Ausgabe Nr.
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J M upload 05.08.2018, Viva Edition 80 | Print article

Kultstätte Roque Bentayga - imposanter Fels im Herzen der Insel

„Was Machu Picchu der Inkas war Bentayga für die Altkanarier“, so ähnlich formulierte es Isabella Gawan in ihrem Reiseführer „Gran Canaria“1) Ja, es war wohl die wichtigste Kultstätte der indigenen Bevölkerung, die im Herzen von Gran Canaria in der Gemeinde Tejeda liegt, dem Dach der Insel. Bei dieser Erkundungstour luden wir Steven Eppler ein, uns zu begleiten. Seine frische und aufmerksame Wahrnehmung auf die Umgebung erweiterte auch unseren Horizont, indem wir plötzlich wieder viele wunderbare Details gesehen haben, für die wir schon lange kein Auge mehr hatten. Daher haben wir diesen Ausflugsbericht als Gemeinschaftsarbeit verfasst.

Von Maspalomas aus fahren wir nordwärts, vorbei am Themenpark El Mundo Aborigen, dem hübschen Dorf Fataga im  gleichnamigen Tal und folgen schließlich der kurvenreiche Straße hoch bis zur Gemeindehauptstadt Tunte, wie San Bartolomé de Tirajana von den Einheimischen noch immer genannt wird (und wie sie häufig ausgeschildert ist). Hier wählen wir die Abzweigung auf die GC40 in Richtung Tejeda. Wieder schlängelt sich die Straße entlang steiler Felshänge in das Landesinnere. Nach fast jeder Kurve erhält man einen wunderbaren Ausblick auf die Gegend, in der Kiefernwälder und kuriose Felsformationen das Augenmerk auf sich ziehen. Im Winter dominiert die Farbe Grün, die nun in der Sommerzeit vielen Nuancen Braun wich. 

Kurz vor dem Ort Tejeda, etwa auf Kilometer 6, biegen wir am Hinweisschild Bentaiga ab und fahren ein kurzes Stück bis zum Ziel unserer Tour. Die Kultstätte thront majestätisch auf einem Plateau auf etwa 1.400 Meter Höhe und zieht uns förmlich an. 

Das Informationszentrum "Bentayga"

Voller Vorfreude parken wir unser Auto, doch bevor es zum Heiligen Fels geht, besuchen wir das Informationszentrum, das über einige Steinstufen zu erreichen ist. Man freut sich über Besucher, umso mehr, wenn diese Interesse an der indigenen Bevölkerung und der Geschichte von Gran Canaria haben. Zuvorkommend und deutsch sprechend erläutert uns Juan interessante Details zum Leben anno dazumal.

Nachdem wir nun ausreichend mit Wissen versorgt sind machen wir uns auf den Weg hoch zum Roque Bentayga. (P.S. Erfrischungen gibt es im Informationszentrum. Der Besuch ist zudem kostenlos). Zugegeben, die tadellos korrekte Geschäftskleidung mit Anzug und entsprechend adäquatem Schuhwerk unseres männlichen Begleiters zieht neugierige Blicke der typischen Touristen an. Vielleicht haben aber auch unsere drei Hunde noch ein Quäntchen dazu beigetragen. Der Aufstieg ist also auch ohne Wanderschuhe zu schaffen (aber nicht zu empfehlen). Anfänglich gepflastert geht dieser in einen befestigten Trampelpfad über, vorbei an Mandelbäumen und ockerfarbenen Wiesen, die malerisch durch das leuchtende blau/violett der wilden Disteln durchbrochen werden. Wer nicht schwindelfrei ist, sollte den Weg meiden. 

Der heilige Fels von Betayga, einstiger Kultplatz

Ein wuchtiger Fels diente als Schutzwall für diesen heiligen Ort und eine schmale Öffnung ermöglicht uns den Durchgang. Noch haben wir es nicht geschafft. Nach einigen Metern besteht die Möglichkeit rechter Hand eine steile Steintreppe zu nehmen oder links einem Pfad zu folgen. Natürlich nehmen wir die Treppe. Diese hat ca. 20 Stufen und endlich am Plateau angekommen verstehen wir, was die Altkanarier so faszinierte. 

Der Ausblick ist unbeschreiblich schön. Man überblickt die tiefen Schluchten bis hinunter in die saftigen Täler mit urigen Dörfern und seinen hübschen weißen Häusern. Auf der einen Seite kann man bis zum Meer blicken, während gen Osten der Roque Nublo seinem Namen gerecht wird und fast immer in von einer Wolkendecke umhüllt ist. Hier hat man das Gefühl, man ist Himmel und Erde gleich nah. Es ist kein Wunder, dass die Altkanarier genau hier ihre sakralen Riten vollzogen. Allerdings ist es uns ein Rätsel wie sie es damals schafften alles ohne Hilfsmittel hoch zu schleppen. 

