Wie in meiner letzten Ausgabe geschrieben, hatte ich vor zwei Wochen die Ehre die vielseitige und umfassende Arbeit der Loro Parque Stiftung kennenzulernen sowie hinter die Kulissen des Parks zu blicken. In meinem zweiten Teil möchte ich Sie jetzt gerne in diese Zuchtstation entführen.
Einige Fakten vorab: Der Loro Parque ist weltweit führend im Artenschutz von Papageien (Ordnung der Psittaciformes) und verfügt zudem über die größte Gendatenbank der Welt. Wissenschaftler und Forscher aus allen Kontinenten fanden sich diesen September zur bereits III. Internationalen „Parrot Convention“ ein. Das Wissen des Loro Parque Spezialisten (Botaniker und Veterinäre) ist unbezahlbar, denn sie kennen die Tiere wie kaum jemand. Sie können so wertvolle Hintergrundinformationen bereitstellen.
Internationales Expertennetzwerk
Auf internationalem Niveau ist im Laufe der Zeit ein Netzwerk entstanden, in dem sich die Wissenschaftler austauschen. Zudem gibt der Loro Parque halbjährlich das Fachmagazin „Cynopsitta“ in drei Sprachen heraus, das auch im Internet zugänglich ist. Immer mehr Regierungen, Hilfsorganisationen etc. wenden sich an die Loro Parque Stiftung und bitten um Hilfe. Seit 1994 hat man 120 Projekte in über dreißig Nationen ins Leben gerufen und rein aus den Finanzmitteln der Fundación um die 17 Millionen Dollar in den Artenschutz investiert. Die Stiftung ist nicht-staatlich und finanziert sich rein aus den Spenden (siehe Kasten „Mitgliedschaft“).
Zu Besuch in der Loro Parque Zuchtstation
Die Zuchtstation umfasst 30.000 Quadratmeter und befindet sich nur einige Minuten vom Loro Parque in Puerto de la Cruz entfernt. Sie ist für gewöhnlich nur der Fachwelt vorbehalten oder Mitgliedern der Stiftung (siehe Kasten). Gleich am Eingang befindet sich das Verwaltungsgebäude sowie die Verpflegungsstation. Dort wird im Edelstahlgeschirr zwei mal täglich das Essen für die Vögel zubereitet und es erinnert hinsichtlich Dimension und Sauberkeit an eine Gastronomieküche.
Sträucher, Palmen und Bäume erzeugen eine tropische Atmosphäre und spenden zudem Schatten. Man hört die Vögel schon schreien und mit Betreten der nochmals abgesicherten Brutzone, wird es schlagartig (sehr) laut. Wir sind Fremde und das bekommen wir unmissverständlich zu verstehen. Manche Papageien sind allerdings auch neugierig und fliegen an die Vorderseite der Gitter und beäugen uns Besucher mit interessiertem Blick.
Sauberkeit trifft auf Expertise
Uns führt der kompetente Leiter Rafael Zamora Padrón durch die Anlage der Zuchtstation. Er kennt jedes einzelne Tier im Detail und hat auch noch Zeit für ein Späßchen mit den Papageien. Das etwa 20-köpfige Team besteht aus Experten (Biologen und Veterinäre) sowie den Gärtnern, Arbeitern und nicht zuletzt Administrationsmitarbeitern. Es ist auffallend sauber und ordentlich, fast schon penibel. Kein Blatt auf dem Boden, trotz der üppigen Vegetation. Sogar die Besen und andere Utensilien sind fein säuberlich an den Wänden befestigt, wie in einem Werkraum. Es gibt auch keinen unangenehmen Geruch den man in Anbetracht der Vielzahl der Vögel vielleicht erwartet hätte. Natürlich wird alles jeden Tag mit Wasser gereinigt.
Viel Platz für die Intimität der Paare
Ein Schild an den Käfigen kennzeichnet jeden Vogel mit dem zoologischen Namen sowie der deutschen und englischen. Die meisten der Fachkräfte kommen aus Deutschland und international ist Englisch vonnöten. Auf diesen Zetteln (mit den für Laien anmutenden Hyroglyphen) sind Hintergrundinformationen für jedes Tier vermerkt, wie z. B. Spezies, Anzahl der Eiablagen, wie viele Eier wurden gelegt, Anzahl der Küken etc.
Jeweils ein Paar ist in einer geräumigen Voliere untergebracht und diese stehen scheinbar endlos aneinander gereiht. Sie misst etwa zwölf Meter Länge mal 1,50 Meter Breite und hat eine Höhe von ca. 3 Meter. Zwischen den einzelnen Zuchtstationen wurde etwa ein halber Meter Platz gelassen, wo hohe Sträucher gepflanzt wurden, damit die Pärchen ihre Intimität haben. Jawohl, sie haben richtig gelesen, denn es gibt unzählige Faktoren, die auf eine erfolgreiche Zucht Einfluss haben. Äste von bestimmten in der Heimat der Vögel vorkommenden Bäume oder Palmen sorgen für bekannte Gerüche. Stoffbahnen und Pflanzen sorgen für Rückzugsmöglichkeiten für die Pärchen. Es gibt sogar einen Felswanddesigner bzw. Steinmeister, der Bergwände nach jenen des Herkunftslandes der Papageien nachbaut.
