Ausgabe Nr.
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J M upload 30.11.2022, Viva Edition 194 | Print article

Kräuterwanderung im Dezember 2022

Wenn Darwin seine wissenschaftlichen Forschungen auf den Kanarischen Inseln statt auf den Galápagos-Inseln durchgeführt hätte, wäre er wahrscheinlich zu demselben Schluss in Bezug auf die Evolutionstheorie gekommen. Inseln sind ein Schaufenster ökologischer und evolutionärer Kreativität! Sie beherbergen eine einzigartige Flora und Fauna, die es sonst nirgendwo gibt. Während die Galapagos-Inseln mit ihren Meerechsen und Riesenschildkröten prahlen, hat die kanarische Flora eine Schatztruhe, die mehr als 500 endemische Pflanzen umfasst. Es gibt sogar Endemiten, die man nur in einer ganz bestimmten Zone findet, wie z. B. den Thymian von Tamadaba oder den Salbei von Tejeda.

Auf den Kanaren gibt es Pflanzen wie die Gänsedistel, die verholzen, Bäume aus dem Tertiär und Walderdbeeren, die an Bäumen wachsen und nicht in der Pflanze!

Bioinvasion

Als der Mensch auf der Bildfläche des Archipels erschienen ist, wurden die ersten nicht einheimischen Säugetiere, wie z. B. Ziegen und Schafe, eingeführt. Diese Eindringlinge ernährten sich von der Vegetation und fraßen beispielsweise Fuerteventura völlig kahl. Mit der Eroberung und europäischen Besiedlung der Inseln gelangten zudem viele Exoten auf den Archipel. Kakteen und Agaven aus Amerika besetzen ganze Bergflanken, Eukalyptusbäume wachsen dort, wo Lorbeerbäume leben sollten etc. Die vielen Naturschutzgebiete, die die Regierung im 20. und 21. Jahrhundert geschaffen hat, dienen u.a. dazu, dieser vegetativen Invasion Einhalt zu gebieten. In diesen Naturschutzgebieten obsiegt die kanarische Flora vor den überwuchernden Eindringlingen.

Der Kräutergarten von Jorge Cruz Suarez

Viele kanarische Endemiten haben medizinische Anwendungen. Schon die Altkanarier suchten Zuflucht in diesen einheimischen Pflanzen. Nach der Eroberung wurde ihr Wissen mit dem Wissen des alten Kontinents vermischt und es entstand eine Art kanarische Volksmedizin (medicina popular canaria).

Jorge Cruz Suarez ist Arzt, Chirurg, Ernährungsberater und Homöopath, der das berühmte Buch „Más de 100 plantas medicinales“ geschrieben hat. Im wunderschönen Tal von Agaete hat er seinen Kräutergarten, wo er auf ökologische Weise medizinische Endemiten zieht, die er in seiner Praxis verwendet.

Das Tal von Agaete mit dem gigantischen Tamadaba-Massiv als Naturkulisse ist grün, wasserreich und sonnig. Die senkrechten Felswände werfen morgens einen Schatten auf das Tal. Am späten Nachmittag ziehen die Wolken des „el mar de nubes“ wie ein Brautschleier durch das Tal, das während der zentralen Stunden durch die Sonnenstrahlen einen goldenen Schein erstrahlt. Was für ein natürlicher Reichtum, der perfekte Standort für einen Kräutergarten!

Agaete und Besuch des Kräutergartens

Am 13. Dezember bieten wir eine Wanderung an, die zu Jorges Kräutergarten führt. Dort wird er uns fachkundig wissenswerte Informationen darlegen, die unser Guide ins Deutsche übersetzen wird. Wir können diesen Besuch mit all unseren fünf Sinnen genießen, indem wir riechen, berühren, die hausgemachten Tees probieren und uns visuell in diesem paradiesischen Garten Eden satt sehen.

Von El Saucillo ins Valle de Agaete - die Tour

Vom Dorf El Saucillo, das sich auf der Hochebene von El Poleo befindet, steigen wir in das Agaete-Tal ab. Der Ortsname von El Saucillo bezieht sich auf die kanarische Weide; ein einheimischer Baum, dessen Rinde und Blätter von Kräuterkennern im Laufe der Jahrhunderte als Schmerzmittel verwendet wurden. Der Legende nach leckten die Altkanarier die Rinde dieses Baumes, um ihre Beschwerden zu lindern.

Der Name der Hochebene „Llanos del Poleo“ bezieht sich auf die Wassernelken, deren getrocknete Blätter als Tee konsumiert werden kann und in Spanien ein weit verbreiteter Kräutertee ist. Idealer könnte unsere Tour kaum starten. Während unseres Abstiegs ins Agaete-Tal sind wir völlig in seiner Pracht versunken! Gigantische Felsen wie Roque Maninidra und Roque Samarrita, beide voller Geschichte aus der prähispanischen Zeit, begleiten uns auf unserer Reise. Im Vordergrund zeigt das Tamadaba-Massiv seine üppigen Pinienwälder. In der Ferne sehen wir die Bucht von El Juncal. Diese Bucht ist auch als „Fjord von Gran Canaria“ bekannt.

In der kleinen Ansiedlung San Pedro erwartet uns bereits Jorge für unseren Besuch seines ökologischen Kräutergartens (huerto ecológico de plantas medicales)!

Sofie Hendrikx