Die Sakralzone

Vor uns sehen wir einige in das Tuffgestein geschlagene kleinere Höhlen von jeweils etwa einem bis zwei Quadratmetern. Inmitten der Sakralzone befindet sich ein Altar mit drei Löchern, eines in der Mitte mit etwa sechzig Zentimeter Durchmesser und daneben zwei kleinere. Man vermutet, dass hier Blut oder Milch bei Opferzeremonien eingesetzt wurden, um die Götter milde zu stimmen. Meist waren diese dem Sonnen- oder Regengott gewidmet.

Das Fenster zum Himmel

An manchen Stellen kann man kreisförmige und rechteckige Einritzungen im Boden erkennen. Überquert man den Altar und eine kleine Mauer gelangt man rechts an zwei Höhlen. An der Südflanke, unterhalb der Zyklopenmauerreste führt ein Weg abwärts zu weiteren Höhlen und wird flankiert von zahlreichen Felsüberhängen. Dieser Weg ist etwas schwieriger zu begehen und man muss unbedingt schwindelfrei sein. Wer sein Vesperbrot dabei, hat kann hier einen kleine Brotzeit einlegen und einfach nur die frische Luft und den Ausblick genießen. 

Wieder am Altar geht es noch etwas nach hinten. Dort kommt gelangt man zu etwas Unvermutetem. Wir nennen es das Fenster zum Himmel. Ein kleines Loch in der Felswand sollte man in jedem Fall durchsteigen und so gelangt man in eine Höhle mit Loftcharakter. Man kann sich förmlich vorstellen, wie die letzten tausend Kanarier in der letzten Phase der spanischen Eroberung sich hier zurückgezogen haben und einer zweiwöchigen Belagerung getrotzt haben. Ihre Steinlawine kostete acht Konquistadoren das Leben.

Ein weiteres erwähnenswertes Phänomen ist die Wolkendecke, die sich am Horizont in den steilen Bergrücken verfängt. Wie in Zeitlupe kriecht die „weiße Watte“ zwischen den Gipfeln und versucht sich ihren Weg zu bahnen, doch ohne Erfolg. Hier ist die Wetterscheide und während es nordwärts feuchter und kühler ist steigen ab hier südwärts die Temperaturen und kein Wölkchen trübt den strahlenden Azurblauen Himmel.

Der Blick auf die Caldera lässt erahnen, was sich hier vor unendlich langer Zeit zugetragen hat, als die gewaltige Energie der Natur mit ihren Vulkanausbrüchen die Insel erschuf. Zurück „in situ“. Auf diesem hinteren Pfad befinden sich weitere kleiner Höhlen, die heute Kaninchen als ihr Domizil auserwählt haben. Die Steintreppe führt wieder nach unten. Und dieser Weg führt vorbei an einer riesigen Felsspalte und weiteren Felslöchern.

Fazit

Ein Ausflug zum Roque Bentayga lohnt sich auf jeden Fall, schon allein des Ausblicks wegen. Doch berücksichtigen Sie, dass die Temperaturen in dieser Höhe sehr frisch sein können. Der Besuch ist bei wolkenfreiem Wetter sensationell, wir empfehlen also einen Quercheck beim lokalen Wetterdienst wie z. B. www.eltiempo.es Sie sollten aber trotzdem sicherheitshalber eine Windjacke oder Pullover mitnehmen, auch jetzt im Sommer! 

Für den Auf- und Abstieg sollten Sie etwa 40 bis 50 Minuten einplanen. Hunde sind erlaubt und für geübte Hunde auch ohne Leine kein Problem. Es gibt eine elf Meter lange Königshöhle („Cueva de los Reyes“), doch die ist für den Besuch nicht freigegeben.  

Steven Eppler/Julija Major

 

Steckbrief

Tejeda befindet sich in der Mitte von Gran Canaria und ist eine der 22 Gemeinden mit einem gleichnamigen Hauptstädtchen. Es wird auch das „Dach der Insel“ genannt, weil sich dort die beiden höchsten Erhebungen befinden: Pico de las Nieves (1.949 m) und der Roque Nublo (1.813 m). Dort liegt auch der Roque Bentayga, die wichtigste Kultstätte der Altkanarier (also der indigenen Bevölkerung). Einwohner: 2.239 (Stand: 2007).

Anfahrt: Maspalomas nordwärts über Barranco de Fataga bis Tunte und von dort auf der GC40 in Richtung Tejeda, bei Km. 6.3 Abfahrt in Richtung Roque de Bentayga wählen. Dauer etwa eine Stunde und 20 Minuten bei gemütlicher Fahrt.

Informationszentrum Bentayga 

„Centro de Interpretación“
Di. - So. von 11.00 bis 16.00 Uhr, Eintritt: Gratis.

Tee- und Kräutermuseum in Tejeda

Mo. - Fr. von 10.00 bis 17.00 Uhr, Sa. und So. bis 16.00 Uhr, Gratis.
Jeder Besucher erhält als Willkommensgeschenk einen Tee seiner Wahl.

  • Museum für Brauchtum und Kultur in Tejeda, Eintritt 4 Euro bzw. 2 Euro für Senioren ab 65 Jahre und Kinder unter 18 Jahre.
  • Museum de Abraham Cárdenes
  • Geöffnet für Sonderausstellungen. Eintritt: Gratis.