Ohne liebe läuft nichts bei den Papageien
Rafael erzählte uns eine nette Anekdote und einen großartigen Erfolg der Zuchtstation. Die brasilianische Regierung sendete dem Loro Parque zwei Paare der kritisch vom Aussterben bedrohten Lear-Ara. Die Zeit verging und es ‚lief einfach nichts‘ (wenn Sie verstehen was ich meine). Die Fachleute recherchierten tiefergehend hinsichtlich dem Lebensraum und studierten Fotos.
Dort erblickten sie eine Palmenart in der Heimat dieser Ara, die just auch vor dem Administrationsgebäude wuchs. Sie schnitten ein Stück ab und gaben es in die Käfige. Dem Team fiel auf, dass ein Männchen ständig das Weibchen im Nachbarkäfig beäugte. Also tauschten Sie die Partner der beiden Paare aus und seitdem sind sie, sehr zur Freude des Parks, fleissig am reproduzieren. Schon dreißig Exemplare sind seitdem geschlüpft. Papageien gehen quasi einen Bund fürs Leben ein und leiden, wenn einer der Beiden stirbt. Im Jahr 1983 existierten offiziell nur noch etwa 60 Lear-Ara und heute sind es 1.163. Der Status konnte von sehr kritisch auf ‚nurmehr‘ kritisch vom Aussterben bedroht heruntergestuft werden.
Erfolg durch nachhaltige Arbeit auf höchstem Niveau
Die Zucht in Gefangenschaft ist äußerst komplex und zum Glück sind die meisten des Expertenteams der Loro Parque Zuchtstation seit Jahrzehnten dabei. So konnten sie sich im Laufe der Zeit ein enormes Wissen über die Papageien aneignen, weshalb sie auch so erfolgreich sind.
In jeder Phase während der Reproduktion wird jeder einzelne Papagei, jedes Ei, geschlüpfte Junge etc. vom Expertenteam genauestens beobachtet, dokumentiert und laufend untersucht. Welche Temperatur hat das Ei, wie oft wird es bewegt? Die Zuchtstation wird zudem wöchentlich von der Umweltbehörde kontrolliert, ob alles gemäß der Vorschriften abläuft. Die Vögel müssen einen Chip haben und ab ca. drei Wochen auch einen ordentlich verschlossenen Ring, Männchen in Schwarz und Weibchen in Gold.
Man kann sich gar nicht vorstellen, wie geschickt und intelligent die Papageien sind. Mitunter merken sie sich den Code oder öffnen ein Schloss mit der Zunge. Aus diesem Grund ist über dem ganzen Areal zusätzlich ein Netz gespannt.
Ziel: Rückkehr in die Heimat
Zu jeder Zeit wird jedes Tier beobachtet und im wahrsten Sinn des Wortes hochgepäppelt. Bevor man die Tiere irgendwann in die freie Wildbahn entlassen kann, werden sie sozialisiert. Das bedeutet, ab einem bestimmten Alter kommen sie in große Volieren mit anderen Spezies zusammen. Sie müssen sich daran gewöhnen, dass es auch andere Arten gibt und jede hat so seine Eigenheiten. Tansparenz ist uns wichtig
All diese Informationen fließen in eine Datenbank und dieses Informationssystem mit über 30.000 Einträgen der Zuchtstation ist weltweit einzigartig.
Die Loro Parque Zuchtstation hat sich international längst einen Namen gemacht und die Erfolge geben den Bemühungen recht, die sie mit diesem großen Know-How und den idealen Bedingungen erreichen konnten. Ziel ist es aber, das Aussterben von Papageienarten zu verhindern und irgendwann die Populationen wieder in ihre Heimatländer auszuwildern, damit sie sich zukünftig in der freien Natur vermehren.
Die Bedeutung eines ausgeglichenen Ökosystems und der Erhalt der Biodiversität ist unumstritten. Das Plündern der natürlichen Ressourcen, die Rodungen der Wälder, die Auslöschung der natürlichen Lebensräume, die Umweltverschmutzung, kulturelle Bräuche/Traditionen u.s.w., machen die Arbeit der Loro Parque Stiftung und der Zuchtstation einfach unersetzlich. Im Gegenteil, sie wird wahrscheinlich noch wichtiger werden, wie die Projekteinreichungen ahnen lassen.
Ich möchte mich im Namen aller Idealisten dieser Welt für diesen großartigen Einsatz bei der Familie Kiessling herzlich bedanken.
Julija Major