supermarktregalen) essentiell. In unseren Ländern tendiert man zu hellrosa Fleisch!
- Die Wasserspeicherkapazität in den Muskeln beeinflusst den Geschmack und wird von der Aktivität, Bewegungsfreiheit, dem Aufenthaltsort (innen, in der freien Natur) beeinflusst. Bei Hühnern mit wenig Wasseranteil in den Muskeln bedeutet dies auch weniger saftiges Fleisch.
Campero Canario (39,6 %) Les Bleues (43,0 %) und Dominant Red Barred (44,1 %).
Arterhalt von kanarischen Nutzviehrassen
Das kanarische Agrarforschungsinstitut ICIA hat eine Reihe Erhaltungszuchtprogrammen initiiert, um kanarische Tierrassen zu vor dem Aussterben zu bewahren und ihnen nachhaltig eine Zukunftsperspektive hiesige Betriebe zu sichern:
- Schwarzes Schwein (Porcine canario / Cochino negro)
- Kanarisches Huhn (Gallina canaria, im Jahr 2016)
- Ziege (Caprine majorera Tinerfeña oder Palmera)
- Schaf (Ovina canaria, Ovina Palmera)
- Rind (Bovine canaria, Palmera
Wie sieht es mit der Hühnerhaltung in der EU aus?
- Die EU hat 2005 Handlungsempfehlungen für die Haltung von Hühnern herausgegeben. Darin soll den langsam wachsenden, regionalen Kapaunen der Vorzug gegeben werden.
- Gemäß EU sollten nicht mehr als 12 Hühner pro Quadratmeter in Käfighaltung bis zu 91 Tagen und danach 6,25/qm gehalten werden (Wahnsinn!) bzw. im Hühnerstall 7,5 pro Quadratmeter.
- Freilandhühner (Traditional free range) sollen zudem mindestens die Hälfte ihres Lebens Zugang zu Tageslicht haben und nicht weniger als zwei Quadratmeter Fläche pro Kapaun zur Verfügung haben. Die Futterformel soll zumindest 70 Prozent Getreide ausmachen.
- Bei Biohühnern (Total freedom) müssen die oben erwähnten Kriterien eingehalten werden und zudem keine Platzeinschränkungen und jederzeit Zugang zu Sonnenlicht vorhanden sein - was für die kanarische Hühnerhaltung ein großes Potenzial darstellt.
Deutsche lieben (Bio)Eier - Wie erkennen wir sie?
Die Farbe der Eier wird durch die Gene bestimmt. Bei reinrassigen Hühnern erkennt man diese schon an der Farbe der Ohrenscheiben. Hühner mit weißen legen weiße Eier etc.
In Spanien ist die Kennzeichnung für Bio-Eier anhand der ersten drei Stellen des Stempels „0ES“ zu erkennen. Diese Eier stammen von Hühnern aus Freilandhaltung, die zudem biologisch gefüttert wurden.
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Verweise:
1)Studie von Inga Tiemann, Leiterin des wissenschaftlichen Geflügelhofs des Bundes deutscher Rasseflügelzüchter“ aus dem Jahr 2013.
2)Viva Canarias Nr. 17 vom 31.08.2012 Das Schwarze Schwein der Kanaren - Delikatesse mit Geschichte
3)Viva Canarias Nr. 38 vom 05.07.2013 Auf der Ziegenfarm bei Paqui und Pepe - prämierter Käse
4)Viva Canarias Nr. 33 vom 12.04.2013 „Hinter den Kulissen des Puerto de la Luz“ Teil 1 und Nr. 34 Teil 2
5)Sevilla - Gründe für den Standortwahl der „Casa de Contratación“ waren u. a. die ausgezeichneten Straßenverbindungen sowie die dort ansäßigen wichtigen Behörden, wie z. B. Gerichte und Handelsorganisationen. Zudem bot der Fluss Guadalquivir eine natürliche Schutzbarriere für Angriffen.
6)Deposito Legal Nr. TF 947-2018 beschäftigt sich mit der autochthonen Rasse.
https://www.icia.es/icia/download/publicaciones/Gallina_Campera.pdf
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Siehe auch Kanarisches Huhn: autochthon? Die Studie. Das Projekt „La gallina canaria: patrimonio ganadero de las islas, historia, genética y sostenibilidad“ wird von der Stiftung Caja Canarias sowie La Obra Social La Caixa mitfinanziert.